26. November 2024

Klaus Johannis hält im Bundestag Gedenkrede zum Volkstrauertag: Freiheit und Demokratie weltweit schützen

Die diesjährige Gedenkstunde zum Volkstrauertag am 17. November im Plenarsaal des Deutschen Bundestages stand unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Zeichen der deutsch-rumänischen Beziehungen und des Zusammenhalts in Europa. An der Gedenkstunde nahmen neben der Bundestagspräsidentin und Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier, der das Totengedenken sprach, auch Anke Rehlinger (SPD), Ministerpräsidentin des Saarlandes und Präsidentin des Bundesrates, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Doris König, und die Wehrbeauftragte des Bundestages, Dr. Eva Högl, teil. ZDF, Phoenix und das Parlamentsfernsehen des Bundestages übertrugen die Veranstaltung live (s. Video im ZDF: Gedenkstunde zum Volkstrauertag 2024).
Zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag 2024 im ...
Zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag 2024 im Berliner Reichstag. Fotos: Rumänisches Präsidialamt (presidency.ro)
Der rumänische Staatspräsident versicherte in seiner Gedenkrede, Deutschland werde in seinem Land stets einen den europäischen Werten verpflichteten Partner finden. Rumänien sei zur Zusammenarbeit bereit, um die EU zu stärken und dafür zu sorgen, „dass Freiheit und Demokratie sowohl in der Nachbarschaft als auch weltweit geschützt und akzeptiert werden“. Die deutsch-rumänische Freundschaft sei noch nie enger und intensiver gewesen. Lesen Sie im Folgenden die Gedenkrede von Klaus Johannis.

Es ist mir eine besondere Ehre, heute an diesem wichtigen Gedenktag, dem Volkstrauertag, zu Ihnen zu sprechen, hier im Deutschen Bundestag, dem Herzstück der deutschen Demokratie. Gemeinsam gedenken wir heute der Opfer von Krieg, Gewalt und Unterdrückung in allen Nationen. Doch der heutige Volkstrauertag mahnt uns auch, die Herausforderungen und Bedrohungen unserer Zeit zu bedenken – vielleicht die beunruhigendsten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Grenzen, Ethnien, Kulturen treten in den Hintergrund, wenn wir uns an das Opfer derer erinnern, die sich in der Vergangenheit für unsere Freiheit, Rechte und Würde mit ihrem Leben eingesetzt haben. So erkennen wir an diesem Tag einmal mehr, wie viel wir als Europäer teilen und was wir gemeinsam in einem freien und demokratischen Europa aufbauen können.

Wir müssen uns stets bewusst sein, dass Geschichtsvergessenheit zur Wiederholung der Fehler der Vergangenheit oder zur Fortsetzung von Ungerechtigkeit führt. Das Vergessen stellt eine zunehmende Gefahr dar, da die Generationen, die Krieg und Diktatur direkt erlebt haben, bald nicht mehr unter uns sein werden. Ich schätze deshalb das Engagement Deutschlands, jungen Menschen die Geschichte nahezubringen. Auch in Rumänien setzen wir uns dafür ein, dass die jungen Menschen in der Schule über die Fehler der Vergangenheit lernen und sich dieser bewusst sind, um sie nicht zu wiederholen. Und im Hinblick auf die Jugend halte ich es für symbolisch, dass der Volkstrauertag in diesem Jahr mit dem Internationalen Tag der Studenten, am 17. November, zusammenfällt.

Dieses Jahr gedenken wir auch des 80. Jahrestags der Landung in der Normandie, und des 35. Jahrestags des Falls der Berliner Mauer – beide Wendepunkte der europäischen Geschichte. 1987 hatten die Arbeiterproteste in Brașov, Kronstadt in Rumänien, den ersten Massenaufstand gegen Ceaușescus Diktatur markiert und, obwohl dieser nach wenigen Tagen blutig niedergeschlagen wurde, war er einer der Katalysatoren der rumänischen Revolution von Dezember 1989. Durch den Mut der rumänischen Bürger, die damals gegen den Diktator Ceaușescu und das kommunistische Regime protestierten, und durch das Opfer vieler von ihnen, die diesen Mut mit ihrem Leben bezahlt haben, wurde das repressive Regime in Rumänien gestürzt. Rumänien ist seit 35 Jahren frei – eine Freiheit, die mit großem Leid, aber auch mit viel Hoffnung errungen wurde.
Staatspräsident Klaus Johannis hält die ...
Staatspräsident Klaus Johannis hält die Gedenkrede im Deutschen Bundestag.
Der Fall der Berliner Mauer ermutigte auch die Rumänen im Kampf für Freiheit und Demokratie. Die Beseitigung des Eisernen Vorhangs ermöglichte für Rumänien die Rückkehr in die große Familie der europäischen Demokratien.

Nicht nur die intellektuelle Elite, sondern die gesamte rumänische Nation hat sich stets in natürlicher Weise den westlichen Werten zugewandt, die heute durch die Europäische Union und NATO repräsentiert werden. Die Europäische Union, dieses große Friedensprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg und Jahrhunderten von Konflikten, ist das Ergebnis der Versöhnung europäischer Nationen. Unsere demokratischen Werte und unser wirtschaftliches Modell wurden zu einer Inspirationsquelle sowohl für Nachbarn als auch internationale Partner. Wir stellen jedoch fest, dass unser europäisches Projekt auch andere Reaktionen hervorgerufen hat, insbesondere in einigen undemokratischen Staaten. Die Furcht totalitärer Regime vor der Attraktivität europäischer Werte hat dazu geführt, dass unsere Union als Bedrohung wahrgenommen wird. Die Kritiker der Europäischen Union sind die Feinde der Demokratie und Freiheit. Leider verbreiten sich die Propaganda- und Desinformationsmechanismen heute vermehrt, weil sich diktatorische Regime auf das Prinzip stützen, dass „eine Lüge, die oft genug erzählt wird, zur Wahrheit wird“.

