29. September 2002

"Mein Motto: Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Spontaneität"

Der Sänger Ricky Dandel sprach anlässlich seines 50. Geburtstag über seine bewegte Vergangenheit in Siebenbürgen und seine Zeit in Deutschland. Trotz seiner Berühmtheit stellen Bescheidenheit und Ehrlichkeit seine Lebensmaximen dar. Das Interview führte Doris Roth.
Herr Dandel, Sie werden am 30. September 50 Jahre alt und feiern im November Ihr 35-jähriges Bühnenjubiläum. Sind Sie jetzt an einem Punkt Ihres Lebens, an dem man eine Rückschau halten muss?

Eigentlich nicht, dafür habe ich wenig Zeit. Ich finde nicht, dass ich gealtert wäre oder dass die Zeit an mir nennenswerte Spuren hinterlassen hätte. Natürlich verändert sich jeder Mensch rein optisch, wichtiger ist aber, dass wir uns innerlich nicht verändern. Ich bin ein sehr sensibler Mensch, ich gehe mit offenen Augen, aber vor allen Dingen mit offenem Herz und Verstand durch die Welt und versuche, die Eindrücke, die auf mich zukommen, aufzunehmen und zu verarbeiten, primär künstlerisch, aber auch als Mensch. Wir leben in einer modernen Welt, und der Künstler ist sozusagen ein Schwamm, der die ganzen Eindrücke seiner Umwelt aufnimmt und durch das Prisma seiner eigenen Gefühlswelt wiedergibt. Ich will die Umwelt nicht fotografieren oder reproduzieren, das ist nicht Sinn und Zweck der Kunst. Ich möchte das darstellen, was mich besonders bewegt hat.
Ricky Dandel
Ricky Dandel


Was waren Ihrer Meinung nach die Höhepunkte Ihrer bisherigen musikalischen Karriere? Gibt es da bestimmte „Glanzlichter“?

Es gab viele Höhepunkte, aber genauso auch Tiefpunkte. Es wäre unproduktiv für einen Künstler, wenn es ihm ständig gut gehen würde, wenn er nur Erfolg hätte, wenn er wirklich jedes Publikum, egal wo auf der Welt, für sich gewinnen könnte. Manchmal muss man um die Gunst des Publikums kämpfen. Wichtig ist, dass man nicht nur auf der Bühne steht, um Erfolg zu haben. Man ist da, weil man eine Geschichte erzählen möchte. Ich singe diese Geschichte. Ich unterhalte mich auch sehr gern mit dem Publikum, deshalb bin ich vor zwölf Jahren offiziell ins Moderatorengeschäft eingestiegen. Ich habe das internationale Festival „Der Goldene Hirsch“ seither fünf Mal moderiert, Riesenstars vorgestellt und mich mit ihnen auch privat unterhalten. Wenn ich einem großen Künstler begegne, werde ich plötzlich ganz klein und bescheiden. Sich mit Ray Charles, Tom Jones, Paul Young oder James Brown, dem Vater des Soul, zu unterhalten, das ist beeindruckend. Ferner habe ich den „Goldenen Orpheus“ in Bulgarien moderiert, ein Festival mit einer beeindruckenden Tradition, und Pamukkale in der Türkei, auch ein großes internationales Festival. Ich stand bei all diesen Festivals nicht nur als Moderator, sondern immer auch als Entertainer und Showact auf der Bühne. Schon 1982 war es mir gelungen, durch eine Reihe glücklicher Umstände, an einem Festival in Irland teilzunehmen. Für das Lied „That´s Life“ erhielt ich einen Preis. Auch bei vielen anderen Festivals wurde ich mit Preisen bedacht. Dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Erfolg und Qualität nicht immer deckungsgleich sind - ob dieser Erfolg jetzt mit Preisen, verkauften Platten, Popularität oder Medienpräsenz zu tun hat. Medienpräsenz kommt oft durch Zufälle zustande, durch die Gunst der Stunde oder die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Jeder ernste Künstler verfolgt jedoch seine Linie und geht nur bis zu einem gewissen Punkt Kompromisse ein.
Schöne Zeiten begannen mit meinem Debüt 1967. Da gab es die großen Schlagerparaden am deutschen Theater in Hermannstadt, wo ich mit Bands wie Kurt Müller, „FRAMUS“ oder meiner Schülerband „Solaris“ spielte. Wir hatten damals einen kleinen Club, in dem wir jede Woche ein Konzert gaben. Damit erschufen wir uns wirklich ein Stück Westen und waren dem musikalischen Weltgeschehen sehr nahe. Bis 1986 hatten wir die deutschsprachige TV-Sendung, in der ich fast wöchentlich auftrat. Wir hielten damals in einer Zeit, als es nicht einfach war, sich zum Deutschtum zu bekennen, diese Fahne hoch. Wir waren an vorderster Front aktiv, manchmal war es nicht sehr angenehm, und man hat das auch zu spüren bekommen.

