25. Juni 2015

Bizykelfahrer Herbert Liess radelte von der Quelle zur Mündung der Donau

Bizykelfahrer Herbert Liess wollte es noch einmal probieren. Schon 1982 und 2007 war er mit dem Rad nach Rumänien gefahren. Vor zwei Jahren keimte in ihm der Wunsch, als Sechzigjähriger die Donau von der Quelle bis zur Mündung zu begleiten. Am 26. Februar 2015 ist er nun sechzig geworden, und am 4. Mai fuhr er los und hatte mindestens 2850 km, also die gesamte Donaulänge, zu bewältigen. Herbert Liess berichtet über spannende Begegnungen und Erlebnisse auf seiner längsten Radtour.
Mit meinem Bizykelbruder Harry Zacker starteten wir bei der offiziellen Donauquelle in Donaueschingen, die sich neben dem Schloss Fürstenberg befindet. Harry begleitete mich bis nach Passau. Von dort bis Budapest fuhr Uwe Fabritius an meiner Seite. Ab da sollte ich dann alleine weiterfahren, doch lernte ich kurz nach der ungarisch-kroatischen Grenze HaPe aus Memmingen kennen, der aus Wien gestartet war und bis zum Eisernen Tor fahren wollte. So radeln wir also bis zu seinem Zielort gemeinsam, und ich hatte dann „nur“ noch den rumänischen Teil der Donau alleine zu bewältigen.
Herbert Liess (rechts) und Harry Zacker, im ...
Herbert Liess (rechts) und Harry Zacker, im Hintergrund die Donauquelle.
Auf der 25 Tage dauernden Fahrt hatten wir nur ein paar kleinere Überschwemmungen im oberen Lauf der Donau infolge von starken Regenfällen im Schwarzwald, einen halben Tag Regen von Ulm bis Dillingen, einen Tag Auszeit (Verschnaufpause) in Budapest, eine einzige Gummipanne kurz vor Budapest und ansonsten wunderbares Radelwetter. Allerdings war der Preis für dieses Privileg jede Menge Gegenwind, der seinen Gipfel am letzten Tag von Corbu bis Tulcea hatte. Ich bin Reini aus Nufaru heute noch dankbar, dass er mich mit dem Auto abholte, da ein so starker stürmischer Gegenwind entstanden war, dem ich bei allerhöchster An- strengung nichts mehr entgegensetzen konnte.
Herbert Liess (links) und Uwe Fabritius vor dem ...
Herbert Liess (links) und Uwe Fabritius vor dem Parlament in Budapest.
Es war aber nicht der sportliche Aspekt oder die Ausdauer, die mich dieses Mal in ihren Bann gezogen haben, sondern vor allem das Abenteuer und die vielen netten Menschen, mit denen ich ins Gespräch kam oder die mir schon vor dem Start ihre guten Wünsche mit auf den Weg gegeben hatten. Es waren die Passanten, die uns fragten, woher und bis wohin wir radeln, oder ein Reiter, der hoch zu Ross eben auf vier Beinen unterwegs war, die vielen Globetrotter, die – mit noch mehr Gepäck als wir – die Welt erkundeten. Ich erinnere mich gerne an die junge ungarische Bedienung Noemi im „Goldenen Anker“ in Hainburg, die uns frisch, fröhlich, frei die Zimmer zuwies, oder deren Chefin, die dichtende Wirtin, die es sich zur Tradition gemacht hat, den Gästen zum Feierabend ihre Gedichte der amourösen Art vorzutragen. Mit Christian und Martin im Gasthof „Butz“ in Wöhrl bei Regensburg sind wir bis nach Mitternacht am Stammtisch gesessen und haben (fast) alle Probleme der Welt gelöst.
An der engsten Stelle der Donau, dem "Eisernen ...
An der engsten Stelle der Donau, dem "Eisernen Tor".
Ganz interessant war auch der Fußgänger in Österreich, der sein ganzes Gepäck auf einem Karren hinter sich herzog, oder der einsame, bettelarme, scheinbar Ob­dachlose auf der Landstraße bei Ostrov in Rumänien, der an einem Fuß einen offenen Schnür­schuh hatte und am anderen einen Gummistiefel, sein ganzes Hab und Gut in einen großen Plastiksack verpackt auf dem Rücken tragend. Am Eisernen Tor trafen wir zwei Engländer, Richard und Ross, die in England gestartet waren, um den Eurovelo 6, den Atlantik-Schwarzes Meer-Radweg, zu fahren. Eine ganz interessante Begegnung hatten wir mit dem Ungarn Sandor in Zlatna in der Slowakei und dessen Mieterin, die sympathische slowakische Studentin Anna. Der einstige Sportlehrer betreibt einen 35 ha großen Weinberg und ließ uns seinen kostbaren Wein kosten.

