2. Juni 2023

„Das Recht auf Heimat“: Gerda Hasselfeldt erhält beim Heimattag Großes Ehrenwappen des Verbandes

Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, sprach am Pfingstsonntag bei der Kundgebung vor der Schranne vom Heimattag als einem „Treffen mit Freunden“, das etwas Ähnliches wie Heimkehren sei, und lobte das Miteinander der Generationen, die aktive Mitarbeit von Kindern und Jugendlichen im Verband der Siebenbürger Sachsen sowie deren Zusammengehörigkeitsgefühl, Wertekanon und Integrationsleistung. Vom Bundesvorsitzenden Rainer Lehni wurde sie als „Kennerin Siebenbürgens und der Siebenbürger Sachsen“ für ihre stete Fürsprache im Sinne der Siebenbürger Sachsen und für die Hilfe des DRK bei Nachweisen für die Beantragung von Entschädigungsleistungen mit dem Großen Ehrenwappen des Verbandes ausgezeichnet. Ihre Rede wird im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.
Gerda Hasselfeldt betonte in ihrer Rede das ...
Gerda Hasselfeldt betonte in ihrer Rede das „Recht auf Heimat“. Foto: Siegbert Bruss
Sehr geehrter Herr Lehni, verehrte Ehrengäste, mein sehr geehrten Damen und Herren, liebe Siebenbürger Sachsen, für viele von Ihnen ist sicher dieser heutige Tag, das alljährliche Pfingsttreffen, der alljährliche Heimattag der Siebenbürger Sachsen hier in Dinkelsbühl, so etwas Ähnliches wie Heimkehren. Heimkehren deshalb, weil es eine Gelegenheit ist, miteinander zu feiern, Erfahrungen, Erlebnisse auszutauschen, ja, ein Treffen mit Freunden. Ich freue mich, dass ich bei diesem Fest dabei sein kann, denn für mich ist es auch ein Treffen mit Freunden. Gerne denke ich an so manche Begegnung mit vielen von Ihnen, persönliche Begegnungen und Gespräche, nicht zuletzt aber auch an meinen Besuch hier in Dinkelsbühl vor etwa sechs Jahren, wenn ich es richtig im Kopf habe, nicht bei dieser Kundgebung, sondern im Saal hinter mir, oder auch an das weltweite Sachsentreffen in Hermannstadt. Herr Lehni, Sie haben es angesprochen.

Es ist ein Treffen mit Freunden, und Sie haben heute dieses Treffen mit Freunden wieder so wunderbar mit einem vielfältigen, herrlichen Programm, noch dazu bei einem schönen Wetter, der liebe Herrgott hat’s heute wirklich besonders gut mit Ihnen und mit uns gemeint, wieder super ausgestaltet. Und auch ich möchte all jenen, die im Vorfeld dieses Heimattages mit der Organisation betraut waren, all jenen tausenden Frauen und Männern, die uns im Trachtenzug begleitet und erfreut haben, ein herzliches Dankeschön sagen. Es ist eine Freude hier zu sein und dieses mitzuerleben. Es ist eine besondere Freude auch diesen Geist zu spüren, der in Ihrem Motto zum Ausdruck kommt, nämlich „Miteinander schafft Heimat“. Dieses Miteinander ist heute deutlich geworden, bedeutet Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Frauen und Männer mit demselben Werteverständnis und Wertekanon, mit einer Gemeinsamkeit treten Sie hier auf, das spürt man. Und ich möchte Ihnen ganz persönlich auch sagen: Die Tatsache, dass so viele Kinder und Jugendliche dabei waren, nicht nur beim Umzug, sondern auch in Ihrer Verbandsarbeit so aktiv mitarbeiten, in den Gemeinden vor Ort so aktiv sind, das ist etwas ganz Besonderes. Und das möchte ich auch ganz persönlich hervorheben, denn Sie zeigen damit, welchen Stellenwert Sie der Zusammenarbeit der Generationen beimessen, und diese Jugendlichen zeigen auch uns: Schaut her, wir gehören auch zu diesem Verband, zu dieser Gemeinschaft, wir sind ein fester Bestandteil dieser Gemeinschaft und dieses Staates. Dafür will ich ganz herzlich danken, denn das, meine Damen und Herren, das brauchen wir nicht nur hier, das brauchen wir in unserer gesamten Gesellschaft, deshalb bin ich so dankbar dafür.

