31. Mai 2025

Fünftausend Mal „Über sieben Brücken musst du gehn“: Interview mit Bernd Römer von Karat

Karat, die Edelsteine des Deutschrocks, glänzen, glitzern und funkeln seit fünfzig Jahren. Auf ihrer Jubiläumstournee machten sie in der FILharmonie Filderstadt Station. Der Banater Journalist Helmut Heimann traf vor dem Konzert Bernd Römer (72) zum folgenden Gespräch. Der Gitarrist ist dienstältester Musiker der Gruppe, zu der er 1976, ein Jahr nach ihrer Gründung, stieß. Von der aktuellen Besetzung war er als Einziger 1978 und 1979 mit Karat auf Tournee in Rumänien, unter anderem in Schäßburg, Mediasch, Kronstadt, Temeswar sowie Arad.
Die Rockgruppe Karat bei ihrem Auftritt in der ...
Die Rockgruppe Karat bei ihrem Auftritt in der FILharmonie Filderstadt bei Stuttgart. Foto: Helmut Heimann
Hallo Bernd, schön, dass du dir Zeit fürs Interview genommen hast.
Sehr gerne.

Wie kam eure Tournee 1978 durch Rumänien zustande?
Das war, glaube ich, im Rahmen des Kulturaustausches innerhalb vom Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, kurz RGW genannt. Wir haben ja sehr oft, auch mit meiner Vorgängerband, in Bulgarien gespielt. Und Rumänien lag da natürlich auf der Hand, dass wir da auch hinkommen.

Wusstet ihr von den Rumäniendeutschen, weil ihr hauptsächlich in Gebieten mit Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben aufgetreten seid?
Es war uns natürlich bekannt, dass da ein deutschstämmiges Volk ist. Das war klar. Wir waren vierzehn Tage bei euch auf Tour.

Bernd Römer ist dienstältester Musiker der Gruppe ...
Bernd Römer ist dienstältester Musiker der Gruppe und seit 49 Jahren dabei. Foto: Helmut Heimann
Habt ihr Rumäniendeutsche getroffen?
Also, ich hatte so ein bisschen das Gefühl, dass man versucht hat, das nicht zuzulassen, es zu unterbinden. Ich kann mich auch entsinnen, dass die Auftrittsorte immer bewacht waren von Militär, was uns ja sehr unangenehm war. Weil wenn du als Band spielst, möchtest du natürlich nicht, dass da Soldaten mit einer Kalaschnikow stehen. Schade, dass man damals die Überwachung so gespürt hat.

Aus meinem Geburtsort Großjetscha im Banat waren fünf Landsleute bei eurem Konzert im Mai 1978 in der Temeswarer Olympiahalle, aus dem Nachbardorf Kleinjetscha ein Pärchen. Konntet ihr wenigstens außerhalb der bewachten Konzertsäle mit Banater Schwaben oder Siebenbürger Sachsen reden?
Nein. In Temeswar waren zwei unheimlich sympathische Jugendliche, die den Kontakt zu uns suchten und am Hotel warteten. Und ich habe damals auch so mitgekriegt, dass sie immer geguckt haben, ob irgendwo Miliz ist, dass sie nur ja nicht entdeckt werden, dass sie mit uns Kontakt aufnehmen. Aber die waren natürlich nur interessiert, mit uns zu quatschen.

Sind euch während der Tournee Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen Rumänien und der DDR aufgefallen?
Was man erstmal festgestellt hat, dass Rumänien eine ganz andere Folklore hat. Das ist ja alles schon Balkan. Und die Folklore, die hat’s uns sehr angetan. Also, die fanden wir auch irgendwie alltäglicher, als Folklore bei uns eine Rolle spielt. Der Unterschied war überall zu verspüren. Wenn wir durchs Land gefahren sind, wurde gefeiert. Unser Song „Gewitterregen“ ist übrigens sehr von der Balkanfolklore beeinflusst.

