3. Mai 2014

Die siebenbürgisch-sächsische Kultur am Leben erhalten: Interview mit Hans-Werner Schuster

Hans-Werner Schuster wurde am 22. April 1954 in Hermannstadt geboren. Das Studium der Geschichte Ost- und Südosteuropas, der Kunstgeschichte und Mittelalterlichen Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München beendete er 1986 mit einer Magisterarbeit zum Thema „Die Siebenbürger Sachsen in der Waffen-SS“. Seit 1982 wirkte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ungarischen Instituts, der Universität und dem Südostdeutschen Kulturwerk in München, bevor er 1994 Bundeskulturreferent des landsmannschaftlichen Verbandes wurde. Er ist Autor zahlreicher Publikationen über siebenbürgische Künstler, Mundart, die Russlanddeportation und Geschichte des Verbandes der Siebenbürger Sachsen. Statt einer Würdigung des 60-jährigen Jubilars Hans-Werner Schuster führte Siegbert Bruss mit ihm das folgende Werkstattgespräch.
Du bist ein gebürtiger Hermannstädter, hast 1973 das Brukenthal-Gymnasium absolviert und hast bis zur Ausreise nach Deutschland (1976) in deiner Heimatstadt Deutsch und Geschichte studiert. Was hat deine siebenbürgisch-sächsische Identität am stärksten geprägt?

Das kann ich nicht so eindeutig benennen. Gehörigen Anteil daran hat sicher die Familie bzw. die Großfamilie mit Großeltern und vielen weiteren Angehörigen in Marpod und Agnetheln, den Heimatorten meiner Eltern. Daneben haben die Lehrer, insbesondere jene an der Brukenthalschule, prägend gewirkt und zu einem gewissen Teil auch die evangelische Kirche. Eindeutig kann ich das benennen, was mir die siebenbürgisch-sächsische Identität bewusst gemacht hat. Es war die Ausreise bzw. die unmittelbare Zeit danach. Die damit verbundenen Verluste haben mir in Verbindung mit der neuen Umgebung und neuen Lebensbedingungen meine siebenbürgisch-sächsische Identität bewusst gemacht. Dadurch erst und in dem danach einsetzenden Prozess der Reflexion und Auseinandersetzung mit Siebenbürgen und dem Siebenbürgisch-Sächsischen habe ich mir unsere Geschichte und Kultur in vielen ihrer Facetten angeeignet.

Hans-Werner Schuster vor seinem neuesten Roll-Up. ...
Hans-Werner Schuster vor seinem neuesten Roll-Up. Foto: Siegbert Bruss
Seit 20 Jahren bist du Bundeskulturreferent des Verbandes. Welche Ziele verfolgst du dabei?

Die Ziele gibt die Satzung des Verbandes vor. Für mich war und ist das wichtigste Ziel, die siebenbürgisch-sächsische Kultur in all ihrer Vielfalt und ihrem Reichtum lebendig zu erhalten. Das war einer der Gründe, weshalb ich mich 1994 für die Kulturreferentenstelle beworben hatte. Denn meine vorherige wissenschaftliche Beschäf­tigung mit Siebenbürgen und den Siebenbürger Sachsen hatte mich zu der Einsicht geführt, dass dadurch allein das Weiterbestehen siebenbürgisch-sächsischer Kultur nicht gewährleistet wird und auch nicht dem Ende dieser Kultur begegnet werden kann. Immerhin kann sie aber dadurch vor dem Vergessen bewahrt werden. Da aber eine Kultur nicht das Produkt einer Einzelperson ist, sondern sich allmählich entwickelt hat und dank der Pflege einer durch sie verbundenen Gruppe von Menschen bewahrt und weiterentwickelt wird, ist das zweite Ziel, das es zu verfolgen gilt, die Stärkung unserer Gemeinschaft – über alle Grenzen hinweg.

Welche Wege und Mittel kann der Verband einsetzen, um die siebenbürgisch-sächsische Kultur möglichst lange am Leben zu erhalten?

Wir fördern die Pflege dieser Kultur, und das heißt in erster Linie, dass die Kulturgruppen und Kulturschaffenden gefördert werden. Dabei ist Förderung nicht auf finanzielle Förderung zu reduzieren, die aber selbstverständlich auch geleis­tet wird. Der Verband hat diesbezüglich Vorsorge getragen und Regelungen für eine finanzielle Grundsicherung der Kulturarbeit gefunden. Zusätzlich setzen wir uns dafür ein, Fördergelder der öffentlichen Hand sowie Mittel von Kooperationspartnern einzuwerben. Ebenso wichtig sind die weiteren Unterstützungsmaßnahmen, die wir leisten. Am wichtigsten ist das strukturelle Netzwerk, das der Verband mit seinen Gliederungen bietet. Damit erhalten die Kulturgruppen und Kulturschaffenden nicht nur ein Podium, um siebenbürgisch-sächsische Kultur der Öffentlichkeit zu präsentieren, sondern es wird auch Erfahrungsaustausch und gegenseitiges Befruchen ermöglicht, die für eine lebendige und sich entwickelnde Kultur unabdingbar sind. Ähnlich wichtig ist die Öffentlichkeitsarbeit, die insbesondere über die Siebenbürgische Zeitung und auf www.siebenbuerger.de geleistet wird. Nicht zuletzt bieten wir Materialien, Handreichungen und auch Seminare, um Kenntnisse und Fähigkeiten – insbesondere bei den Leitern der Kulturgruppen – zu verbessern.

