Der Anfang war etwas zögerlich, 1993. Wir, die Jüngeren, erhofften uns seinerzeit, dass unsere Eltern eine solche „Nachbarschaft“ gründen würden nach dem Vorbild derer aus unserer Heimat. Doch nach einigen Gesprächen und Beratungen entschlossen wir uns, diese Nachbarschaft ins Leben zu rufen. Es ging uns um unsere Kinder, unsere Eltern – um uns alle. Zusammenführung, Tradition bewahren, Feiern, Hilfeleistung in Notfällen, ebenso bei Umzügen oder auch auf eigenen Baustellen. Da relativ viele Großpolder sich in Augsburg angesiedelt hatten, lag es auf der Hand, dass diese Nachbarschaft Bestand und Erfolg haben sollte. Und es war ein Erfolg, bis auf den heutigen Tag!

Im Vorfeld haben wir uns eigene Statuten aufgestellt. Name der Gemeinschaft, Anzahl der zu bestreitenden Termine im Jahresablauf und sonstige Formalitäten besprochen. Immer für jeweils ein Jahr werden zwei Paare, nach dem Alter und Möglichkeit, ins Amt berufen. Sie organisieren, sind für die Terminplanung zuständig, bereiten vor und bestimmen den Ablauf von Feiern und Veranstaltungen. Ebenso für die Kranzübergabe und Teilnahme aller Mitglieder im Falle einer Beerdigung aus der Reihe der Nachbarschaft oder unserer Eltern. Am 12. Dezember 1993 war es dann so weit. Als erste Altnachbarn wurden Hans-Andreas und Hanna Rieger gemeinsam mit den Jungaltnachbarn Michael und Luise Piringer gewählt. Musikanlage, Grill, Besteck, zwei Pavillons und sonstiges Inventar wurde angeschafft. Zum Auftakt wurde ein zünftiger Fasching gefeiert. Es folgte ein Grillfest im Sommer, weitere Termine und gemeinsam mit unseren Eltern die damals obligatorische Weihnachtsfeier mit unseren Eltern. Ein solcher Termin, bei dem unsere Eltern mit eingeladen werden, ist für die Nachbarschaft Pflicht, in jedem Jahr, genauso wie Fasching und Grillfest. Dazu kommt noch ein Termin, den das Amt bestimmt. Anfang Januar jeden Jahres findet die vorgeschriebene Amtsübergabe statt, mit Bericht, Rechnungsprüfung und Übergabe des Inventars.

1996 wurde uns eine alte ausrangierte Großpolder Schwesternschaftslade mit der Inschrift auf der Innenseite „Deitsche Schwester Schaft Lade 1858“ von Fam. Samuel Bartesch gespendet und von Johann Lederhilger aufwendig restauriert. Beide Familien sind Ehrenmitglieder der Nachbarschaft.

So wurden über die Jahre mehrere Faschingsfeiern organisiert, gemeinsame Hüttenwochenenden, Ausflüge, Kegelabende, Spielnachmittage und andere Veranstaltungen abgehalten. Irgendwann haben die Männer beschlossen, einen eigenen Männerabend zu organisieren,, den es nun schon seit mehr als zehn Jahren gibt. Zuhause, im Hobbyraum, im Schrebergarten wird gegrillt oder „Tokana“ gemacht, Wurst oder ein Hase gebraten. Es sind immer gesellige Abende. Indes haben sich die Frauen auch zu einem Frauenabend zusammengefunden; dabei gehen sie meistens in eine Wirtschaft zum Essen, Trinken, Ratschen und sich unterhalten. Diese Termine werden immer gerne wahrgenommen.

2003 wurde das 10-jährige Jubiläum gebührend mit einem Ball in Neusäß bei Augsburg gefeiert. Für diese Feier wurden ca. 200 Krapfen und mehrere Kuchen und Torten gebacken. Knapp 200 Personen feierten dieses Ereignis zur Musik unserer „Unterwalder“, Altnachbarn Hermann und Hanne Rieger mit den Jungaltnachbarn Hans-Gerhard Glatz und Andreas Kramer. Die Feier wurde ein toller Erfolg mit Gästen von nah und fern.

Weitere Mitglieder konnten über die Jahre für diese Gemeinschaft der Großpolder gewonnen werden. Ganz wenige sind ausgeschieden. Es wurden gemeinsam mit den Eltern Muttertage gefeiert, ebenso runde Geburtstage, und immer wieder gab es interessante Veranstaltungen. Wechselnde Großpolder Musikanten wie Hans Wolf, Samuel Nuß, Samuel Glatz, Michael Pitter oder Samuel Pitter trugen zur guten Laune der Gesellschaften bei. So wurde letztes Jahr ein Busausflug an den Chiemsee mit Schifffahrt und Besuch des Schlosses Herrenchiemsee organisiert.

Aktuell zählt die Nachbarschaft 27 Erwachsene und 17 Kinder; Altersspanne 1 bis 55 Jahre. Einige der damals 1993 noch kleinen Kindern sind mittlerweile erwachsen. Für Nachwuchs ist auch weiter gesorgt: zehn Kinder unter sieben Jahren. Wiederum andere Mitglieder sind inzwischen Oma und Opa geworden.

Für uns alle werden immer Spiele, Tänze und Überraschungen vorbereitet, Tombola für Klein und Groß. Alle bemühen sich, die Termine der Nachbarschaft wahrzunehmen, anzupacken, zu helfen, Kuchen zu backen und für die Gemeinschaft da zu sein. Am 26. Januar 2013 fand der jährliche Fasching statt, zum Auftakt des 20. Jubiläumsjahres. Die Altnachbarn Christian und Heidi Sonnleitner und Jungaltnachbarin Hildegard Schubert(geb. Schunn) hatten eingeladen. Es kamen 39 Erwachsene und 28 Kinder, kleine und große Maskierte (Pflicht!) und feierten bis spät in die Nacht. Bei Kaffee und einer großen Auswahl an Kuchen, später Brötchen, „Weinsuppe“ und anderen Leckereien ließ es sich gut feiern. Das Amt hat keine Mühe gescheut für dieses Fest. Gemeinsam mit Freunden aus Stuttgart, Nürnberg, München und aus Österreich feierte die 1. Großpolder Nachbarschaft in Augsburg.

Ein Hüttenwochenende Anfang Mai und der Silvesterball 2013 sind schon fest gebuchte Termine. Vielleicht ein Ausflug? Wir überlassen es Christian, Heidi und Hildegard, womit sie uns sonst noch überraschen werden. Auch wenn es ein paar wenige Stimmen gibt, die behaupten, solch eine Gemeinschaft sei nicht mehr zeitgemäß, so sind doch die meisten dafür, dass es weitergeht, da sie diese Gemeinschaft auch in Zukunft nicht missen wollen. Auf die nächsten 20 Jahre! Es lebe die „1. Großpolder Nachbarschaft in Augsburg“!

Georg Kramer