11. September 2025

„Denn um seines Namens Willen sind sie ausgezogen ...“

Legt man diese Worte aus dem 3. Brief des Johannes wie ein Portfolio an, wird man überrascht von der langen und tiefen Geschichte der österreichischen „Exulanten“, die über die Jahrhunderte in der Weltgeschichte kaum zu finden ist. Sie berührt in besonderem Maß Siebenbürgen, wohin ab 1734 im Zuge der Gegenreformation aus dem Salzkammergut, später dann auch aus der Steiermark und Kärnten wegen ihres lutherischen Glaubens „Transmigranten“ deportiert und in siebenbürgischen Ortschaften angesiedelt worden sind.
Superintendent Wolfgang Rehner predigt im ...
Superintendent Wolfgang Rehner predigt im Regelgottesdienst von St. Anna in Augsburg, wo die Interessenten an der Veranstaltung „Exulanten – Augsburg – Unsere Landler. Mit dem Glauben im Gepäck“ die zuhörende Gemeinde vervielfachen. Foto: Horst Lassner
In Neppendorf, Großau und Großpold haben die Nachkommen dieser Menschen sich als „Landler“ in ihrer altösterreichischen Mundart und ihrer Tracht, als ein Ausdruck ihrer Identität, erhalten können.

Die Veranstaltung der Kreisgruppe Augsburg am 27. Juli „Exulanten – Augsburg – unsere Landler. Mit dem Glauben im Gepäck“ verbindet die Geschichte der neuen mit jener der alten Heimat. Sie verbindet die Geschichte der Landler „Transmigranten“, von deren Nachkommen recht viele in Augsburg Heimat gefunden haben, und jener der Salzburger „Exulanten“.

Doris Hutter, Kulturreferentin im Landesverband Bayern des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, brachte Anfang November 2024 die Idee eines Projektes in Zusammenarbeit mit der evangelischen St.-Anna-Kirche Augsburg ins Gespräch. Zusammen mit Helmut Schwarz (Vorsitzender der Kreisgruppe Augsburg), Ulrike Lassner (Kulturreferentin der Kreisgruppe), Christa Wandschneider und Robert Sonnleitner (beide aus Großpold stammend und mit langjähriger Verbandstätigkeit) bekam das Projekt Form. Ulrike Lassner knüpfte erste Kontakte, arbeitete sich in die Thematik ein und übernahm die Koordination und Ausführung.

Als Projektpartner konnten das Dekanat Augsburg, das Pfarramt St. Anna, Mag. Wolfgang Rehner, Superintendent der Steiermark, der Historiker Dr. Konrad Gündisch sowie Kathi und Martin Scheiber gewonnen werden. Unterstützung boten die Kreisgruppe Augsburg sowie die Heimatortsgemeinschaften Neppendorf, Groß-au und Großpold.

Mit einem festlichen Gottesdienst in der Evangelisch-Lutherischen St.-Anna-Kirche wurde die Veranstaltung „Exulanten – Augsburg – Unsere Landler“ eröffnet. Die liturgische Leitung übernahm Dekan Frank Kreiselmeier, die Predigt hielt Superintendent Wolfgang Rehner. In seiner Predigt zum Taufsonntag setzte er die Taufe als den Anfang des Weges mit Gott. Die Taufe sei nichts Abgeschlossenes, sie ist ein Heranwachsen im Glauben, ein Frommwerden, nicht ein Frommsein.

Einige Gottesdienstbesucher kamen in der landlerischen Festtracht, wie sie in Großpold, Neppendorf und Großau getragen wird. Bereits im Gottesdienst konnten, zur großen Freude der Veranstalter, Augsburgs dritter Bürgermeister Bernd Kränzle und Sozialreferent Martin Schenkelberg begrüßt werden. Als Stellvertreter von Oberbürgermeisterin Eva Weber zeigte er großes Interesse an dem Thema der Veranstaltung und kam mit den anderen, insbesondere jüngeren Teilnehmern, ins Gespräch.

