26. April 2023

Leserbrief: Einigkeit macht stark

Persönlicher Rückblick eines Landsmannes auf 50 Jahre in Deutschland
Es war der 20. Dezember 1973, als der blaue Umschlag im Postkasten lag, ein Brief, der überraschend gekommen war, in dem die Ausreise nach Deutschland bescheinigt war. Es war das Schreiben vom Passamt Kronstadt, das meiner Familie mit Frau und drei Kindern den Weg in die freie Welt geebnet hat. Die Ausreise durfte nur mit der rumänischen Fluggesellschaft TAROM erfolgen. Am 11. Februar 1974 landete die Maschine am Flughafen in Frankfurt am Main. Zwei Tage später sind wir aus dem Durchgangslager Zirndorf mit der Bahn nach Geretsried im Lager Stein gut angekommen. Dieses war der Neuanfang im Wunschland Deutschland, was nun unsere neue Heimat werden sollte.

Zehn Jahre sollten es werden, bis wir das neue Haus in Asbach-Bäumenheim im August 1984 bezogen, das ich selbst baute. In diesem Haus wohne ich heute noch als ein zufriedener Mensch. Ich wählte die Selbständigkeit, es war ein Traum von mir, selbständig und unabhängig das Brot für meine Familie zu verdienen; das war auch der Grund, aus dem kommunistischen Rumänien in die Freiheit zu wechseln. Diese Selbständigkeit habe ich bis zum heutigen Tage behalten. Mein Leben war erfolgreich, ich hatte den Beruf des Versicherungskaufmanns gewählt und mit eigenem Ladenbüro geführt. Die Selbständigkeit hat mir viel Freiraum gelassen, so dass ich öfters auch zweimal im Jahr die alte Heimat Siebenbürgen besuchen konnte. Jeder Besuch war eine Erfahrung, die mein Leben geprägt hat. Das Wort Heimat hatte mich gefesselt, weil ich erkannte, dass ich in der Heimat, in meinem Zeiden bei Kronstadt, immer wieder neue Kraft schöpfen konnte: mein Zeiden, meine Landsleute, die Kirche und noch mehr der Friedhof, den ich immer wieder aufsuchte. Es war ein Dank an die Vorfahren, denn ohne die Vorfahren war man ja nicht auf der Welt. Genau dieser Dank an die Vorfahren, die Ehrung und die Präsenz am Friedhof hat mir gezeigt, wer wir eigentlich sind, denn ohne die dort ruhenden Toten hätte es uns nicht gegeben. Weil es so ist, haben mich diese Gedanken immer beschäftigt, um zu verstehen, wer und was wir eigentlich sind in der Fremde, so fern von unseren Vorfahren, die wir einfach zurückgelassen haben. Bei jedem Besuch des Friedhofs, in der Kirche, im Gespräch mit den daheim verbliebenen Freunden hatte ich immer ein Schuldgefühl: Der Weggang aus der Heimat bedeutet eigentlich ein Rücken-Zeigen: was schön und wertvoll ist, kann nicht mehr genossen werden.

Ich habe in diesen 50 Jahren in der Fremde nicht einmal Heimweh gehabt, aber es sind auch wenige Tage vergangen, wo meine Gedanken nicht in meiner Heimat waren. Diese Bindung ist der Beweis, wohin man eigentlich gehört. Ich war in Hermannstadt beim Großen Sachsentreffen, und habe gehört, wie Klaus Johannis sprach und sagte: Ihr seid willkommen, hier seid ihr DAHEIM. Ein großes Wort: DAHEIM. Es ist etwas merkwürdig, wenn man von einigen Landsleuten sagen hört, sie waren nicht mehr in Siebenbürgen, und sie werden auch nicht mehr nach Siebenbürgen fahren. Das kann man nur schwer verstehen. Haben diese Leute kein Herz, kein Gewissen, wie kann man die, die dir das Leben geschenkt haben, einfach vergessen, denn verlassen sind sie ja sowieso. Diesen Dank dürfen wir nicht vergessen, dieser Dank reinigt unser Gewissen und gibt uns die Ehre zurück, die wir eigentlich verloren haben durch das Verlassen der Heimat, der Kirche und der Pflicht, die bedeutet, Ehre den Vorangegangenen. Wie fühlen sich diese Menschen?

Es ist alles ganz anders gekommen, als man es erhofft hatte. Wir sind heimatlos, auch wenn man es nicht zugeben will. Wir haben einen Wohnort, wir haben alles, was ein glückliches Leben verspricht, aber sind wir wirklich glückliche Menschen, wenn wir nur wohnen, ohne daheim zu sein? Unser Heimatkirche begrüßt jeden, wenn er das Gotteshaus betritt; erst jetzt fühlt man sich daheim, man ist zuhause angekommen. Es sind lebenswichtige Momente, die uns sagen, hier seit ihr DAHEIM. Wir, die wir die Heimat verlassen haben, wir sind verantwortlich, dass die in Siebenbürgen dort uns buchstäblich vertreten, auch ohne dass wir dort sind, die Möglichkeit geschaffen haben, weiter als Vollmitglied in der Heimatkirche mit einem geringen Jahresbeitrag die Heimatkirche zu unterstützen. Das sind wir unserer Kirche in Siebenbürgen schuldig. Hier trägt jeder Siebenbürger diese Verantwortung mit sich und es ziemt sich, diese Zweitmitgliedschaft zu beantragen, damit unsere Evangelische Kirche A.B. in Rumänien die Verpflichtungen auch schultern kann. Wir sehen heute, wie das ukrainische Volk die Heimat mit Blut verteidigt. Wir Siebenbürger haben unsere Heimat in Zeiten des Friedens verlassen und sehen jetzt, wie kostbar die Heimat den Ukrainern ist, darüber sollten wir uns wenigstens Gedanken machen. Ich spreche hier für das Siebenbürgen, das immer unsere Heimat bleiben wird. Die Menschen, die dort leben, sorgen dafür, dass der Name der Sachsen nicht vergessen wird. Die Siebenbürger Sachsen geben die Kultur an die weiter, die Siebenbürgen besiedeln.

Ich habe mit meiner Erfahrung hier auf wesentliche Dinge hingewiesen, weil ich der Meinung bin, wir sind verantwortlich, wir müssen verstehen, was und wer wir sind, denn ohne unsere Heimat, unsere Kirche (Glauben) und Vorfahren gäbe es uns nicht. Wir dürfen unsere Verpflichtung unserem Volk der Siebenbürger Sachsen gegenüber nicht ignorieren, wir müssen zu dem stehen, wer wir sind in dieser modernen Zeit, die alles verändert hat, aber wir sind und bleiben Siebenbürger Sachsen, und wollen hier in der neuen Heimat das bleiben, was wir sind, Siebenbürger Sachsen, in unserem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland uns wohl fühlen und tatkräftig mitarbeiten, dann hat unsere Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen Zukunft und in der Heimat in Siebenbürgen auch eine gute Zukunft, denn Einigkeit macht stark.

Kurt Schoppel, Asbach-Bäumenheim

Schlagwörter: Heimat, Identität, Kirche, Integration, Deutschland

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