Miteinander schafft Heimat, das bedeutet gerade für Sie und bedeutete gerade für Sie neu geschaffene Heimat. Das bedeutete sich neu einzufügen in eine neue Gemeinschaft mit anderen sozialen und kulturellen Besonderheiten, in unbekannten Orten und Regionen. Das war sicherlich nicht immer einfach. Aber zur Wahrheit gehört: Es ist Ihnen vorzüglich gelungen. Warum ist Ihnen das gelungen? Weil Sie sich von Anfang an und jahrzehntelang aktiv eingebracht haben und heute noch einbringen in unsere Gesellschaft, in die Politik, in das Vereinsleben, in die Arbeitswelt, und weil Sie Ihre Werte, Ihren Fleiß, Ihre Zuverlässigkeit auch uns spüren ließen und heute noch spüren lassen. Dafür möchte ich Ihnen meinen Respekt, meine hohe Anerkennung aussprechen, es ist Ihre Leistung, dass Sie sich so hervorragend integriert haben und zu einer wirtschaftlichen und kulturellen Bereicherung unseres Landes beigetragen haben. Ja, es ist auch eine kulturelle Bereicherung, ich will das ganz besonders betonen, auch das ist heute zum Ausdruck gebracht worden und auch in Ihrem vielfältigen Programm dieses Tages deutlich. Ihre Wertvorstellungen, Ihre Zuverlässigkeit, auch Ihr Gemeinschaftsgefühl, Ihr Zusammengehörigkeitsgefühl, das ist etwas, was uns im ganzen Land gut tut und was notwendig ist. Dazu gehören auch die Pflege des Brauchtums und die Pflege von Traditionen. Auch das gehört dazu. Das macht die Vielfalt unserer Gesellschaft aus und den eigentlichen Reichtum unserer Gesellschaft, denn sagen wir’s mal ehrlich, der Herrgott hat nicht alle Menschen gleich gemacht, Gott sei Dank, dann wär es langweilig, sondern es ist eine hervorragende Situation, dass wir aus unterschiedlichen Traditionen kommen und diese Traditionen auch hochhalten – auch dafür herzlichen Dank.
Gerda Hasselfeldt erhält das Große Ehrenwappen ...
Gerda Hasselfeldt erhält das Große Ehrenwappen des Verbandes vom Bundesvorsitzenden Rainer Lehni. Foto: Siegbert Bruss
Ich habe mich bei der Vorbereitung auf diesen heutigen Tag gefragt: Was macht es aus, woher nehmen Sie die Kraft? Und ich glaube, dass es nicht alles, aber ein Stück weit damit zusammenhängt, dass Sie eine lange und auch wechselvolle Geschichte durchlebt haben, Ihre Vorfahren dieses auch durchlebt haben. Eine Geschichte, die geprägt war von Leid, die geprägt war immer wieder von Vertreibung, auch geprägt war von Deportation und Zwangsarbeit. Das dürfen wir nicht vergessen. Und Sie haben mit Ihrem Werteverständnis, mit Ihrer Geschlossenheit, mit Ihrer Gemeinschaft immer wieder sich hochgearbeitet, mit Fleiß, mit Zuverlässigkeit, mit Ehrlichkeit, und diese Werte leben Sie auch heute noch, und das hat Sie so stark gemacht, um all das Leid, das in Ihrer Vergangenheit Ihre Eltern und Großeltern und weitere Vorfahren durchlebt haben, zu ertragen und nicht aufzugeben. Dass Sie das uns heute spüren lassen in dem Miteinander mit uns, einer Generation, wenn ich das so sagen darf, ich bin Jahrgang 50, ich habe eigentlich nur gute Zeiten erlebt, dass Sie uns dieses spüren lassen, dass es auch schwierigere Zeiten gibt, das ist etwas, was wir nicht hoch genug einschätzen können, und deshalb gratuliere ich Ihnen zu diesen Eigenschaften und danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass wir auch davon etwas haben können.

