19. Januar 2011

Leserecho: Securitate – und kein Ende

Manch einer der ehemaligen Führungsoffiziere, die heute – wie hier in der Bundesrepublik frühere Stasileute – gut dotierte Renten in Rumänien genießen, mag sich in diesen Monaten und Wochen die Hände vor Freude reiben, hat sich doch das Gift des Misstrauens und der Angst, das sie bis 1990 erfolgreich unter die Leute gebracht haben, erhalten und wirkt es auch heute noch mit aller Kraft nach.
Mein Onkel, ehemaliger Bauer in Reußmarkt, erzählte uns, wie er mit anderen Kirchenmitgliedern die Kirchenburg neu eingedeckt hatte, um dann anschließend den Hof abzusperren und auszuwandern – nach Jahren der Entrechtung, Demütigung, Enteignung und Deportation. Sie taten es, wie viele Landsleute in anderen Dörfern, mit Würde und erwarben sich damit den Respekt der dort Gebliebenen, der meist nichtdeutschen Mitbewohner. Ebenso die Städter unter unseren Landsleuten. Sie verließen ihre Heimat mit Tränen in den Augen und hofften auf ein Leben in Freiheit, das sie wahrlich hier auch gefunden haben.

Und nun steigen die Schatten der alten Feindbilder wieder auf. Manch einer fragt sich, ob wohl sein Freund ein Spitzel der Securitate gewesen ist, ob er das oder jenes über ihn berichtet hat, gezwungen oder freiwillig, unter psychischem Druck oder als Folge von Erpressung. Mit einem Mal haben uns die Gefühle wieder, von denen wir gehofft hatten, sie für immer hinter uns gelassen zu haben.

Wohin soll das führen? Was denken unsere bundesdeutschen Landsleute über uns? Dass wir etwa gar so anfällig waren, dass wir charakterlos den Freund oder gar den Bruder an den rumänischen Geheimdienst verraten haben? Ist das das Bild, das in den letzten Jahrzehnten hier von den Rumäniendeutschen entstanden ist?

Wir haben in all den vielen Jahren in der neuen Heimat bewiesen, dass wir arbeiten und gestalten können, dass wir zuverlässige Arbeiter sind; wir haben hervorragende Wissenschaftler und Künstler in die neue Heimat gebracht und uns insgesamt beispielhaft integriert. Immer wieder werden wir als Brückenbauer zwischen den Völkern und Kulturen bezeichnet und aufgefordert, diese Aufgabe mit Leben zu füllen. Und jetzt sollen wir im Sumpf des Mistrauens versinken, sollen über uns und unsere Landsleute bösartig sprechen, Teilwahrheiten verbreiten? Woher nehmen wir uns eigentlich die Freiheit, über die erzwungene, selten freiwillig geleistete Arbeit des Inoffiziellen Mitarbeiters (IM), des Spitzels zu sprechen, zu spekulieren? Kennen wir die Umstände, unter denen solche „Verpflichtungen“ eingegangen wurden? Kennen wir die Qualen der Betroffenen? Sind wir selbsternannte Richter und spielen das Spiel derer, die ein ganzes Land, ja viele Länder und Völker in den Ruin getrieben haben? Was bringen uns die immer neuen „Entdeckungen“, wohin soll das alles führen?

Alle in Frage kommenden IMs – waren es nicht doch sehr viele? – stehen heute in einem hohen Alter und haben vom Leben nicht mehr all zu viel zu erwarten. Sollten wir nicht anfangen, unter uns wieder abgebrochene Brücken aufzubauen, und das Gewesene – auch wenn es verdammenswert war und noch immer ist – zurücklassen? Ist es nicht unsere Pflicht unseren Kindern und Kindeskindern, die zum großen Teil in der neuen Heimat geboren sind, die Würde und Geradlinigkeit unserer Vorfahren weiterzugeben? Wir sollten das alles einmal in Ruhe bedenken und jenen vergeben, die sich eventuell schuldig gemacht haben.

Aber vorher sollten wir die wahren Schuldigen kennen? Die sitzen, soweit sie noch leben, in der alten Heimat, die wir gerade deshalb verlassen haben, weil wir Gefahr liefen, unsere Würde als Menschen zu verlieren.

Hans-Joachim Acker

Schlagwörter: Leserecho, Securitate, Rumänien und Siebenbürgen

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Neueste Kommentare

  • 28.01.2011, 22:14 Uhr von cäsar: In einem Land, wo securisten Präsidenten;Banditen Unternehmer; Schafhirten ... [weiter]
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