Zu erwähnen wäre auch der junge Mann, der mit seinem Auto stehen blieb, mir eine namenlose Pension in Solt empfahl, von der ich nur wusste, dass sie auf der Hauptstraße und davor ein gelbes Fahrrad steht – und ich habe sie gefunden. Es war eins der schönsten Quartiere auf der ganzen Reise. Aber auch das Ehepaar, das in Baja wegen mir umkehrte, um mir die Ampel zu zeigen, an der ich hätte abbiegen müssen. Ein junger Serbe wiederum „lotste“ uns mit geschwollener Brust auf seinem alten, klapprigen Rad durch seinen Ort. Ein anderer Serbe, ein Baum von einem Mann mit tellergroßen Händen, forderte uns mitten auf der Straße auf, stehen zu bleiben, einfach um uns eine Zwei-Liter-Flasche Pepsi zu schenken. Dann war da noch der junge Bäcker, der mir Brezen-ähnliche „covrigi“ kostenlos mit auf die Reise gab, und es waren die Erdbeerpflücker, die mich mit jeder Menge Erdbeeren stärken wollten.
Herbert Liess (Erster von rechts) mit den beiden ...
Herbert Liess (Erster von rechts) mit den beiden Engländern Richard und Ross in der Nähe des Eisernen Tors bei Drobeta Turnu Severin.
Beeindruckt hat mich auch die Hilfsbereitschaft von Reini. Er erkannte sehr schnell die miese Situation, in der ich mich befand, und holte mich mit seinem Auto in der Nähe von Tulcea ab. Erquickend wirkten auch die vielen Kinder, vorwiegend in Rumänien, die mir am Straßenrand oder aber auch mitten auf der Straße eine Hand entgegenstreckten, um sie abzuklatschen. Ich sah mehr als hundert Storchennester mit bis zu vier Jungen im Nest, leider aber auch viele überfahrene Tiere am Straßenrand: einen Dachs, mehr als ein Dutzend Schlangen zwischen einem halben und eineinhalb Meter lang, zwei junge Füchse, einen Fuchs und zehn Meter weiter das Huhn, das er gestohlen hatte. Als Krönung lief mir in der Nähe von Adamclissi am helllichten Tage ein lebendiger Fuchs mit frischer Beute in der Schnauze über den Weg. Und einer muss mir seit Donaueschingen nachgeflogen sein, den ich jeden Tag gehört habe, außer am freien Tag in Budapest – der Kuckuck!

Herbert Liess vor dem Cazino in Konstanza. ...
Herbert Liess vor dem Cazino in Konstanza.
Sehr sympathisch rüber kamen auch die serbischen Wegweiser, die alle mit genauer Kilometerangabe und einem Zitat aus der Schule des Lebens versehen waren. In Rumänien sind Wegweiser hingegen Mangelware. Unvergesslich wird mir auch der Empfang zu Hause mit der Familie und den vielen treuen Freunden bleiben.

Die Donau ist übrigens der einzige europäische Fluss, der in östliche Richtung und durch vier europäische Hauptstädte fließt, um dann kurz vor seiner Mündung ins Schwarze Meer ein einmaliges Wasserbiotop zu schaffen: das Donaudelta, das einzigartig in ganz Europa ist. Über den Rhein-Main-Donau-Kanal kann man von der Nordsee direkt zum Schwarzen Meer schippern, und auf dem Landweg gibt es nun den Eurovelo 6, den Atlantik-Schwarzes Meer-Radweg, den schon, wie vorher erwähnt, etliche Radbegeisterte befahren.

Wer noch mehr über die anderen meiner vielen Radtouren lesen möchte, der kann das in meinem Buch „Mit dem Bizykel unterwegs“ tun, zu bestellen unter lisschen [ät] online.de oder unter Telefon: (08638) 81603.

Herbert Liess

Schlagwörter: Radtour, Donau

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