4. April 2023

„Sie sind wahre Brückenbauer“: Bundeskanzler Olaf Scholz sprach beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen

„Wird er wirklich kommen? Und wenn ja: Was wird er sagen?“ Diese beiden Fragen werden sich Besucher und Beobachter des diesjährigen Jahresempfangs des Bundes der Vertriebenen (BdV), der am 28. März in der Katholischen Akademie Berlin – Hotel Aquino Tagungszentrum stattfand, in Erwartung des wichtigsten Ehrengastes und Festredners nicht nur einmal gestellt haben. Zum ersten Mal nämlich hatte Bundeskanzler Olaf Scholz MdB zu Jahresbeginn zugesagt, auf einer der wichtigsten Veranstaltungen des Verbandes zu sprechen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) beim ...
Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen, flankiert von Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, Peter Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, und Valentina Wudtke, Vorsitzende des Landesverbands Bayern der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (von links nach rechts). Foto: bundesfoto/BdV
Die Umstände jedoch waren alles andere als perfekt: Schwierige Gespräche im Koalitionsausschuss in der Nacht von Sonntag auf Montag wurden von Regierungskonsultationen im niederländischen Rotterdam abgelöst und am Dienstagvormittag fortgesetzt. Am frühen Nachmittag war das Ende noch nicht absehbar. Bis auf den Empfang des kenianischen Präsidenten William Ruto im Bundeskanzleramt hatte Scholz zu diesem Zeitpunkt sämtliche Termine abgesagt. Als dann das Signal kam, die Teilnahme des Bundeskanzlers beim BdV sei gesichert, wurde dies mit Erleichterung und auch mit Stolz aufgenommen. Vor diesem Hintergrund stellten die Begrüßungsworte des BdV-Präsidenten, Dr. Bernd Fabritius, mit der Ansprache des Bundeskanzlers werde „eine großartige Tradition“ wieder aufgenommen, denn der Jahresempfang sei in der Vergangenheit „eine feste Größe in den Terminkalendern unserer Kanzler“ gewesen, die Anwesenheit des Kanzlers beim BdV in diesen bewegten Tagen in ein besonderes Licht.

Bundeskanzler bekennt sich zur Unterstützung des BdV


Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner ...
Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Festansprache. Foto: bundesfoto/BdV
In seiner Rede zeichnete Olaf Scholz Bilder des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mit Gewalt, Zerstörung, Flucht, großem menschlichen Leid und Wladimir Putins neoimperialistischem Machtwahn. Diese verband er kontrapunktisch mit den Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen für Deutschland und Europa und ordnete das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen und die Arbeit des BdV darin ein.

Fast 14 Millionen Ukrainer seien derzeit auf der Flucht und hätten sich im Heimatland, aber auch in der Europäischen Union in Sicherheit gebracht, rund eine Million davon in Deutschland. Für deren Not, deren Heimatverlust und deren Ankunft in der Fremde hätten gerade die Vertriebenen und Spätaussiedler großes Verständnis.

Mit großer Empathie würden sie den Betroffenen helfen – egal, ob in der Migrationsberatung oder über Spenden- und Hilfsaktionen „in enger Zusammenarbeit mit den deutschen Minderheiten in der Ukraine, Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien“. „Sie sind wahre Brückenbauer“, so der Bundeskanzler an die Adresse der Selbstorganisationen der Minderheiten und den BdV gerichtet. „Dafür sage ich Ihnen von ganzem Herzen: Vielen Dank!“

Das heutige Engagement der Vertriebenen und ihrer Verbände zeige, dass sie schon früh „die richtigen Schlüsse aus der Geschichte gezogen“ hätten. Dafür stehe auch die „wegweisende Charta der Heimatvertriebenen“ mit ihrer Zielsetzung eines geeinten Europa, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können und somit der Basis „Ihrer Versöhnungsarbeit in Europa bis heute und in Zukunft“.

„Deshalb möchte ich mich hier ganz ausdrücklich zur Unterstützung des Bundes der Vertriebenen und seiner Versöhnungsarbeit bekennen. Dazu zählt, die Kultur und die Geschichte der Deutschen aus den ehemaligen Siedlungsgebieten im östlichen Europa lebendig zu halten“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz wörtlich und setzte damit das Maß, an dem der BdV und seine Gliederungen die Bundesregierung wohl zukünftig messen werden.

BdV-Präsident Fabritius: „Arbeiter der Verständigung mit den östlichen Nachbarn“

Wie wichtig aber die Ausgestaltung solcher politischen Botschaften ist, zeigte sich kurz in der Frage des im November 2022 durch die Bundesregierung aufgelegten Härtefallfonds auch für rentenrechtlich benachteiligte Spätaussiedler. Der Bundeskanzler bewertete diesen als „Lückenschluss“ im Rahmen einer empfundenen Ungerechtigkeit, wenngleich er auch Verständnis sowohl für das Schicksal der Betroffenen als auch für die Kritik an der Auszahlungshöhe äußerte. BdV-Präsident Fabritius hingegen hatte in seiner Begrüßungsrede deutlich erklärt, dieser Härtefallfonds sei „kein Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit“, denn er schließe nur Spätaussiedler ein, lasse Aussiedler außen vor und halte „mit engen Stichtagsregelungen diese Zielgruppe klein“.
BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius begrüßt den CDU ...
BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius begrüßt den CDU-Vorsitzenden und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz MdB. Foto: bundesfoto/BdV
Der BdV werde sich weiterhin für „lange überfällige Anpassungen des Fremdrentengesetzes einsetzen“, zumal in diesem Jahr „erstmalig die völlige Angleichung zwischen Ost- und Westrenten Wirklichkeit geworden“ sei.

