27. Februar 2010

Olympia-Gold für Willi Schneider

Bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver gab es für die gastgebende Nation Kanada Gold im Skeleton der Herren. Jon Montgomery raste am 20. Februar bäuchlings auf seinem Rodelschlitten durch den Eiskanal von Whistler Mountain und landete auf Rang eins. Sein überglücklicher Coach, der Cheftrainer der kanadischen Skeleton-Nationalmannschaft, ist Deutscher, Siebenbürger Sachse: Willi Schneider – in Mediasch geboren, in Waldkraiburg (Oberbayern) zu Hause, in Kanada ein „Goldschmied“.
Die Waldkraiburger Nachrichten haben den Lokalmatador prompt angerufen: „’Eine riesige Euphorie. Die Stimmung ist gewaltig. Jeder schwärmt. Überall, in jedem Lokal läuft das Fernsehen’, erzählt der Trainer am Telefon, der nach diesem Erfolg erst um 5 Uhr morgens kanadischer Ortszeit ins Bett kommt. Pressekonferenz, Interviews, ein großer Empfang im Kanada-Haus mit Spitzenpolitikern und Sponsoren.“
Olympia-Gold für Kanada: Der aus Mediasch ...
Olympia-Gold für Kanada: Der aus Mediasch gebürtige Cheftrainer Willi Schneider (links) freut sich über die errungene Goldmedaille mit dem Athleten Jon Montgomery nach der Zeremonie auf der Medals Plaza in Whistler. Foto: privat
Der 46-jährige gebürtige Mediascher hatte als aktiver Skeletonfahrer im Prinzip alles gewonnen, was man als aktiver Sportler so gewinnen kann. Eine olympische Medaille blieb ihm in seiner aktiven Laufbahn freilich versagt. Und das hatte mehrere Gründe.

Schneider hatte in Siebenbürgen schon als Radfahrer begonnen, bevor er vor mehr als zwanzig Jahren auf Kufen wechselte und Skeletonpilot wurde. In seiner langjährigen Kariere sammelte er unzählige Titel: mehrfacher deutscher Meister, Weltcup-Gesamtsieger und 1998 sogar Weltmeister. Da Skeleton nach 1948 in St. Moritz nicht mehr olympische Disziplin war, träumte Schneider spätestens seit 1994 davon, an einer Olympiade teilzunehmen. 2002 in Salt Lake City wurde Skeleton endlich wieder olympische Disziplin. Für Schneider ging ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Im „Utah Olympic Sportpark“ stürzte er sich kopfüber in den Eiskanal und mit weit mehr als 100 km/h erreichte er den neunten Platz. Da er grippegeschwächt an den Start gegangen war und sein Ziel ein Platz unter den ersten Zehn lautete, war er mit seiner Platzierung zufrieden. Querelen im deutschen Verband, Leute die einen so erfahrenen Skeletonfahrer ausmusterten, die von diesem besonderen Rennsport keine Ahnung, aber das Sagen hatten, all das führte dazu, dass Willi Schneider seine aktive Laufbahn mit einer gewissen Verbitterung beendete und die Trainerlaufbahn einschlug.

Die Kanadier waren schon lange vorher auf den erfolgreichsten deutschen Skeletonfahrer aufmerksam geworden und boten ihm an, die Funktion des Cheftrainers der kanadischen Nationalmannschaft auszuüben. Schneider ging das Angebot zunächst etwas zaghaft an, fand aber sehr schnell Gefallen daran und merkte sehr bald, dass er mit Jeff Pain, Duff Gibson, Paul Boehm und Melissa Hollingsworth potentielle Sieger im Kader hatte.

Von der Olympiade in Turin 2006 kehrte man mit je einer Gold-, Silber- und Bronzemedaille heim – als die erfolgreichste Nation im Skeleton. Vier Jahre später, bei den „Heimspielen“ in Vancouver, blieb der Erfolg ebenfalls nicht aus. Mit dem vierten Gold für das Gastgeberland Kanada errang Jon Montgomery aus dem „Schneider-Team“ wiederum eine Goldmedaille – eine Medaille, die seinem Trainer zu seiner aktiven Laufzeit noch verwehrt geblieben war, über die er sich aber zusammen mit seinem Schützling um so mehr freute. Getrübt wurde die Freude über die Goldmedaille durch den tragischen Unfalltod eines georgischen Rodlers. Dazu meinte Schneider: „Das ist eine traurige Sache. Skeleton ist eine Risikosportart. Aber die Bahn ist nicht gefährlicher als jede andere.“ Die Verantwortung sieht er vielmehr bei Funktionären, Trainern und Betreuern, die Sportler in einen Wettbewerb schickten, auf den sie nicht ausreichend vorbereitet seien. Willi Schneider, der mit Ehefrau Alexandra und zwei Söhnen in Waldkraiburg lebt, war der erste Winter-Olympionike der Stadt Waldkraiburg und des Landkreises Mühldorf, vermutlich auch der erste siebenbürgische Winter-Olympionike. Der Landsmann wurde bereits 2002 vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber für seine sportlichen Erfolge mit einem bayerischen Porzellanlöwen geehrt.

Herbert Liess

Schlagwörter: Sport

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Neueste Kommentare

  • 27.02.2010, 01:25 Uhr von hanzy75: Diese Kopfüber-Rodler sind schon ziemlich lebensmüde... Aber: Alle Achtung, das ist nicht ohne, was ... [weiter]

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