20. Oktober 2013

Helft mit, den Stein wegzuheben!/Siebenbürgischer Kirchentag in Kassel

„Hebt den Stein weg!“ (Johannes 11,39) – Um dieses biblische Motto aus der Geschichte der Auferweckung des Lazarus versammelten sich zwischen dem 27.-29. September in Kassel Siebenbürger Sachsen und Einheimische zum Siebenbürgischen Kirchentag. Obwohl es der 32. war, war der Kirchentag doch eine Premiere. Erstmalig wurde er nicht nur von der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD (Hilfskomitee) getragen, sondern auch von der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck und der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien mit ausgerichtet. Dieses wurde in eindrücklicher Weise durch die Teilnahme der beiden Bischöfe Dr. Martin Hein und Reinhart Guib symbolisiert. In dem einleitenden Vortrag deutete Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă aus Michelsberg das biblische Wort und zeigte auf, wie wir Siebenbürger Sachsen Hindernisse aus dem Weg räumen, eine entgrenzte Sicht auf das Leben gewinnen und „Verantwortung für ein gelingendes Leben in der Gemeinschaft“ übernehmen können. Der Vortrag wird im Folgenden gekürzt wiedergegeben.
„Stein“ ist ein Symbol für Dauer und Unwiderrufliches. So wie man das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen kann, so kann Stein auch nicht aufgeweicht werden. Er bleibt starr und reglos. Begeben wir uns auf Spurensuche in der Bibel. Wo begegnen uns dort Steine?

Es begegnen uns die steinernen Gesetzestafeln, die Mose vom Sinai herunter bringt und die für die Ewigkeit gedacht sind (Exodus 20). Josua lässt für die kommenden Generationen 12 Steine aufstellen, als Erinnerung an den Einzug in das versprochene Land und die Überquerung des Jordan (Josua 4). Der Prophet Hesekiel verkündet, wie Gott das steinerne Herz mit einem fleischernen ersetzen will (Hesekiel 36). Im Neuen Testament ist der „Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden“ (Mt. 21) und das Haus, welches auf Felsen gebaut ist, überdauert jenes, welches auf Sand gebaut wurde (Lk. 6). Und nur der darf den ersten Stein werfen, der ohne Sünde ist (Joh. 8). Die Frauen, die zu Ostern zum Grabe gehen, jammern darüber, wer ihnen wohl den Stein von dem Eingang des Grabes wälzen würde (Mk. 16). Der Evangelist kommentiert dazu: „denn er war sehr groß“.

Aber nicht nur Maria, die Mutter des Jakobus, Maria von Magdala und Salome aus der Ostergeschichte haben einen Stein wegzurücken gehabt. Auch in der Geschichte der Auferweckung des Lazarus kommt ein Felsengrab, verschlossen mit einem Felsbrocken, vor. Das Verschließen mit dem Stein geschah – wie wir auf unserer Spurensuche in der Bibel feststellen konnten – als unwiderruflicher Akt. Der Tod wurde auf Dauer vom Leben ferngehalten. Aber nun kommt einer daher, der das Unsagbare aussprechbar macht, einer, der das Endlose beendet, der das Unwiderrufliche widerruft. Jesus Christus ist in der Konstruktion des Johannesevangeliums im 11. Kapitel auf dem Höhepunkt seiner irdischen Wirksamkeit angekommen. Hinter ihm liegen Predigten, Wunder und Heilungen. Er hat das jüdische Volk polarisiert, Hoffnung und Furcht hervorgerufen. Von Bethanien aus geht es nun in das Leiden.