Ihr Sohn Elvin ist inzwischen 20 und schon lange sehr erfolgreich im Musikgeschäft. Sehen Sie ihn als eine Art Nachfolger?

Nein, auf keinen Fall. Als Elvin ungefähr drei Jahre alt war, war er fasziniert von der klassischen Musik, die von Leonard Bernstein erklärt und gerade im rumänischen Fernsehen gezeigt wurde. Ich habe mich aber gehütet, mich in gewisse Hoffnungen zu versteigern, weil es einfach noch zu früh war. Bei seinen ersten Konzerten spielte er Mozart, Gershwin und Chopin, was ihn natürlich als Komponisten und Musiker geprägt hat. Der Schritt von Klassik zu Pop war nicht schwer für ihn, denn er hat einfach ein bemerkenswertes Gefühl für Rhythmik und Melodie und spielt großartige Popmusik auf dem Klavier. Elvin komponiert auf klassische Weise, entweder am Klavier oder an der Gitarre, und spielt auf klassischen Instrumenten genauso wie auf modernen Geräten. Seinen ersten Song komponierte er mit elf. Den Titel führten wir erstmals beim Festival in Cannes und danach oft bei den Medientagen im Bayerischen Rundfunk auf. Thomas Brennicke, der Chefredakteur der Abteilung Leichte Musik, war sehr begeistert von Elvins Musikalität, obwohl er sonst mit Lob eher sparsam umgeht. Das hat mir gezeigt, dass seine Musik aus Überzeugung heraus kommt. Elvin singt immer live und macht seine Sache mit großer Hingabe und Überzeugung. Dadurch hebt er sich von den heutigen künstlich erzeugten Retortenkünstlern ab. Ich wünsche ihm eine große Karriere, obwohl das Geschäft sehr hart geworden ist. Wenn ein Künstler an sich glaubt und an das, was er tut, ist der Weg etwas steiniger. Elvin hat Rückgrat und sagt nicht, ich singe alles, Hauptsache, es geht ganz schnell. Zurzeit dreht er seinen dritten Film, „Deadline“ und spielt neben Gordon Mitchell, dem Mentor von Arnold Schwarzenegger. Er hat viel Freude an der Schauspielerei, aber die Musik ist das Wichtigste für ihn. Im Spätherbst geht er auf Tournee durch Deutschland. Allerdings wird er auch studieren und einen Beruf neben dem des „Musikers“ erlernen, Psychologie schwebt ihm vor. Elvin ist sehr bescheiden und sehr streng mit sich, und das ist meiner Meinung nach die beste Voraussetzung, um weiterzukommen. Demnächst erscheint seine Komposition „Johnny“ auf der „Hitpack Vol. 4“ CD, auf der unter anderem Britney Spears und die No Angels mit von der Partie sind.

Sie haben eigentlich zwei Berufe, oder besser gesagt: einen Beruf und eine Berufung.

Beides ist eine Berufung für mich. Ursprünglich wollte ich nicht Lehrer werden, ich studierte Englisch und Deutsch, weil ich Spaß daran hatte. Aber nach der ersten Unterrichtsstunde am Gymnasium wusste ich: das ist es, das will ich machen. Ich fühle mich als Künstler und Lehrer berufen. Ich glaube nicht, dass ich in einem der beiden Berufe weniger engagiert oder involviert bin.

Was halten Ihre Schüler von Ihrem „Nebenjob“? Wissen die davon?

Die meisten wissen es, und das war auch immer so, auch schon in der alten Heimat. Meine Schüler aus der Brukenthalschule in Hermannstadt kamen damals immer zu meinen Konzerten. Damit habe ich nie ein Problem gehabt, aber ich trenne zwischen Lehrer- und Sängerdasein, obwohl ich auch als Lehrer sehr spontan und locker agiere, genau wie auf der Bühne. Es hat mich immer gefreut, wenn ich von meinen Schülern auch Feedback zu meiner künstlerischen Arbeit bekommen habe. Die Leute spüren, wenn man sich wirklich einbringt und mit Leib und Seele dabei ist, und das bin ich in beiden Berufen. Es gibt sicher bessere Lehrer, Sänger und Komponisten als mich, aber ich bin immer 120-prozentig dabei, und das ist mir sehr wichtig. Jeder sollte das Potenzial ausschöpfen, das in ihm steckt. Zwischen meinen beiden Berufen besteht kein Konflikt. Man ist nicht Künstler, um sich zu produzieren, sondern weil man nicht anders kann.

Ihr Bezug zu siebenbürgischer Musik ist unverkennbar. Singen Sie diese Lieder, um Ihr Publikum zu erfreuen oder weil es Ihnen ein inneres Bedürfnis ist?