Von der rumänischen, da er vom Stil, Rhythmus und der Orchestration den Liedern der bekannten Temeswarer Rockgruppe Phoenix ähnelt, die sich aus der Folklore inspiriert hat?
Ja, ja.

War auf der Tour ein Aufpasser vonseiten der Behörden dabei?
Wir hatten damals einen Tourbegleiter, ich weiß nicht mehr, wie er hieß, von der Künstleragentur in Rumänien. Er sah aus wie Louis de Funès. Mit dem kamen wir sehr gut aus. Er war ein unheimlich pfiffiger Mensch. Das Gefühl, dass er auf uns aufgepasst hat, hatten wir nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass er nicht ohne Auftrag dabei war. Das kann ich mir gut vorstellen.

Gefiel es euch so gut, dass ihr ein Jahr später wieder nach Rumänien gekommen seid?
Ich glaube, dass beruhte auf Gegenseitigkeit. Weil das auch den Rumänen so gut gefallen hat, haben sie gesagt: Natürlich, Karat wollen wir gerne noch mal. Und ich weiß, beim zweiten Mal waren dann auch unsere Frauen mit, also auch meine Christiane. Wir waren gerade frisch verheiratet. Das war für uns fast wie eine Hochzeitsreise. Wir haben es so gesehen, obwohl ich zwar immer arbeiten musste.

Stimmt es, dass ihr im Gegensatz zum ersten Mal mit privaten Pkws 1979 nach Rumänien gefahren seid?
Ja, es stimmt. Das erste Mal sind wir geflogen und dann im Land mit dem Bus von Ort zu Ort gefahren. Das zweite Mal waren wir mit zwei Volvos da. Und zwar gab es in der DDR kurz vorher ein Wirtschaftsabkommen mit Schweden. Da haben die, glaube ich, tausend Volvos eingeführt. Einer unserer Manager hatte einen und unser Bassist Henning Protzmann, der ja auch mitgemanagt hat, ebenfalls. Zum größten Teil sind wir 1979 in den gleichen Städten aufgetreten wie ein Jahr vorher.

Gab es Gelegenheit für Ausflüge?
Ich kann mich entsinnen, wir waren irgendwo im Gebirge, in einem Skigebiet. Da sind wir hingefahren, einfach um das mal kennenzulernen. Das war so ein Ausflug innerhalb unserer Tour in der Nähe von Kronstadt. Ein beliebtes Urlaubsziel auch für viele DDR-Touristen. (Anmerkung des Autors: die Schulerau)

Karat wurde 1975 in Ostberlin gegründet, feiert ...
Karat wurde 1975 in Ostberlin gegründet, feiert 50. Jubiläum.
Habt ihr auf euren Tourneen in Rumänien „Über sieben Brücken musst du gehen“ gespielt?
Ja, auf jeden Fall.

Spürtet ihr, dass das ein Riesenhit werden könnte?
Wir wussten schon, dass das ein ganz tolles Lied ist und dass es sich auch in den Hitparaden ganz gut platzieren könnte. Aber wir hatten damals parallel noch einen Song, der war für uns eigentlich noch mehr der Favorit. Und zwar hieß dieser Song „König der Welt“. Der war auch ein ruhiges Lied, aber sehr rhythmisch mit einem coolen Groove. Und deswegen kam der bei den Leuten zuerst besser an. Als „Über sieben Brücken musst du gehen“ dann in den Medien stattgefunden hat, gab es den Durchbruch für diesen Song.

Wie oft hast du ihn in deinen 49 Jahren bei Karat gespielt?
Also, man sagt ja, dass wir ungefähr fünftausend Konzerte gemacht haben bis jetzt. Und da es einer der ersten Songs war, sage ich etwa fünftausend Mal. Ich bin auf jeden Fall der Musiker, der das Lied am meisten gespielt hat. Es gibt keinen, der „Über sieben Brücken musst du gehen“ öfters gespielt hat als ich. Es ist nach wie vor ein Lied, das aus innerster Seele kommt.