Die Geschichte der Auferweckung des Lazarus ist schnell erzählt, aber es braucht lange, bis man sie ausschöpft. Lazarus ist krank. Die drei wohnen in Bethanien, etwa drei km von Jerusalem entfernt. Als guter und mächtiger Freund wird Jesus in der Stunde der Not gerufen, um eine seiner vielen Wunderheilungen auch hier zu wiederholen. Jesus verspätet allerdings und kommt erst vier Tage nach dem Tode des Lazarus in Bethanien an. Das Haus ist voll trauernder Gäste, da die Totenklage ein jüdisches Werk der Barmherzigkeit ist. Martha kommt Jesus auf der Straße entgegen und bekennt vor ihm ihren Glauben. Es folgt Maria, die laut den Evangelien eine innige Verbindung zum Meister hat. Danach gehen sie zusammen mit dem ganzen Volk zu der Grabhöhle des Lazarus außerhalb des Dorfes. Nun fordert Jesus auf, den Stein von vor des Grabes Eingang wegzuräumen. Das geschieht. Nach einem Gebet ruft Jesus Lazarus mit lauter Stimme aus dem Grab heraus. Dieser tritt darauf – in Leichentücher gewickelt – wieder unter die Lebenden. Wie zu erwarten war, wühlt das Geschehen „die Juden“ auf – Der Beschluss, den Mann aus Nazareth zu beseitigen, wird schnell gefasst.

Auf die Menschen, die den Stein wegrollen, wird kein Lichtkegel fokussiert. Wir wissen nicht, wer sie sind und wie sie es gemacht haben. Sie werden für immer namenlos bleiben. Wir können lediglich festhalten: Es wird gemacht und damit ein menschlicher Beitrag zu dem großen Wunder der Auferweckung des Lazarus erbracht. Zwar ist klar zu unterscheiden: Nicht die Steinbeweger bewirken das Wunder, aber sie räumen ein Hindernis aus dem Wege, so dass das Lebens sich wieder Bahn brechen kann. Damit leisten die Namenlosen eine unschätzbare Hilfestellung! Es ist das Schönste, was Menschen tun können: Hindernisse aus dem Weg räumen, damit Leben werden kann. Wir können Helfer des Lebens werden.
Eine steinerne Stele für die Kirchenburg in ...
Eine steinerne Stele für die Kirchenburg in Pretai übergibt Bischof Dr. Martin Hein (1. von rechts) an Bischof Reinhart Guib (3. von links), mit auf dem Bild (von links) Michael Theuerkauf, Vorsitzender der Kreisgruppe Kassel, Steinmetz Jochen Bollerhey und Norbert Kartmann, Präsident des Hessischen Landtags. Foto: Pfarrer Dietrich Galter

Die Auferweckung des Lazarus entgrenzt die Sicht auf das Leben

Was passiert eigentlich durch die Auferweckung des Lazarus? Im Klartext zusammengefasst: Wir begegnen hier einer ultimativen Demonstration der Macht des Sohnes Gottes, des Messias. Jesus verzögert sein Kommen, denn eine Krankenheilung wäre dafür nicht stark genug. Ja, er wartet sogar so lange, bis vier Tage nach dem Tod erfüllt werden, damit niemand einen Scheintod vermuten kann. Denn nach drei Tagen verlässt – so die jüdische Tradition – die Seele den Körper. Tot ist tot. Wäre es lediglich Mitleid und Nächstenliebe gewesen, weswegen Jesus das Wunder vollbringt, so hätte er nicht so lange gewartet. Aber es geht eben um Zeichensetzung. Und diese Demonstration hat den Sinn und den Zweck darin, die Sicht der Menschen auf das Leben zu entgrenzen. Aus der Enge der sogenannten natürlichen Lebensordnung sollen wir herausgeholt werden. Aus der Begrenztheit des Alltages darf der Blick auf das gehoben werden, was größer ist. Aber: Die Grenze des Todes ist noch immer da. Sie wird nicht aufgehoben, denn Lazarus muss den irdischen Tod später noch einmal durchstehen. Doch es wird den bethanischen Zusehern, den johannäischen Zuhörern und den weltweiten Lesern deutlich: Hier und jetzt, heute und in meinem Leben hat der Tod nicht mehr das letzte Wort. Er ist nicht mehr die absolute Grenze, vor der es unwiderruflich zu kapitulieren gilt. Die Sicht auf das Leben wird entgrenzt. Martha bekennt im Vorfeld, dass sie an die Auferstehung der Toten glaubt – am Ende aller Tage. Aber diese dogmatische Antwort ist Jesus zu wenig, denn sie hat mit dem realen Leben wenig zu tun. Er setzt dem das gewaltige Ich-Wort entgegen. „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“ (V. 25) Und: Wenn die letzte Grenze durchscheinend wird, warum soll das nicht für alle anderen Grenzen des menschlichen Lebens gelten?! Die Auferweckung des Lazarus macht deutlich, wie ein Leben aussehen kann, das von der Kraft des Glaubens lebt.

