1. Juli 2021

„Ausgleich bringt echte Verbesserung mit sich“: Aussiedlerbeauftragter Dr. Bernd Fabritius erläutert im Interview, was der Härtefallfonds leisten kann und sollte

Die Bundesregierung hat am 23. Juni den Haushaltsplan für 2022 beschlossen. Darin enthalten ist ein zu errichtender Fonds zur Abmilderung von Härtefällen in der Rentenüberleitung für Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer (siehe Bundesregierung beschließt im Haushaltsplan 2022 eine Milliarde Euro zur Abmilderung von Härtefällen in der Rentenüberleitung für Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer / Fabritius: "Meilenstein der Aussiedlerpolitik dieser Wahlperiode"). Der Härtefallfonds wird bundesseitig mit einer Milliarde Euro ausgestattet. Die Bundesländer sollen ebenfalls eine Milliarde Euro zum Fondsvolumen beitragen. Als „Meilenstein der Aussiedlerpolitik dieser Wahlperiode" wertete der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius, MdB, den Beschluss der Bundesregierung. Freilich sind vor einem Inkrafttreten noch einige Hürden zu nehmen, räumt der 56-jährige CSU-Bundestagsabgeordnete ein. Der Fonds solle „nach einer langjährigen Arbeitsbiografie mit einer beeindruckenden Lebensarbeitsleistung“ einen Nachteilsausgleich durch eine Einmalzahlung an die Berechtigten leisten. Es gebe mehrere Rechenbeispiele, „in den günstigsten Fällen können Einmalzahlungen bis zu 10.000 Euro durchsetzbar sein“, eröffnet der Aussiedlerbeauftragte im Gespräch mit dem stellvertretenden Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung, Christian Schoger.
Darüber hinaus erkennt Fabritius auch konkreten Nachbesserungsbedarf. Sollte er Mitglied des nächsten Bundestages sein „und dort die Union über eine ausreichend starke Vertretung verfügen“, hoffe er, „diese nach meiner Überzeugung wichtigen Punkte den möglichen Koalitionspartnern abringen zu können“.

Die Entscheidung des Bundeskabinetts, einen Härtefallfonds bei Renten für Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer zu etablieren, ist eine sehr positive Nachricht. Sie sprachen gar von einem „Meilenstein der Aussiedlerpolitik dieser Wahlperiode“. Worin besteht die historische Dimension dieses Beschlusses?

Erstmalig wurde in dieser Deutlichkeit ein Zeichen gesetzt, dass die Nachteile bestimmter Personengruppen in der rentenrechtlichen Eingliederung im Fokus sind und Abhilfe erfolgen soll. Durch den Haushaltsansatz von einer Milliarde Euro als Bundesanteil und mit der Erwartung einer Beteiligung der Länder in gleicher Höhe wurde signalisiert, welches Volumen ein Ausgleichsfonds für eine angemessene Leistung umfassen muss. Bei einem Gesamtvolumen von 2 Milliarden Euro und drei Personenkreisen würden für die von mir als Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung verantworteten Personenkreise rund 650 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Auch wenn die Eckdaten noch nicht endgültig beschlossen sind, die Länderbeteiligung von den Ländern noch nicht bestätigt wurde und im kommenden Haushaltsjahr 2022 ein neuer Bundestag mit seinem Haushaltsausschuss dem Beschluss zustimmen muss, damit dann die neue Bundesregierung den Fonds auf den Weg bringt, so ist die Schaffung eines so überzeugenden Haushaltsansatzes durch die Bundesregierung ein absoluter Meilenstein bei Lösung des Anliegens.
Dr. Bernd Fabritius bei seiner Rede im Plenum des ...
Dr. Bernd Fabritius bei seiner Rede im Plenum des Bundestages am 25. Juni. Bildquelle: CDU/CSU-Bundestagsfraktion / Michael Wittig
Als Aussiedlerbeauftragter haben Sie den Entscheidungsprozess intensiv begleitet und wichtige Impulse gegeben. Welche Resonanz erhielten Sie seit Bekanntwerden der Entscheidung?

Ich höre von sehr vielen Betroffenen einerseits große Erleichterung, dass dieses wichtige Anliegen nun zumindest in bestimmten Teilen der Politik erkannt und ernst genommen wird. Gleichzeitig bekomme ich Signale der Sorge, ob denn die nächste Bundesregierung diesen Beschluss auch umsetzt, und letztlich – das freut mich ganz besonders – Mitteilungen der Dankbarkeit und der Anerkennung dafür, doch so hartnäckig und mit „langem Atem“ an diesem Thema drangeblieben zu sein, wo es doch so vielen Landsleuten wirklich wichtig ist.

Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Rainer Lehni, hat in seiner Stellungnahme den vom Bundeskabinett beschlossenen Härtefallfonds begrüßt und der Bundesregierung als auch Ihnen persönlich gedankt (siehe Härtefallfonds: Bundesvorsitzender Lehni begrüßt Beschluss der Bundesregierung). Er äußerte zugleich die Erwartung, dass die neue Bundesregierung und die Bundesländer, die am Fondsvolumen beteiligt werden sollen, die Entscheidung „unbürokratisch umsetzen“. Der Anteil des Bundes beläuft sich auf eine Milliarde Euro. Denselben Betrag sollen die Länder gewährleisten. Der Bundeshaushalt 2022 muss nach der Bundestagswahl am 26. September aber erst noch den Bundestag und Bundesrat durchlaufen, um in Kraft treten zu können. Wie beurteilen Sie die Chancen, dass der Härtefallfonds in der nächsten Legislaturperiode zustande kommt?