Bist du schon mal über sieben Brücken gegangen?
Die Band ist mindestens über sieben Brücken gegangen. Weil es gab für die Gruppe ja sehr viele Höhen und Tiefen. Historisch nach der Wende ging es absolut ins Tal, wo wir uns durchbeißen mussten. Und wie sich das nach drei, vier Jahren wieder erholt hat und wir wieder ganz gut im Rennen waren, gab’s den Schlaganfall von Herbert, unserem Sänger. Das war natürlich eine sehr schmerzhafte Erfahrung, wenn einem Kollegen so was passiert. Und da konnten wir natürlich, ich glaube ein knappes Jahr, nicht auftreten, bis er sich wieder einigermaßen erholt hatte. Und als er sich erholt hatte, vier, fünf Jahre später, bekam er dann die Krebsdiagnose, an der er verstorben ist, leider.

Kann „Über sieben Brücken musst du gehen“ als Hymne der Wiedervereinigung betrachtet werden?
Es hat symbolisch die beiden Länder Ost- und Westdeutschland dadurch miteinander verbunden, dass Peter Maffay es auch sehr, sehr, sehr bekanntgemacht hat.

Anfangs durftet ihr nicht im Westen auftreten, später ja. Wie ist die Kehrtwende zu erklären?
„Über sieben Brücken musst du gehen“ hat großen Anteil daran, dass ein Westmanager auf uns aufmerksam geworden ist, der dann bei unser Künstleragentur angefragt hat, ob er die Band in den Western holen kann. Dann hatten wir Ende 1979, kurz vor Weihnachten war das, den ersten kommerziellen Auftritt in Westberlin damals. Und von dann an haben wir uns so durch die Klubs durchgearbeitet, Hamburg, Hannover, die angesagten Klubs, peu à peu bis wir unseren Status immer mehr verbessert und dann die Hallen vollgemacht haben.

Gitarrist Bernd Römer im Gespräch mit Reporter ...
Gitarrist Bernd Römer im Gespräch mit Reporter Helmut Heimann. Foto: Adele Walther
Was bedeuten für dich fünfzig Jahre Karat?
Ich weiß gar nicht, wem ich dafür danken kann, dass mich fünfzig und wesentlich mehr Jahre diese Musik, praktisch mein ganzes Leben lang, begleitet hat, die mich mit dreizehn Jahren irgendwann mal angezündet hat, als ich Fan wurde durch die Beatles, Rolling Stones und alles, was so Mitte der 1960er-Jahre zu uns rüberkam über die Mauer. Und dass ich an unserer Musik an sehr vielen Punkten durch eigenes Zutun Anteil habe, das macht mich auch stolz.

Wie lange wollt ihr weitermachen?
So lange wir gesund bleiben. Genau an dem Tag, an dem die Gruppe das erste Mal vor fünfzig Jahren gespielt hat, kam unser 50-Jahre-Karat-Album „Hohe Himmel“ in Vinyl, also richtig als Schallplatte, auf den Markt. Wir spüren, dass die Tour auch dank sehr, sehr gut organisierter Medienarbeit von unserer Managerin unheimlich gut läuft, also gigantisch kann man sagen.

Habt ihr ein Erfolgsrezept?
Es ist natürlich so, dass logischerweise viele Ältere, die mit uns gealtert sind, in die Konzerte kommen. Das ist ganz normal. Aber wir stellen immer mehr fest, dass es junge Leute gibt, die die Songs mitsingen, die sich mit unserer Musik wirklich beschäftigt haben. Und ich kann mir das gut vorstellen, weil die allgemeine Szene ist im Moment nicht so gut. Da gibt's viele, viele Interpreten, die aber alle irgendwie gleich klingen. Und dank unserer Musik, die sehr, sehr zeitlos ist, haben wir heute immer noch, auch mit unseren alten Songs, so einen Zuspruch. Und wie gesagt, Gott sei Dank, bei sehr vielen jungen Leuten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Musiker, Karat

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