Die Sicht auf das Leben wird entgrenzt und nicht das Leben selber. Der kleine, aber feine Unterschied muss gemacht werden. Lazarus stirbt ja wieder, jedoch das Wissen, dass der Tod überwindbar ist, bleibt bestehen. Das Leben selber kann nicht entgrenzt werden, denn Grenzen gehören existentiell zu dem Menschsein dazu. Die Endlichkeit des Menschen unterscheidet sich von der Unendlichkeit Gottes eben dadurch, dass wir begrenzt sind. Es sind uns strukturell Grenzen gesetzt. Darum kann die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus uns nicht dahin führen, dass wir die Aufhebung aller Grenzen verlangen.

Wir würden oft und gerne Grenzen auflösen, da sie ausschließen und dadurch schmerzhaft sind. Wir haben zum Großteil den Eisernen Vorhang erlebt. Wer dahinter leben musste, weiß, wie deprimierend, entmutigend, entwürdigend das war. Wer je einen Verwandten, der einen Pass besaß, bis nach Curtici gebracht hat, um sich dann dort von ihm verabschieden zu müssen, weiß, wovon ich spreche. Getrennte Familien, zerrissene Gemeinschaften, gebrochene Lebensentwürfe gehören zu uns. Im Gegensatz dazu stehen die Bilder der Wende, als die Berliner Mauer gestürmt wird. Diese Bilder können auch heute noch bis zur Gänsehaut beeindrucken. Wie schön ist es, wenn Grenzen fallen!

Grenzen gehören jedoch zu dem Mensch-Sein dazu. Sie schließen nicht nur aus, sondern sie vermitteln auch Sicherheit. […] Den Siebenbürger Sachsen ist eine positive Sicht der Grenzen gar nicht fremd. So sehr sie auch unter dem Eisernen Vorhang gelitten haben, so sehr ist doch die Existenz ihrer Gemeinschaft im Laufe der Geschichte durch Grenzen abgesichert worden. Denken wir etwa an das Verbot von Konzivilisation, das jeder anderen Nation untersagte, Häuser – und damit Bürgerrecht – in den sächsischen Städten zu erwerben. Diese Grenze gab erst die Chance, sich zu entwickeln. Was für ein Wehklagen brach 1781 aus, als der Habsburger Joseph II. diese Grenze aufhob! Und dass die rumänischen Familien, die in die leer gewordenen sächsischen Häuser einzogen, nicht in die Nachbarschaft aufgenommen worden sind, zeigt, wie selbstverständlich Abgrenzung für den Erhalt von besonderer Gemeinschaft war. Die Grenzen sind oft nicht mehr aus Stacheldraht mit Schlagbäumen, sondern sie sind in unseren Köpfen verortet und werden sozial sanktioniert. Minderheiten können sich ohne Grenzen auf Dauer nicht halten. Deswegen sollten wir nicht vorschnell über Abschaffung von Grenzen sprechen, denn sie sind dialektisch zu begreifen. Sie haben ihre bösen, aber auch guten Seiten. Den einen grenzen sie aus, dem andern geben sie Sicherheit. Sie lassen sich nicht aufheben, sondern nur verschieben.

Ich lasse zu dem Thema „Grenzen in unseren Köpfen“ am liebsten einen Kronzeugen sprechen, den Mundartdichter Wilhelm Meitert. Er hat in seinem Gedicht „Entwicklungen“ die Grenzverschiebung am Beispiel der Eheschließung beschrieben: Der Vouter siut äm Johr …

… 1700:/ Ta froinderst/ des rechen Hans seng Diuchter!
… 1800:/ Ta froinderst/ e Medschen/ ais åser Gemuin!
… 1900:/ Nem der uin/ ais åsem Vëulk!
… 2000:/ Nem der wenichstens/ en Blechan!
… 2020:/ Froinder dich/ wenichstens mät er Fra!