Ich habe mit meiner Oma und meiner Mutter immer Volkslieder gesungen. Singen hat bei uns zu Hause eigentlich zur Seelenmedizin gehört. Zu meiner Großmutter habe ich immer eine besondere Bindung gehabt, und ich verdanke meine Karriere eigentlich ihr, weil sie immer wie ein „Topmanager“ hinter mir gestanden hat. In Erinnerung an diese Zeiten singe ich die siebenbürgischen Lieder in einem neuen musikalischen Gewand.

Was machen Sie lieber, moderieren oder singen?

Singen, aber ich kann es nicht lassen, ich muss auch mit den Leuten reden. Seit ich auf der Bühne stehe, habe ich mich mit den Leuten unterhalten, Geschichten und Anekdoten erzählt. Singen ist ein Dialog, aber Sprechen ist die Ebene des Zuschauers. Ich bin mit Leib und Seele Sänger, aber ich moderiere auch unheimlich gern.

Sie haben auf Ihren Tourneen Länder auf der ganzen Welt bereist. Gibt es einen Ort, an dem Sie besonders gern gesungen haben oder einen, wo Sie vielleicht einmal auftreten möchten?

Eine gewisse Nostalgie begleitet mich, wenn ich an Russland denke. Ich habe vor mehreren Jahren eine sechs Wochen lange Tournee von Moskau bis Baku gemacht, in den Philharmonien jeder Republik gesungen und ein fantastisches Publikum gehabt. Die Russen sind als Publikum unheimlich sensibel, da kommt man mit billigen Sachen nicht an. Je anspruchsvoller ein Titel war, desto eher haben sie getobt. Ich habe sogar extra russisch gelernt und auch gesungen. Die Russen sind ein Publikum mit einem Riesenherz. Andere, viel berühmtere Musiker wie z.B. Bon Jovi oder die Scorpions hatten dies genau so empfunden.
Mit dem „International Talent Festival“ in Amerika hat sich in diesem September ein Traum für mich erfüllt, bis jetzt bin ich immer nur privat dort gewesen. Da ist man schon ein wenig stolz darauf, dass man als Deutscher ein Musikfestival in den USA in englischer Sprache moderieren darf und dafür Lob erhält. Elvin, der dort als Gast-Interpret auftrat, begeisterte das Publikum und die Fernseh-Fachleute durch seine mitreißende Show. Es ist mein Traum, einmal in China oder Japan aufzutreten, weil ich die Asiaten sehr interessant finde. Ich habe viele von ihnen auf Festivals getroffen und mit ihnen gearbeitet, und sie sind sehr begabte und sensible Leute.

Wie sieht es in der nächsten Zeit aus? Sind neue Projekte geplant zum Geburtstag oder zum Bühnenjubiläum?

Im Moment ist meine aktuelle Single „Mein Truck fährt immer weiter“ auf Platz 1 in der Schlagerparade auf Bayern 1, und am Freitag, 11. Oktober, bin ich von 9.30 bis 13.00 Uhr in der Sendung „Aber bitte mit Schlager“ auf NeunLive zu sehen, wo ich diese Single vorstellen werde. Diesen Titel kann man sich auch online unter der Adresse www.awmusic.de/STOP/artists/radio/body_radio.html für die wichtigsten Rundfunksender in Deutschland wünschen. Vor einem Monat ist ein Riesenprojekt fertig geworden: „Ricky Dandel and Friends“. Da singe ich mit Weltstars wie Percy Sledge, Wanda Jackson, Aaron Neville und Freddy Fender Standardhits der Country- und Popmusik im Duett. Wann die CD auf den Markt kommt, steht noch nicht fest, sie hat aber schon ein gutes Echo in Amerika. Außerdem nehme ich gerade Songs für eine LP auf. Ich werde ich bleiben. Ein Künstler muss seinen Fingerabdruck haben, aber ich werde mich neuen Strömungen in der Musik nicht verschließen, solange ich mich damit identifizieren kann und will. Mein Motto ist und war Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Spontaneität. Wenn man mir die Musik nehmen würde, wäre ich nur noch ein halber Mensch. Viele meiner Fans aus meiner Teeniezeit in Siebenbürgen sind mir bis heute treu geblieben, aber genauso habe ich junge Fans, und wenn mir junge spontane Leute zujubeln, dann ist das ehrlich und eine Bestätigung, dass ich nicht zum alten Eisen gehöre. Es ist wie bei einer Geige: ihr Klang wird mit den Jahren immer besser. Aber man muss immer wissen, wo die Nase aufhört und darf sich nicht in Überheblichkeit wiegen, denn das ist der Anfang vom Ende.

Wir danken für das Gespräch, Herr Dandel.


Artikel über Ricky und Elvin Dandel:

Dandel im Doppelpack, Siebenbürgische Zeitung Online, 11. Juli 2002

Schlagwörter: Brukenthalschule, Musiker

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