2. Dezember 2012

„Zeidner Wanderwege“

Im Frühjahr dieses Jahres ist das Bändchen mit der Nummer 18 der Reihe „Zeidner Denkwürdigkeiten“ von der Zeidner Nachbarschaft herausgebracht worden. Seine Überschrift: „Zeidner Wanderwege“. Der Untertitel fasst den Inhalt des Büchleins kurz zusammen: „Erinnerungen in Geschichten und Gedichten rund um den Zeidner Berg in Siebenbürgen“.
Vor dem Druck ist viel diskutiert worden, ob die Texte in den Rahmen „Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde“ passen. Der Autor Hans Wenzel selbst, der allen Zeidnern gut bekannte Wanderfreund und militante Benutzer und Bewahrer der Mundart seines Heimatortes – er hat eine Sammlung von ca. 12000 siebenbürgisch-sächsischen Wörtern und Redewendungen in Zeidner Lautung erstellt –, meldet weder literarische noch wissenschaftliche Ansprüche an.

Die Texte sind in sechs Gruppen geordnet. Zur ersten gehören die tief eingeprägten Eindrücke des Verfassers von dem ersten Schultag kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und an seine Zeit als Konfirmand. Beide Erinnerungen sind in Zeidner Siebenbürgisch-Sächsisch geschrieben und darauf ins Deutsche übertragen worden. Sie sind in zwei Spalten nebeneinander ­gedruckt, so dass der Leser leicht die entsprechende Textstelle in der jeweils anderen Fassung einsehen kann. Da es für die lokale Mundart keine einheitliche Schriftsprache gibt, hat Hans Wenzel schon bei seiner Wörtersammlung Sonderzeichen für die typischen Zeidnerischen Laute festgelegt, die er auch hier verwendet. In einem Vorwort erklärt er sie, versieht sie mit Beispielen und setzt deutsche Wörter mit ähnlicher Aussprache daneben. Trotzdem ist das Lesen des Originaltextes eine Herausforderung. Wer sie jedoch annimmt, den erwartet eine so heitere wie aufschlussreiche Lektüre. Kleidung und Speisen.

Alltägliches und Anekdotisches, Lebensart und Brauchtum sowie Zeidner Sprachtypisches werden festgehalten – kurz ein Einblick in die Welt des Heimatortes von Hans Wenzel von vor sechzig-siebzig Jahren erwartet einen, liebevoll, unterhaltsam und mit einem Schuss Selbstironie erzählt.
Der Autor schreibt, wie er spricht: unverkrampftes, ungeschöntes Zeidnerisch, gespickt mit Wörtern und Redensarten, die es entweder nur im Sächsischen oder gar nur im Zeidnerischen gibt. Leider hat die Übertragung nicht die Sprachqualität des Ursprungstextes. Sie bleibt irgendwo zwischen wortgetreuer, sich dem Säch­sischen annähernder Übersetzung und einer sinngemäßen Neufassung stecken. Die Lockerheit, die Selbstverständlichkeit der Erzählweise ausgetauschter Erinnerungen in kleiner Runde gehen ihr ab. Die Sprache scheint dem Mitgeteilten übergestülpt, ihm nicht zugehörig – ein Gefühl, das bei der sächsischen Fassung nie aufkommt.

In den beiden folgenden Textgruppen werden Wanderwege auf den Zeidner Berg und zu Zielen drum herum vorgestellt. „Der Zeidner Berg“ oder „Der Weg zum Mittagstein“ sind fast ausschließlich kenntnisreiche und mit vielen reizvollen Einzelheiten versehene Beschreibungen der Örtlichkeiten und der Wege dahin. „Skifahren in Bakantschán – ein Erlebnis aus den 1930er Jahren“ und „Eine Klettertour am Bergmassiv“ bieten Hans Wenzel die Möglichkeit, die detailverliebten Wanderführungen harmonisch in Erzählungen einzubetten. Viele der hier enthaltenen Informationen sind sonst nirgends schriftlich festgehalten – sicher ein starkes Argument für den Druck der Erinnerungen. Waren es bisher den meisten Zeidnern gut bekannte Routen, die Hans Wenzel geschildert hat, nimmt er uns in seinen zwei folgenden Textgruppen „Tagesausflüge nach Holbach“ und „Das Bergwerk Concordia“ in das weitere Umland seines Heimatortes mit. „Tradition und Brauchtum“ ist die Überschrift des letzten Abschnitts. Er beinhaltet Texte in Prosa und in Gedichtform. Bis auf „Eine Sonntagspartie“, der in zwei Versionen abgedruckt ist, und „Dá básaonder Riádánsuárt án Záoeden“ in Sächsisch sind alle Texte der vier letzterwähnten Gruppen in Deutsch geschrieben.

Jedem der Abschnitte sind ein passendes Foto und einige einleitende Zeilen vorangestellt. Alle Beiträge werden mit zahlreichen alten und neuen qualitativ hochwertigen Aufnahmen aussagekräftig und stimmungsvoll illustriert. Wenn das Bändchen auch Schwächen hat, Hans Wenzels Erinnerungen sind lebensnah und erfahrungsreich. Das sind Eigenschaften, die Geschichten brauchen, um den Jüngeren das Leben ihrer Eltern und Großeltern näher zu bringen oder auch um Vergangenes, das sonst verloren ginge, authentisch festzuhalten.

Rita Siegmund, Ulm


Hans Wenzel: „Zeidner Wanderwege. Erinnerungen in Geschichten und Gedichten rund um den Zeidner Berg in Siebenbürge“. München 2012, ISBN 978-3-00-038282-6, Preis: 17,00 Euro, zuzüglich 1,45 Euro Versand., zu bestellen unter www.zeiden.de oder direkt bei Rüdiger Zell, Storchenweg 1, 89257 Illertissen, Telefon: (07303) 900647.
Zeidner Wanderwege.
Hans Wenzel
Zeidner Wanderwege.

Zeidner Nachbarschaft, München,
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Schlagwörter: Zeiden, Buch

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