Diese Haltung beim Thema Rentengerechtigkeit deckte sich mit dem von Dr. Fabritius formulierten „Anspruch, mehr als nur sogenannte ‚Verbandspolitik‘ zu betreiben. Vielmehr vertrete der BdV „eine geschichtsbewusste Sicht auf die Zukunft“ und verstehe sich als „Arbeiter der Verständigung“ mit den östlichen Nachbarn, so der BdV-Präsident. Zentral sei dabei der Austausch mit den dortigen deutschen Minderheiten, das gemeinsame Engagement für ein friedliches und geeintes Europa, die – auch grenzüberschreitende – Arbeit an der Kultur- und Brauchtumspflege sowie die Aufnahme und Eingliederung von Spätaussiedlern in Deutschland.

Wie eng die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg sei, zeigt sich auch in der Spendenaktion „Nothilfe für Deutsche aus der Ukraine“. Fabritius dankte für rund 80 000 Euro Spendenaufkommen beim BdV und den Mitgliedsorganisationen und erklärte, dass ein Großteil des Geldes bereits zielgerichtet eingesetzt worden sei. Im Rahmen der Veranstaltung überreichte er dem Vorsitzenden des Rates der Deutschen der Ukraine, Wolodymyr Leysle, einen symbolischen Scheck über weitere 10000 Euro für die vom Krieg betroffenen und notleidenden Landsleute.

Aktuell drängende Probleme gebe es in der Spätaussiedleraufnahme, betonte Dr. Fabritius. Seit etwa einem Jahr würden immer mehr Anträge auf Anerkennung abgelehnt, weil Antragsteller irgendwann in Zeiten des sowjetischen Unrechts nicht mehr der deutschen Minderheit, sondern der Mehrheitsgesellschaft zugeschrieben wurden. Dies werde nunmehr „massenhaft und schematisch vom BVA als Ablehnungsgrund bemüht“, obwohl es sich vielfach eindeutig um Landsleute handele. Daher sei es gut, dass die Bundesinnenministerin Nancy Faeser „im Deutschen Bundestag eine Gesetzesänderung zugunsten der Antragsteller so deutlich in Aussicht gestellt“ habe und dass auch die Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik MdB, sich dieser Bereitschaft angeschlossen habe. Pawlik war zum zweiten Mal persönlich beim BdV-Jahresempfang anwesend. Herzlich willkommen hieß der BdV-Präsident außerdem erstmals den Vorsitzenden der CDU Deutschlands und Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz, den Vorsitzenden der zuständigen soziologischen Gruppe der Fraktion, Christoph de Vries, sowie rund 30 Abgeordnete der Unions-Fraktion, denen Fabritius für dieses deutliche Zeichen der Verbundenheit mit dem BdV und seinen Anliegen dankte. Von der SPD begrüßte er insbesondere Rita Hagl-Kehl MdB, die auch Mitglied des BdV-Präsidiums ist. Aus den Landtagen waren etwa Andreas Hofmeister, Vorsitzender des Unterausschusses für Heimatvertriebene und Spätaussiedler im Hessischen Landtag, sowie der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen für Vertriebene und Aussiedler, André Bock, anwesend.
Großes Interesse, mit dem Bundeskanzler ins ...
Großes Interesse, mit dem Bundeskanzler ins Gespräch zu kommen, von links: AGDM-Vorsitzender Bernard Gaida, DFDR-Vorsitzender Prof. Dr. Paul-Jürgen Porr, Bundeskanzler Olaf Scholz und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius. Foto: bundesfoto/BdV
Seitens der Bundes- und Länderministerien begrüßte Fabritius stellvertretend die Landesbeauftragten Margarete Ziegler-Raschdorf aus Hessen, Dr. Jens Baumann aus Sachsen und Heiko Hendriks aus Nordrhein-Westfalen. Eine große Delegation der Vertreter der deutschen Minderheiten aus den Nachbarländern war ebenfalls vor Ort. So waren neben Wolodymyr Leysle aus der Ukraine u.a. der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Minderheiten (AGDM) in der FUEN, Bernard Gaida, aus Oppeln der Vorsitzende des Verbandes der sozial-kulturellen Gesellschaften der Deutschen in Polen (VdG) und Präsident des Oppelner Regionalparlamentes, Rafał Bartek, aus Rumänien der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Prof. Dr. Paul-Jürgen Porr, und der Vorsitzende der Michael Schmidt Stiftung, Michael Schmidt, aus Russland die erste Vizepräsidentin des IVDK und Herausgeberin der Moskauer Deutschen Zeitung, Olga Martens, aus Kasachstan der Vorsitzende der Stiftung Wiedergeburt, Senatsmitglied Yevgeniy Bolgert, aus Kirgistan der langjährige Vorsitzende der deutschen Volksgruppe, Valerij Dill, sowie aus Dänemark der Vorsitzende des Bundes deutscher Norschleswiger, Hinrich Jürgensen, anwesend. Seitens des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland waren der Bundesvorsitzende Rainer Lehni und die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter zugegen. Zu den weiteren prominenten Gästen zählten der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, etliche weitere Vertreter des Diplomatischen Corps, darunter die Botschafter Rumäniens und Ungarns, sowie der Erzbischof von Berlin, Dr. Heiner Koch, der Vizepräsident des Zentralrates der Juden, Mark Dainow, und der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, Prälat Dr. Karl Jüsten.

Quelle: Bund der Vertriebenen

Schlagwörter: BdV, Bernd Fabritius, Bundeskanzler, Scholz, Merz, Rainer Lehni

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