Die unionsgeführte Bundesregierung hat sich durch diesen Kabinettsbeschluss eindeutig positioniert. Sollte es Kontinuität in der Regierungspolitik geben, habe ich – ohne Vorgriff auf eine Entscheidung des Haushaltsausschusses des nächsten Bundestages – keine Zweifel, dass der Bundesanteil für den veranschlagten Zweck auch im Kabinettsbeschluss fortgeführt wird. Natürlich müssen die Länder ihren Anteil ebenfalls leisten. Dafür werde ich mit Nachdruck ebenfalls kämpfen. Bereits in Kürze werde ich eine Aussiedlerbeauftragtenkonferenz der Länder einberufen, um weitere Schritte zu planen.

Aus Sicht der Betroffenen gefragt: Der Fonds soll Härten in der rentenrechtlichen Eingliederung deutscher Aussiedler und Spätaussiedler ausgleichen. Können Sie die Zielgruppe anhand von konkreten Beispielen anschaulich machen?

In den aktuell geplanten – von mir in diesem Punkt deutlich kritisierten – Eckdaten sind Spätaussiedler erfasst, die bei Zuzug nach Deutschland bereits 50 Jahre alt gewesen sind und vor 2012 in Rente gegangen sind, wenn ihre Rente insgesamt unter dem Freibetrag von 830 Euro netto liegt. Ich habe eine Einbeziehung auch der Aussiedler (Zuzug vor dem 1. Januar 1993) gefordert und zusätzlich flankierende Korrekturen im Fremdrentenrecht, etwa bei der 40%-Kürzung für Kindererziehungszeiten oder die Schaffung eines Aufwands-Selbstbehaltes bei der Anrechnung gem. § 31 FRG. Sollte ich Mitglied des nächsten Bundestages sein und dort die Union über eine ausreichend starke Vertretung verfügen, hoffe ich, diese nach meiner Überzeugung wichtigen Punkte den möglichen Koalitionspartnern abringen zu können. Unser Koalitionspartner der 19. Wahlperiode, die SPD, war zu diesen Schritten leider nicht bereit.

Mit welchen Ausgleichsleistungen könnten Betroffene dann rechnen, wenn der Fonds verwirklicht wird?

Der Fonds soll einen Nachteilsausgleich durch eine Einmalzahlung an die Berechtigten leisten. Ich habe gefordert, einen angemessenen Ausgleich zu schaffen, der nach einer langjährigen Arbeitsbiografie mit einer beeindruckenden Lebensarbeitsleistung auch eine echte Verbesserung mit sich bringt. Es gibt mehrere Rechenbeispiele, in den günstigsten Fällen können Einmalzahlungen bis zu 10.000 Euro durchsetzbar sein. Dafür setze ich mich ein. Ob damit aber gerechnet werden kann, hängt sehr von der Beteiligung der Länder und der Abstimmung im nächsten Haushaltsausschuss über diesen Vorschlag der Bundesregierung ab. Auch dafür setze ich mich mit der für Siebenbürger so typischen Beharrlichkeit ein, die auch zu diesem Zwischenergebnis beigetragen hat.

Sie kandidieren im September für den nächsten Bundestag. Eine unbürokratische Umsetzung des Härtefallfonds ist sicher nicht die einzige Aufgabe auf Ihrer aussiedlerpolitischen Agenda, doch eine besondere Herausforderung unter den Rahmenbedingungen einer neuen Regierungskoalition. Worauf richten Sie Ihr Hauptaugenmerk, welche Forderungen und Anliegen wollen Sie überdies voranbringen?

Oh, die Liste offener Aufgaben ist lang, auch wenn vieles erreicht wurde: Angesprochen habe ich bereits die noch ausstehenden Korrekturen im Fremdrentenrecht, die als flankierende Maßnahmen zum skizzierten Fonds wichtig sind. Es sind aber auch Aufgaben, die fortwährend bestehen, wie etwa die kontinuierliche Sicherung und Weiterentwicklung unserer Kultur gemäß § 96 BVFG, für die in dieser Wahlperiode die Mittel ganz deutlich auf über 50 Millionen Euro angehoben werden konnten. Auch die Verstärkung der Jugendarbeit und der Jugendförderung, einschließlich der Förderung des muttersprachlichen Unterrichtes auf Deutsch in unseren Heimatgebieten, bleibt essentiell, weil nur dadurch eine Kontinuität in die Zukunft geschaffen werden kann. Hier ist die Verstetigung der durchgesetzten Zusatzmittel zur Sicherung deutschsprachiger Lehrer oder auch zur angemessenen Lohnzahlung in den Sozialeinrichtungen unserer Landsleute in Rumänien unerlässlich. Gleiches gilt für den weiteren Ausbau der zweifellos als Chance zu begreifenden Brückenfunktion der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler, gemeinsam mit unseren Landsleuten in den Heimatgebieten, die ihrerseits unserer beherzten Unterstützung bedürfen und mit ihren Aufgaben und Herausforderungen in den Heimatgebieten nicht alleine gelassen werden dürfen. Dafür setze ich mich mit Nachdruck ein. Der überzeugende Haushaltsansatz der Bundesregierung für unseren Ausgleichsfonds zeigt mir, dass Beharrlichkeit und Geduld sich oft auszahlen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Aussiedlerbeauftragter, Bernd Fabritius, Bundestag, CSU, Rente, Fremdrente, FRG, Bund, Länder, Verband, Bundesvorsitzender, Rainer Lehni, Bundesregierung, Christian Schoger

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