Dr. Stefan Cosoroabă. Foto: Dietrich Galter ...
Dr. Stefan Cosoroabă. Foto: Dietrich Galter
Nun zeigt uns die Geschichte von der Auferstehung des Lazarus, wie großartig es jedoch ist, wenn das Leben entgrenzt gesehen wird. […] Jesus hat in seiner ganzen Tätigkeit nichts anders getan, als versucht, uns die Augen zu öffnen für die ganze und bunte Wirklichkeit Gottes, die uns umgibt. Er hat auf die Einmaligkeit jedes Menschen hingewiesen. Er hat versucht, seine Zuhörer von der Fessel der sie begrenzenden Begriffe zu befreien. Wie schön sagt er z.B. über die Rolle der Gebote: „Der Sabbat ist für den Menschen geschaffen und nicht der Mensch für den Sabbat. (Mk 2,27)“. Damit lässt er die steinerne Grenzziehung der Gebote durchscheinend werden und ordnet sie NACH dem Leben ein. Er hebt die Gebote jedoch beileibe nicht auf, sondern verschiebt nur deren Grenze vom Buchstaben hin zu dem Geist, indem er in der Bergpredigt darauf hinweist, dass nicht nur die aktuelle Tatsünde, sondern schon der Gedanke an Sünde von Gott trennen kann. („Wer eine Frau ansieht und begehrt sie, der hat schon das Gebot in seinem Herzen gebrochen.“ Mt. 5,28)

Die Botschaft der entgrenzten Sicht auf das Leben hat Jesus Christus auch den kommenden Generationen weitergegeben. Paradigmatisch jene Geschichte, als Petrus in Apostelgeschichte 10 auf dem Dach des Hauses seine Mittagsruhe genießt und Jesus ihm in einer Vision „unreine“ Tiere zeigt. Dazu ergeht an ihn die Aufforderung: „Schlachte und iss!“ Die Grenze des traditionellen jüdischen Reinheitsgebotes wird hier aufgehoben. Das sollte aber nur die visionäre Einleitung sein, hin zu der Offenheit für die Heidenmission. Und damit wird das Evangelium bis zu dem Ende der Welt kommen. […]

In der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien haben wir Todeserfahrung. Aber diese Erfahrung macht es erst möglich, zu einer entgrenzten Sicht zu kommen.

Am Schluss meiner Gedanken wage ich es, die Lazarusgeschichte für einen Lebensaspekt zu vereinnahmen und damit im gewissen Sinne ideologisch zu werden. Für mich ist dieses Beispiel aber keine Beliebigkeit, sondern es ist Zeugnis von persönlicher Erfahrung. Ich spreche von der Existenz und der Zukunft der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Unsere Kirche ist – wie Lazarus – nach der Wende durch den Tod gegangen. Nicht anders kann man es bezeichnen, wenn von 250000 Gemeindegliedern nur noch 13000 übrig geblieben sind. Eine Volkskirche ohne Volk ist nur noch eine Erinnerung an die Vergangenheit. Sie ist ein Friedhof voll schöner und bitterer Bilder. Und dieses Sterben haben wir seit Ende der siebziger Jahre auf Raten durchgemacht, als Jahr um Jahr unsere besten Leute auswanderten und unsere Strukturen immer brüchiger wurden.

Schulen wurden aufgelassen, Pfarrhöfe blieben verwaist, Nachbarschaften schlossen die Laden, Adjuvanten verstummten, Matrikeln wurden abgeschlossen. Die Zeit nach 1989 war dann nur noch das Koma. Der Stein wurde vorgerollt, die Geschichte hatte ihr unwiderrufliches Wort gesprochen.