Welche Probleme stehen dem Erreichen dieser Ziele zunächst im Wege?

Zum einen gibt es das quantitative Problem, das sich gegenüber früheren Zeiten – schon im 19. Jahrhundert sprach man vom „Völkchen“, das in seiner Existenz gefährdet war – verschärft hat. Jetzt mag man einwenden, dass es nach wie vor rund 250000 Siebenbürger Sachsen gibt. Das stimmt. Allerdings gibt es viele darunter, denen es vollkommen reicht, als „Deutsche unter Deutschen zu leben“, und die die siebenbürgisch-sächsische Spielart deutscher Kultur aufgeben.
Verschärft wird dieses quantitative Problem noch dadurch, dass unsere Landsleute weit verstreut leben und es nur wenige siebenbürgisch-sächsische „Ballungszentren“ gibt. Daraus resul­tieren all die anderen Probleme. So ist nicht nur jede kulturelle Arbeit erschwert und mit Mehrkosten belastet. Bedenklicher ist die Tatsache, dass dadurch der für uns so typische starke ­Zusammenhalt und das ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl leiden.
Zumindest erwähnen will ich auch das Raum- und Personalproblem. Der größte Teil unserer Gliederungen hat immer noch keine Vereinsräume, was sich auf das Gemeinschaftsleben wie auf die Kulturpflege negativ auswirkt. Ebenso bringt sich der größte Teil unserer Elite immer weniger aktiv in die Kulturarbeit des Verbandes und seiner Gliederungen ein.

Über die Geschichte des Verbandes der Siebenbürger Sachsen hast du zwei Publikationen zum 50- und 60-jährigen Bestehen veröffentlicht. Im Juni wird der Verband 65 Jahre alt. Welche Stärken hat der Verband im Laufe seiner Geschichte gezeigt, die auch in die Zukunft weisen?

Der Verband ist 1949 aus der Not heraus geboren worden, als Antwort auf Umstände und Realitäten, denen sich unsere Landsleute ausgesetzt sahen. Diese Erdung und pragmatische Haltung hat er sich über 65 Jahre hinweg bewahrt und dank ihnen wird er auch in Zukunft unverzichtbar bleiben. Der Verband hat auch die jeweils adäquaten Instrumente zum Artikulieren und Durchsetzen der Interessen seiner Mitglieder geschaffen, seien das die Siebenbürgische Zeitung oder später die unterschiedlichen Online- und sozialen Plattformen. Auch diese Fähigkeit macht uns zukunftsfähig. Von Anfang an hat sich der Verband offen gezeigt und hatte auch keine Berührungsängste. Er ist nicht nur auf Gleichgesinnte zugegangen und hat nicht nur Verbündete und Mitstreiter gesucht. Er hat von Anfang an alles unternommen, um die Lage der Siebenbürger Sachsen und ihrer Kultur zu verbessern und hat aus diesem Grunde sogar mit dem kommunistischen Regime Kontakt aufgenommen. Auch diese Offenheit gilt es zu bewahren, um auf die sich ändernde Umwelt reagieren und sich an zukünftige Entwicklungen anpassen zu können. Nicht zuletzt ist es dem Verband gelungen, die Tradition der Selbstverwaltung, die sich dank jahrhundertelanger Autonomie entwickelt hat, weiterzuführen. Auch diese Fähigkeit macht uns zukunftsfähig.

An welchen Projekten arbeitest du zurzeit?

Zurzeit stehen der Heimattag in Dinkelsbühl sowie Gedenkveranstaltungen zum 70. Jahrestag von Evakuierung und Flucht aus Siebenbürgen 1944 im Vordergrund. Mittelfristig ist eine Buchpublikation über die Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises sowie eine Wanderausstellung über die Siebenbürger Sachsen ins Auge gefasst. Ersteres idealerweise für 2016 oder 2017, wenn der 75. Preisträger geehrt wird.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!

Schlagwörter: Verbandsleben, Kultur

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  • 03.05.2014, 09:02 Uhr von bankban: "wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ungarn-Institut" gemeint ist vermutlich das Ungarische ... [weiter]

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