31. Mai 2020

Pfingstpredigt von Bischof Reinhart Guib: Mit dem Geist Gottes den Turmbau zu Babel überwinden

"Mit dem Geist Gottes können wir den Turmbau zu Babel überwinden." Diese Pfingstbotschaft übermittelt Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, in der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ), Folge 8 vom 25. Mai, und am heutigen Pfingstsonntag in der SbZ Online. Diese Predigt können Sie heute um 10.00 Uhr auf Radio Siebenbürgen hören.
Bischof Reinhart Guib beim Heimattag 2017 in ...
Bischof Reinhart Guib beim Heimattag 2017 in Dinkelsbühl. Foto: Christian Melzer
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt!

„Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.“ 1. Mose 11,1-9

Liebe Schwestern und Brüder!
Welch ein Mut die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat, solch ein Bibelwort als Predigtwort für Pfingsten neu auszuwählen! Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien hat die neue Ordnung gottesdienstlicher Texte zu den Sonn- und Feiertagen von der EKD auch weitgehend übernommen. Damit wollten wir neu anregen, über Gottes Wort nachzudenken und unserer Partnerkirche, der EKD, ein solidarisches Zeichen geben.

Welch eine Zumutung, solch ein Wort zum schönen Fest der Pfingsten, das wir heute normalerweise zusammen in Dinkelsbühl hätten feiern wollen. Aber was ist denn heute schon normal? Jahr um Jahr hat unsere Welt daran gearbeitet, den Turm zu Babel politisch, wirtschaftlich, sozial, kulturell, tabu- und respektlos neu aufzubauen. Der Turm der immer schneller drehenden Spirale der wissenschaftlichen, technischen, digitalen Möglichkeiten nimmt immer weniger Rücksicht auf den Menschen, auf unsere Umwelt und auf den Schöpfer dieser Welt. Wir wollen mehr, besser, schneller, höher, größer, weiter sein als die anderen. Wenn‘s geht, warum nicht, wie Gott. Aber siehe da, wenn der Turm zu hoch wird, lässt Gott es zu, dass wir die Grenzen zu spüren bekommen. Das war nicht nur vor Urzeiten, wie uns die Bibel berichtet, so, als er selber dagegen einschritt. Später übernahmen wir Menschen es selbst, uns zu bestrafen, ja zerstörerisch zu wirken. Vor 200 Jahren über die Pest, vor 100 Jahren über die spanische Grippe und den Ersten Weltkrieg, vor 80 Jahren über den Zweiten Weltkrieg und heute mit dem Corona-Virus nicht anders. Tod und Not, Zersplitterung und Zerstreuung waren jedes Mal die Folgen. Bis heute sind wir mit den unterschiedlichen Sprachen und Kulturen laufend Missverständnissen und Konflikten ausgesetzt. Mit einer wirtschaftlich und politisch verbundenen EU und den globalisierenden Bestrebungen weltweit kommt es zwar zu einigen gemeinsamen Schritten, Kompromissen und Bündnissen.

Für eine umfassende und heilsame Verständigung unter uns Menschen, im Einklang mit der uns umgebenden Welt und mit Gott brauchen wir aber noch etwas anderes: den Geist Gottes, das, was diesem Bibelabschnitt und unserer Welt oft fehlt. Den Geist, der Leben ist und Leben schafft. Zeichenhaft das Grün nach zweimonatigem Stillstand, das grüner, satter, gesunder, einladender ist, als wir es jemals erlebt haben. Der Geist Gottes tröstet in schweren Zeiten, wie wir sie die letzten Monate durchlebt haben. Er schenkt Mut und Phantasie, die Kirche aus der Kirchenburg zu den Menschen nach Hause vor die kleinen und großen Bildschirme zu holen. Er gibt uns Kraft und Ausdauer, Prüfungen wie diese zu bestehen und nicht zu verzweifeln. Er lässt uns wachsen in der Hoffnung wie die Pfingstrose, die aufblüht. Er befähigt uns zum Umdenken und Neubeginnen, die Prioritäten zu ändern. Er sendet uns zu den Hilfsbedürftigen und lindert durch uns die Not. Er verbindet uns über Grenzen, Sprachen und Kulturen hinaus in der großen Familie der Kinder Gottes, auch wenn wir zeitweise physisch getrennt sind und Distanz halten müssen. Er lässt uns den Wert der Familie, Freunde und Nachbarn neu schätzen. Er schafft es real und virtuell, zwischen uns Siebenbürgern und Freunden im Glauben Gemeinschaft zu erleben, gleich wo wir sind. Diesen guten Geist können wir uns nicht selbst geben oder weiterschenken.
Holzmengen - Dorfansicht mit Kirchenburg und ...
Holzmengen - Dorfansicht mit Kirchenburg und Blick auf die Südkarpaten, die aktuelle Aufnahme ist in der Corona-Zeit entstanden. Foto: Stefan Bichler
Der eingestürzte Turmbau zu Babel damals wie heute kann uns wieder zu uns selbst, zu unserem Nächsten, zu der Schöpfung und unserem Schöpfer, Erhalter und Erlöser führen. Beten und ringen wir darum. Geben wir Gott Raum in unserem Leben mit Danken und Loben. Er will bei uns wohnen und uns reich segnen. Das wünsch ich euch zum Pfingstfest und 2020 von Herzen.

Reinhart Guib

Schlagwörter: Geistliches Wort, Bischof, Guib, Pfingsten, Predigt, Kirche und Heimat, EKR, Holzmengen

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