20. April 2012

Mit offenen Augen auf den Nächsten zugehen

Seit Herbst 2009 dient der junge Pfarrer Andreas Hartig (Jahrgang 1982) als Seelsorger der Evangelischen Kirchengemeinden A.B. Zeiden und Heldsdorf. Er stammt aus Bistritz und hat in Hermannstadt das Theologiestudium und das Vikariat abgeschlossen. In den beiden Burzenländer Gemeinden, die er seit zweieinhalb Jahren betreut, sieht er ein vielversprechendes Potenzial: Zeiden ist mit 443 Seelen die sechstgrößte Kirchengemeinde der Landeskirche und die drittgrößte des Kronstädter Kirchenbezirks, Heldsdorf zählt 139 Seelen. Mit den elf Konfirmanden (zehn in Zeiden und einem in Heldsdorf) am Palmsonntag entsteht auch Hoffnung auf Zukunft. Einen Einblick in die Arbeit des Pfarrers erhielt für die Siebenbürgische Zeitung Korrespondentin Christine Chiriac.
Wie kam es zu dem Entschluss, Pfarrer zu werden?
Es war ein längerer Prozess. In Bistritz habe ich lange Zeit in der Jugendarbeit mitgemacht. Irgendwann hat man mich gefragt, ob ich als Akkordeon- und Klavierspieler mir vorstellen könnte, den Sonntagsgottesdienst auf der Orgel zu begleiten. So engagierte ich mich immer mehr im Gemeindeleben. Pfarrerin Birgit Hamrich machte mich auf das Theologiestudium aufmerksam, und ich habe diese Chance wahrgenommen, zunächst weniger aus innerer als aus äußerer Berufung.

Haben Sie seither daran gedacht, beruflich doch etwas anderes zu machen?
Nein. Obwohl es andere Berufe gibt, wo man finanziell viel besser abgesichert ist, hält mich irgendetwas fest. Man lernt mit der Zeit die Situation der Menschen in der eigenen Kirche kennen, entwickelt Verantwortung für jene, die noch da sind, und für das, was hier noch möglich ist. Was wäre, wenn wir alle nur die leichteren Aufgaben auf uns nehmen würden? Deswegen habe ich mich entschieden, den Weg weiter zu gehen.

Seit zweieinhalb Jahren betreut Pfarrer Andreas ...
Seit zweieinhalb Jahren betreut Pfarrer Andreas Hartig die Kirchengemeinden Zeiden und Heldsdorf. Foto: privat
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Mir gibt die Verwaltung am meisten zu tun. Früher gab es Nachbarschaften oder mehr Gemeindeglieder, die sich fachlich gut auskannten und für verschiedene Aufgaben Verantwortung übernahmen. Heutzutage hat man diese Strukturen leider nicht mehr, dafür aber seit der Wende viel mehr Besitz: Schulen, Kindergärten, Grundstücke, eigene Räumlichkeiten. Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten, mit dem Bürgermeisteramt oder den Mietern zu verhandeln, Klarheit in den Zahlen und Ziffern zu schaffen, vor allem wenn man kein großer Fan der Mathematik ist. Als Pfarrer wird man im Studium nicht als Manager ausgebildet und lernt auch nicht, was ein Vertrag zu beinhalten hat. Auf einmal sieht man sich aber damit konfrontiert. Man kann nur hoffen, dass man keinen Fehler macht. Es ist auch deshalb wichtig, sich durch Gespräche mit der Gemeinde und dem Presbyterium abzusichern, Fachleute heranzuziehen, Anwälte und Notare aufzusuchen. So lernt man dazu. Man würde sich manchmal vielleicht doch wünschen, mehr Zeit für die Vorbereitung der Predigt, für den Religionsunterricht, für Hausbesuche oder Jugendprojekte zu haben.

Wie verläuft diese „andere“ Arbeit?
Die Herausforderung besteht darin, das Potenzial der Gemeinden heranzuziehen, die Menschen für die Gemeindearbeit zu begeistern. Man hat viel mit älteren Menschen zu tun, die Jüngeren sind selbst sehr beschäftigt, die ganz Jungen kommen zum Teil aus einem anderen konfessionellen Hintergrund. Sie haben nicht mehr den gleichen Bezug zur Kirchengemeinde wie die früheren Generationen, die in diesen Glauben hineingeboren wurden, mit ihm aufgewachsen sind, die Traditionen von klein auf gepflegt haben. Die heutige junge Generation kennt das alles nicht. Man muss viel Zeit investieren, um sie mit den Grundsätzen vertraut zu machen, letztendlich auch was die Konfirmation angeht. Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Jugendliche die Konfirmation als eine Klubmitgliedschaft betrachten, die man aufgibt, wenn man keinen Spaß mehr daran hat. Sie müssen erst lernen, sich mit dem Glauben, der Kirche und den Traditionen zu identifizieren.