Kathi und Martin Scheiber nahmen uns mit in die ...
Kathi und Martin Scheiber nahmen uns mit in die Berge, unter die Linde, ja sogar ans Bett des einschlafenden Kindes, mit ihren gefühlvoll gesungenen, überlieferten, aber auch neukomponierten Liedern. Foto: Horst Lassner
Auf dieser Reise in die Geschichte der österreichischen Protestanten und Geheimprotestanten, die durch die gegenreformatorischen Maßnahmen im Salzburgischen, in der Steiermark und Kärnten begann und in Augsburg, Preußen, Georgia/USA und Siebenbürgen ihre Fortsetzung fand, nahm zunächst Dekan Frank Kreiselmeier bei der themenbezogenen Führung durch St. Anna seine Zuhörer in den Bann. Er ließ die Ankunft der Exulanten und die Geschichte Augsburgs in ihrem Ringen um ein Miteinander der Konfessionen lebendig werden. Die erstaunlichen Bemühungen des damaligen Pfarrers Samuel Urlsperger um die Glaubensbrüder und -schwestern, die im Zeitraum 26. Dezember 1731 bis 11. August 1732 in insgesamt elf Zügen mit 6116 Exulanten bis vor die Tore Augsburgs kamen, zeugen von seiner ausgesprochenen guten Vernetzung in ganz Europa und sogar in Übersee, wohin er die Glaubensflüchtlinge vermitteln konnte. Dekan Kreiselmeier berichtete, dass den Exulanten der Einzug in die Stadt verwehrt wurde und sie sich vor den Toren Augsburgs niederlassen mussten. Pfarrer Urlsperger sammelte Spenden für die Menschen, erteilte Unterricht und predigte in dem Lager. Mit seiner Einladung zu einem großen Festgottesdienst am 14. Juni 1732, zu dem die Exulanten in einem langen Zug durch die Stadt zur St.-Anna-Kirche zogen, gelang es Pfarrer Urlsperger, die Bestimmungen der Stadtväter elegant zu umgehen und in der Kirche einen gemeinsamen Gottesdienst zu feiern. Magister Rehner ergänzte in seiner Predigt, „bei Beginn des Gottesdienstes standen an den Eingangstüren der St.-Anna-Kirche aus Gründen der Vorsicht Soldaten zur Gewährung einer ordentlichen Platznahme in der Kirche. Über tausend Salzburger Emigranten und Emigrantinnen sowie die örtliche Gemeinde nahmen an dem Gottesdienst teil.“

Als eine kurze kulinarische Unterbrechung zwischen den Themenbereichen erwartete die Teilnehmer zur Mittagszeit ein für das Auge und den Gaumen beeindruckendes Büfett, kreiert von dem Team um Kerstin Glatz. „Bitte“ und „Danke“ sind die magischen Worte, die ein Lächeln auf jedes Gesicht zaubern. Herzlichen Dank an dieser Stelle allen, die zum Gelingen vor und hinter den Kulissen beigetragen haben.

In einem interaktiven Gespräch führten anschließend Superintendent Mag. Wolfgang Rehner und Dr. Konrad Gündisch zunächst geschichtlich vom Augsburger Religionsfrieden 1555 zur ­Gegenreformation in Österreich, von Gebetsbüchern und Bibeln auf Schmugglerwegen wieder auf die Reise der Exulanten durch ganz Europa. Insbesondere beleuchteten sie die als „Transmigration“ getarnte Zwangsdeportation ab 1734 aus den habsburgischen Erblanden nach Siebenbürgen. Sie berichteten über das Ankommen, die Umstände der Verteilung auf die siebenbürgischen Dörfer und die Schwierigkeiten, die sich im Zusammenleben mit den bereits in gefestigten und organisierten Dorfgemeinschaften lebenden Siebenbürger Sachsen ergaben.

Anhand einer sogenannten Fürstenbibel, die 1641 in Weimar gedruckt, in das Salzkammergut geschmuggelt und um 1760 von den Deportierten nach Siebenbürgen mitgenommen wurde, zeigten die beiden Referenten die Glaubensstärke und Solidarität der evangelischen Glaubensbrüder aus dem Römisch-Deutschen Reich auf.

Musikalisch wurde die Reise durch Katharina und Martin Scheiber mit feinsinnigen landlerischen Liedern bereichert, die an das reiche Kulturerbe der aus Österreich vertriebenen Glaubensflüchtlinge erinnerten. Ihre sanften Melodien berührten die Herzen der Zuhörer und schlugen eine emotionale Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Bei feinstem traditionellem Gebäck aus Neppendorf, Großau und Großpold, einer Tasse Kaffee oder einem kühlen Glas „Landler Wein“ der Domeniul-Apoldium-Kellerei aus Großpold konnte der Nachmittag bei lockerem Austausch fortgesetzt werden.

Die umfangreiche Puppenausstellung von Johanna Aner, geborene Feyri (1932-2024), durfte aus nächster Nähe bewundert werden. Sie zeigte die Vielfalt der landlerischen Großpolder Alltags- und Festtagstracht in all ihren Variationen. Ein gut sortierter Büchertisch zum Thema, initiiert von Anne Eder, bot Anlass für manch guten Austausch unter den Teilnehmern.

In Rahmen dieser vom Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e.V. und dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales geförderten kulturellen Veranstaltung ist es möglich geworden, durch bewusste Erinnerung Brücken zu schlagen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Augsburg hat in seiner Geschichte in besonderer Weise dreihundert Jahre später erneut Menschen (dieses Mal aus Siebenbürgen kommend) Einkehr und Heimat ermöglicht. Desgleichen wurde ein Bezug zur Aufnahme von Asylanten in Augsburg und in der Steiermark hergestellt.

„Kirche ist Heimat!“ Die Worte von Dekan Kreiselmeier zu Beginn des Gottesdienstes sind Einladung und Zuspruch!

Link zur Online-Bildergalerie: www.siebenbuerger.de/go/951U

Dagmar Baatz

Schlagwörter: Augsburg, Landler, Gottesdienst

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