Wir sehen diese empörende Tatsache in der Aggression Russlands gegen die Ukraine. Wir werden weiterhin an der Seite des ukrainischen Volkes stehen, das mutig und heldenhaft der vom Kreml angeordneten Invasion widersteht und der Macht und Brutalität des russischen Imperialismus trotzt.

Die Unterstützung unserer Staaten und der internationalen Gemeinschaft ist entscheidend, um letztlich einen gerechten und dauerhaften Frieden zu gewährleisten, der im Einklang mit der UN-Charta und dem Völkerrecht steht. Rumänien hat frühzeitig vor den Risiken durch aggressive Diktaturen, wie die des russischen Regimes, gewarnt. Diese Risiken sind auch ein wichtiger Grund, warum wir uns für die Stärkung der Resilienz der Republik Moldau einsetzen, des am stärksten von diesem Krieg betroffenen Staates, nach der Ukraine. Wir bleiben auch fest entschlossen, die Ukraine und die Republik Moldau auf ihrem Weg zur Europäischen Union zu unterstützen. Es liegt an uns allen, den Beitrittsprozess zur Europäischen Union aktiv aufrechtzuerhalten, da er sich als ein wirklich transformativer Prozess erwiesen hat, von dem wir alle profitieren, sowohl alte als auch neue Mitgliedstaaten.

Um den heutigen Bedrohungen zu begegnen, benötigen wir eine stärkere und solidarischere Europäische Union, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist. Ich bin überzeugt, dass wir weiterhin mit einer starken Beteiligung Deutschlands bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen rechnen können, auch um das Vertrauen und die Bindung unserer Mitbürger an das europäische Friedensprojekt zu erneuern. Ich versichere Ihnen, dass Deutschland in Rumänien stets einen Partner finden wird, der den europäischen Werten verpflichtet ist. Wir sind bereit, mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Europäische Union zu stärken und um dafür zu sorgen, dass Freiheit und Demokratie sowohl in der Nachbarschaft als auch weltweit geschützt und akzeptiert werden.

Ich freue mich, heute im Bundestag sagen zu können, dass die deutsch-rumänische Freundschaft noch nie enger und intensiver war. Unsere diplomatischen Beziehungen, die bis ins Jahr 1880 zurückreichen, wurden 1992 durch unseren Freundschaftsvertrag auf neue, moderne und europäische Grundlagen gestellt. Seither haben sich unsere politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen dynamisch entwickelt und einen historischen Höchststand erreicht. Ausdruck dafür ist die Einführung in Rumänien, beginnend mit diesem Jahr, des „Deutsch-Rumänischen Freundschaftstages“, jeweils am 21. April.

Ich möchte auch daran erinnern, dass Rumänien immer ein Ort der Konfluenz verschiedener Kulturen war, die zusammengelebt haben.

Die Interaktion zwischen Rumänen und Deutschen reicht weit zurück, von der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen vor über 850 Jahren bis zur Ansiedlung der Banater Schwaben vor 300 Jahren. Rumänien ist heute ein Land in dem die deutsche Minderheit, sowie alle anderen ethnischen Minderheiten gestützt werden, ihre Identität zu bewahren, und ermutigt werden, eine aktive Rolle in der rumänischen Gesellschaft zu spielen. Die Bürger unserer Länder bauen, in Deutschland und Rumänien, Tag für Tag Brücken des Dialogs und der Freundschaft. So wie die Deutschen in Rumänien zum Aufbau des modernen Rumäniens beigetragen haben, tragen heute auch die Rumänen in Deutschland – eine Gemeinschaft von nahezu einer Million Menschen – zum Wohlstand Deutschlands bei. Das vereinte Europa mit seinen offenen Grenzen hat diese wesentliche Entwicklung für die Beziehungen zwischen unseren Ländern ermöglicht.

Meine Damen und Herren, an diesem bedeutenden Tag der Erinnerung, dem Volkstrauertag, schließe ich mich Ihnen an, um der Opfer von Kriegen, Totalitarismus und derer, die aufgrund ihres Glaubens sowie ihres Strebens nach Gerechtigkeit und Freiheit verfolgt wurden, zu gedenken.

Die Bewahrung dieser Erinnerung ist eine Pflicht und „eine Form von Gerechtigkeit“ – um hier das Motto der Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des Widerstands zu zitieren, das in dem ehemaligen kommunistischen Gefängnis in Sighet, in Rumänien geschaffen wurde, wo viele der Eliten Rumäniens ihr Leben gelassen haben.

Ich bin zuversichtlich, dass wir den kommenden Generationen diese Pflicht zur Erinnerung und zur Gerechtigkeit vermitteln können. Es ist der einzige Weg, wie wir den Aufbau einer besseren Zukunft sicherstellen können, ohne die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen!


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Schlagwörter: Klaus Johannis, Bundestag, Rede, Volkstrauertag, deutsch-rumänische Beziehungen

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