Wie begeistert man sie?
Das ist die Frage! Man denkt sich verschiedene Aufgaben, Projekte, Veranstaltungen aus, man eröffnet neue Möglichkeiten und schaut auf die Reaktionen der Leute. Manche begeistern sich mehr, andere weniger. Im Sommer haben wir zum Beispiel das Projekt „Offene Kirchenburg“ ins Leben gerufen: So tun die Jugendlichen auch in den Ferien etwas Sinnvolles für ihre Gemeinde, während Touristen und Zeidner die Gelegenheit erhalten, die Kirchenburg zu entdecken. Einmal im Monat organisieren wir den „Kirchentee“ oder „Kirchenkaffee“ nach dem Sonntagsgottesdienst. Die Jugendlichen kommen schon um neun Uhr ins Pfarramt, bereiten Tee und Kaffee vor, sind im Gottesdienst dabei und bedienen anschließend die Gemeindeglieder. Es ist mir sehr wichtig, dass zwischen der jungen und der älteren Generation Kontakte geknüpft werden. Deswegen haben wir uns auch bei der Organisation des Faschingsfestes und der Zeidner Begegnung impliziert. Viele andere Projekte sind mit großzügiger Hilfe von außen möglich.

Wer unterstützt die Kirchengemeinde?
Beim Verfassen des Rechenschaftsberichts wurde mir klar, wie viel Hilfe wir erhalten haben. 2010 konnten wir eine neue Heizung in der Schule einbauen – dafür stellte uns unser Partnerkirchenkreis Oberes Havelland knappe 30000 Euro zur Verfügung. Auch die Zeidner Nachbarschaft aus Deutschland unterstützt uns regelmäßig, sei es bei den Arbeiten am Friedhof, bei dem Projekt Essen auf Rädern, bei der Restaurierung unserer Orgel oder bei der Weihnachtsbescherung. Wir haben zudem eine gute Beziehung zur Deutschen Botschaft in Bukarest aufbauen können, die nun unsere Zeidner Konzertreihe fördert. Hinzu kommen private Sponsoren. So viel Engagement ist nicht selbstverständlich, vor allem in Krisenzeiten. Auch im Vergleich zu anderen Gemeinden in unserer Landeskirche kann man sich in Zeiden glücklich schätzen. Das muss man schätzen lernen, dafür muss man dankbar sein.

Wie sehen Ihre Pläne aus?
Im Mai wird sich die Zeidner Jugendgruppe am Evangelischen Jugendtag in Kleinschelken beteiligen und dort das Jugendcafé betreiben. Eine wichtige Aufgabe, die ich mir für dieses Jahr vorgenommen habe – oder an der ich weiter arbeiten werde – ist, die Verwaltung in Ordnung zu bringen. Wir möchten zusätzlich die Kirchenburg durch verschiedene Baumaßnahmen sichern: In den letzten Jahren haben wir das Dach der Ringmauer sichergestellt, nun ist die Erneuerung der Elektrik in der ganzen Kirchenburg eine wichtige Priorität. Hinzu kommen die laufenden Reparaturen, die man immer durchführen muss, wenn man Immobilien verwaltet.

Haben Sie einen Lieblings-Bibelvers?
Vielleicht nicht einen Lieblingsvers, auf jeden Fall aber einen, der Kraft gibt. Ich denke an die Jahreslosung für 2012– „Jesus Christus spricht: ‚Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig’“ (2. Korinther 12,9). Es ist ein hoffnungsvolles Wort auch für unsere Gemeinden. Wir sind weniger geworden, umso mehr können wir für einander da sein, umso mehr sind wir gefragt, einander beizustehen. Wir sollten die positive Seite betrachten, ein wenig von unserem Ego und vielleicht den manchmal falschen Stolz weglassen, dankbar sein, für das Wohl der Gemeinschaft sorgen, zusammenhalten. Wir sollten mit offenen Augen auf den Nächsten zugehen – so können wir sehr viel erreichen, auch wenn unsere Zahl zurückgeht.

Schlagwörter: Pfarrer, Zeiden, Burzenland, Kirche und Heimat

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