Nun, meine Damen und Herren, bin ich ja als Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes da. Und es gehört zu den originären humanitären Aufgaben der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, das Leid von Kriegsopfern zu lindern. Es waren die vielen Menschen, die während und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten, deren Schicksal dazu führte, dass 1945 der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes neu gegründet wurde. Dieser Suchdienst hatte und hat die Aufgabe, Familien, die durch Kriegswirren, Vertreibung und Flucht und andere Gegebenheiten auseinander gerissen wurden, wieder zusammenzuführen, und hat die Aufgabe, auch nach vermissten Angehörigen zu suchen. Aber das ist nicht mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erledigt gewesen. Zunächst einmal waren es Millionen von Menschen, die schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder in Verbindung treten konnten. Auch heute noch kümmern wir uns darum, und Sie können davon ausgehen, dass angesichts der zunehmenden Fluchtbewegungen, und zwar der weltweit zunehmenden Fluchtbewegungen, diese Arbeit nicht weniger, sondern eher mehr wird. In diesem Zusammenhang sind wir nun seit einigen Jahren auch behilflich bei der Nachweisführung in Sachen Entschädigungsleistungen. Es wurde ja vorhin schon kurz angesprochen.

Seit 2013 werden Entschädigungsleistungen auch an Rumäniendeutsche in Deutschland bezahlt, seit 2020 auch für die Kinder von Verschleppten. Insbesondere geht es dabei um Deportation, um Verschleppung, um Zwangsarbeit, was diese Menschen erleiden mussten. Dazu braucht es einen Nachweis, und der Nachweis ist nach so vielen Jahrzehnten ja nicht so einfach zu führen und zu erhalten, und deshalb sind wir vom Suchdienst da und behilflich. Seit dieser Zeit werden wir von vielen Betroffenen angefragt, gebeten zu helfen. Und wir tun das gerne. Im Jahr 2021 waren es 6000 Betroffene, die ihre Anträge bei uns gestellt haben. Und ich darf Ihnen sagen, in fast allen Fällen, in fast 90 Prozent der Fälle konnte auch tatsächlich geholfen werden, mit dem Ergebnis, dass die Betroffenen die ihnen zustehenden Entschädigungen erhalten haben. Aufgrund von vielen Dankschreiben, auch Reaktionen der Betroffenen wird deutlich: Da geht es nicht in erster Linie ums Geld, denn mit Geld kann man das, was diese Menschen mitgemacht haben durch Deportation, durch Auseinanderreißen von Familien, durch Zwangsarbeit nicht wiedergutmachen. Es ist vielmehr eine symbolische Wiedergutmachung, die aber sehr, sehr viel wert ist, und deshalb werden wir diese Arbeit nicht nur fortsetzen, sondern ich darf Ihnen versichern, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hoch engagiert, diesen Betroffenen und ihren Kindern zu helfen. Meine Damen und Herren, diese Arbeit des Suchdienstes ist eine zutiefst humanitäre Aufgabe, so wie unsere Arbeit im Deutschen Roten Kreuz und in der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung auch. Sie steht nicht im Mittelpunkt der Medienberichterstattung und dennoch ist sie mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, denn sie stärkt die Familien, und sie stärkt damit auch die Heimat und das Heimatgefühl und das, meine Damen und Herren, ist mindestens genauso wichtig wie davon jeden Tag in der Medienberichterstattung zu lesen.

Sie, liebe Siebenbürger Sachsen, Sie sind Brückenbauer in Europa. Mit Ihrem Engagement leisten Sie einen ganz wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung unserer europäischen Geschichte, und mindestens genauso wichtig ist aber noch etwas anderes. Nämlich so wie dieser Heimattag und auch die Erlebnisse mit Ihren Eltern und Großeltern, das alles, das trägt dazu bei, dass wir auch immer wieder nachdenken müssen: Worauf kommt’s denn eigentlich an? Ich sehe in diesen Erlebnissen und auch in diesem Heimattag auch ein Stück Mahnung, Mahnung für uns alle, nämlich Mahnung zur Achtung der Menschenrechte, Mahnung zur Achtung der Menschenwürde, und dazu gehört auch das Recht auf Heimat. Das ist das, was ich von jedem Heimattag immer wieder mitnehme. Und nun, meine Damen und Herren, wünsche ich Ihnen, wünsche ich uns einen wunderschönen Heimattag mit vielen interessanten persönlichen Begegnungen und Gesprächen. Alles Gute und ein schönes Pfingstfest.

Schlagwörter: Heimattag 2023, Rede, Hasselfeldt

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