Und siehe da, wir haben in dieser Todeserfahrung gelernt, dass Grenzen, die vorher steinern waren, trotz allem nicht unwiderruflich waren. Wir haben lernen dürfen, uns entgrenzt zu verstehen. Lasst mich narrativ werden: Gleich nach der Wende haben wir vierteljährlich die Seelenzahlen unserer Kirchengemeinden an das Landeskonsistorium melden müssen, und es kamen prächtige Statistiken zusammen, wie viele wir NOCH sind. Und wir starrten wie die Maus auf die Schlange und überlegten, wie viel Zeit uns NOCH bleibt. Erneut waren wir mit 3,7% gesunken oder danach mit 1,3% und so fort. Wenn es so weiter gehen sollte, dann wären wir im Jahr 2000 gar nicht mehr existent. Es hat alles keinen Sinn mehr …

Und plötzlich bemerkten wir, dass die Gemeindegliederlisten und die Statistiken uns nicht die Wahrheit sagten, obwohl sie exakt waren. Sie entpuppten sich nur als eine Fessel. Das Leben fingen sie nicht ein. Denn das Leben ging voller Kraft und Freude weiter, obwohl – oder vielleicht gerade – weil wir wenige geworden waren. Es wurden Altenheime gebaut, Kindergärten eröffnet. Nach 50 Jahren durften wir wieder Religionsunterricht in der Schule halten. Wundervolle Kulturveranstaltungen waren möglich, die Öffentlichkeit nahm uns wahr. Und wir hatten Brüder und Schwestern aus der ganzen Welt, die mit uns wirkten. Mit verschwindend kleiner Seelenzahl konnte man oft mehr erreichen als mit hundert Mal so vielen eingeschriebenen Mitgliedern. Es lag an den Aufgaben und an dem Einsatz der Einzelnen und nicht an der Masse! Und diese entgrenzende Erfahrung ging auch noch einen Schritt weiter. Es spielte letztendlich auch keine Rolle, ob die Menschen in den Gemeindegliederlisten standen oder nicht. Eine vierstellige Gemeindegliederliste gibt nur falsche Sicherheit. Wichtig ist, dass Menschen sich für den Dienst bereitfinden. Und so sammeln sich heute um unsere Kirchen und Burgen selbstverständlich Siebenbürger Sachsen und Rumänen, aber auch Neuzuwanderer. In die „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ schreibt ein Russe, und die Ausbildung in Pretai übernehmen Menschen aus Kassel. Um die Burg in Michelsberg kümmert sich ein Holländer, und der neue Pressesprecher der Kirche ist ein Österreicher. Und ob der Tenor im Hermannstädter Bachchor katholisch oder orthodox ist, spielt letztlich auch keine Rolle, denn er singt wie immer zum Lobe Gottes.

Und vor allem: Die Grenze zwischen denen, die ausgesiedelt sind, und denen, die in Siebenbürgen verblieben sind, ist durchscheinend geworden. Diese Grenze gibt es natürlich auch weiterhin. Aber wir merken immer deutlicher, wie wichtig eine entgrenzende Sicht ist. Die harte Grenzziehung der siebziger und achtziger Jahre gibt es so nicht mehr. „Die Kirche wandert nicht aus“, dieses missverständliche Wort ist verstummt, da wir nun in der gemeinsamen Realität eines vereinten Europas leben. Vorbei die Zeiten, wo man sich anfeindete und aufeinander herabsah. Die Kirchenkuratoren aus Großpold und aus Großau des Jahres 2013 sind Ausgesiedelte, den Predigtdienst im Burzenland übernimmt ein Pfarrer, der in seinem Leben schon in Rumänien, Deutschland und Griechenland Dienst getan hat. Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien organisiert den Siebenbürgischen Kirchentag in Deutschland, in Kassel, mit. Wer will nun trennen und in Schubladen stecken? Die Schubladen greifen nicht mehr. Es gibt ein einziges Kriterium, das gilt aber für alle gleichermaßen: Wie weit übernehme ich Verantwortung für gelingendes Leben in Gemeinschaft? Und dieses kann ich hier wie auch dort tun.

An diesem Stein rollen wir gegenwärtig in den Gemeinden, aber auch auf gesamtkirchlicher Ebene in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Sich wieder als eine – heute grenzüberschreitende – Gemeinschaft zu verstehen, wieder Leben an Orte und in Kirchenburgen zu bringen, das ist unser Ziel. Und dazu fordern wir auf: Helft mit, den Stein wegzuheben!

Dr. Stefan Cosoroabă

Schlagwörter: Kirchentag, Kassel, Rede, Pfarrer

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