9. November 2001

Kultur - Gemeinschaft stiftend und Toleranz fördernd

Zwischen dem 6. und 21. Oktober bot ein reichhaltiges und vielseitiges Programmangebot der Öffentlichkeit im Großraum München Einblick in die siebenbürgisch-sächsische Kultur. Dr. Alexander Oltenau veranschaulichte die Landschaft, in der sich diese Kultur entwickelt hat, in einer audiovisuellen Show, bevor die Kulturtage in bester siebenbürgisch-sächsischer Tradition, zu der die enge Verbindung von Weltlichem und Geistig-Kirchlichem gehört, mit einem Abendmahlsgottesdienst in der Christuskirche ausklangen.
Die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage finden seit 1981 jährlich an wechselnden Orten beziehungsweise Regionen statt, und bieten ein Programm, das sich einerseits aus dem Potenzial der siebenbürgisch-sächsischen Kulturschaffenden und dem Potenzial an Gemeinsamkeit und Querverbindungen vor Ort ergibt, andererseits aus den Bedürfnissen der dortigen Öffentlichkeit. So gesehen darf es nicht verwundern, dass jedes Jahr andere Facetten oder zumindest andere Vertreter dieser Kultur präsentiert werden. Ein Kontinuum gab es allerdings bei den letzten drei Kulturtagen: die audio-visuelle Show „Transylvania Nostalgia“ von Alexander Oltenau.
Die Show wurde am 20. Oktober im Adalbert-Stifter-Saal des Sudetendeutschen Hauses gezeigt, der ideale Voraussetzungen dafür bot. Schade nur, dass nicht mehr Publikum anwesend war und der Einladung „zum Träumen und zur wehmütigen Rückkehr – im Geiste – in die Heimat“ (griechisch nóstos = Rückkehr in die Heimat, álgos = Schmerz), die Dr. Oltenau in seiner kurzen Einführung aussprach, gefolgt war. Dabei begleiteten den Zuschauer Musik von Enescu und Porumbescu, Verse von Franz Hodjak, Wolf von Aichelburg und Anna Schuller-Schullerus, die sich aufs glücklichste mit dem Visuellen verbanden. Ein Bild wuchs aus dem vorhergehenden, gewann an Kontur, um wieder im nächsten zu verblassen, damit dies Land Siebenbürgen und seine unterschiedlichen Bewohner in aller Schönheit wie Unvollkommenheit allmählich Kontur gewinnen konnten. Kontur gewinnen nicht nur für den Kenner, sondern auch für den Uneingeweihten, der sich dem Reiz der nur im Memento der wiederkehrenden Jahresringe eines Baumstamms inne haltenden Bilderflut nicht entziehen konnte: Landschaften und Ortschaften, einzelne Gebäude und Interieurs, Menschen und ihre mitunter archaisch anmutenden Alltags- oder Feiertagsbeschäftigungen, Alltags- und Kunstgegenstände, die genauso wie Haustiere oder Tiere in freier Natur zum Leben in Transsylvanien gehören. Ein unvergessliches Erlebnis, in dem der Dreiklang von Bild, Musik und Text ein Ganzes bildeten, das mehr war, als die Summe der Einzelteile, unwirklich schön und voller Poesie.

Gottesdienst zum Ausklang

Ihren Abschluss fanden die Kulturtage mit einem Abendmahlsgottesdienst in der Christuskirche am 21. Oktober. Pfarrer Michael Gross glückte in seiner Predigt die Verbindung zwischen Gottesdienst und Abschlussveranstaltung der Kulturtage nicht allein aufgrund siebenbürgisch-sächsischer Traditionen, zu der die enge Verbindung von Weltlichem und Geistig-Kirchlichem gehört, und die er als ehemaliger Bischofsvikar in Hermannstadt kennt. Auch der Predigttext – Johannes, 5, 1-16 – bot ihm dafür Ansatzpunkte. So wie Jesus am Teich Betesda einen Kranken, der 38 Jahre gelegen hatte, heilte und ihm die Rückkehr in die Gemeinschaft ermöglichte, so könne das auch Kultur und überlieferte Tradition. Aber so wie Jesus das Wunder der Heilung am Sabbat vollbracht hatte, so müsse auch Kultur immer wieder für Neues offen bleiben um nicht in Tradition und Dogma zu erstarren.
Der Gottesdienst wurde an der Orgel von Eckart Schlandt gestaltet, der nicht nur den Gesang der Gemeinde begleitete, sondern gewissermaßen als Ergänzung zu seinem Orgelkonzert (diese Zeitung berichtete) auch Georg Philipp Telemanns „Fantasie in F-Dur“ zu Gehör brachte. Es mag sein Dank dafür gewesen sein, dass auch die Kollekte des Gottesdienstes für die Restaurierung „seiner“ Buchholz-Orgel in der Schwarzen Kirche in Kronstadt bestimmt war.
Die Darreichung des Abendmahles, bei der die Anwesenden sich in zwei großen Kreisen zusammenfanden, konnte in seiner gemeinschaftsstiftenden Funktion als ein Sinnbild der Kulturtage insgesamt angesehen werden. Will man diese abschließend beurteilen, lassen sich kaum treffendere Worte finden, als jene, mit denen sich Erhard Graeff, Geschäftsführer der Landsmannschaft, im Gottesdienst an die Gemeinde wandte: „Unsere Kulturtage wurden trotz der Ereignisse vom 11. September durchgeführt. Sicherlich gab es im Kreise der Verantwortlichen ein gewisses Innehalten, ein Zaudern und auch die Überlegung das Ganze lieber sein zu lassen. Doch genauso, wie die Amerikaner sich von dem Schock erholten und bald Flagge zeigten, so haben wir mit den Veranstaltungen im übertragenen Sinne ebenfalls unser Fähnchen hochgehalten. Wir haben das hoch gehalten, was wir gerne vor uns tragen: unsere tiefe Verwurzelung in der siebenbürgisch-sächsischen Tradition, das Erbe unserer Vorväter. Und ein kleiner Querschnitt dieses Kulturerbes wurde während der vergangenen beiden Wochen dargeboten, für unsere Landsleute selbst, aber noch viel mehr für diejenigen, die uns freundschaftlich aufgenommen haben und Interesse an unserem Sein und Werden zeigen. Wenn über die Veranstaltungsreihe etwas von unserer Bereitschaft herübergekommen ist, die uns zugedachte Brückenfunktion zwischen Ost und West zu übernehmen und gemeinschaftlich etwas Positives auf die Beine zu stellen, wenn auch vor dem Hintergrund gerade der Ereignisse in Übersee erkannt wird, dass lediglich die von uns über Jahrhunderte gepflegte Toleranz sowohl in Glaubens- als auch in weltlichen Fragen Früchte tragen kann, haben wir mit diesen Veranstaltungen unser Ziel erreicht.“

Hans-Werner Schuster


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2001, Seite 5)

Schlagwörter: Kulturtage, Kulturtage 2001, Kulturprogramm, Kultur

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