29. Juni 2025

Die Siebenbürgische Zeitung, ein Kulturmagazin

Ein Fragezeichen hinter dem Titel hätte jeden erstaunt, der die Satzung des Herausgebers, des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., kennt. Denn in § 2: Zweck und Grundsätze des Vereins heißt es schon im 1. Satz: „Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. ist ein ideeller Verein zum Zweck der Förderung der Fürsorge für die Siebenbürger Sachsen und ihrer kulturellen und sozialen Belange“ und im 2. Satz: „Zweck des Vereins ist die Förderung der Heimatpflege und Heimatkunde“.
Eine ganzseitige Fotoseite widmet die ...
Eine ganzseitige Fotoseite widmet die Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 1970 dem 20. Heimattag, an dem Bundeskanzler Willy Brandt teilnimmt – einmalig bisher – und an dem der Siebenbürgisch-sächsische Kulturpreis an Dr. Hermann Oberth erstmals öffentlich verliehen wird.
War das aber schon immer so? Gab es in den Anfangsjahren und noch lange danach nicht viel drängendere Sorgen und Aufgaben? Tatsächlich sprechen in der Nummer 1 der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ) weder der Vorsitzende Fritz Heinz Reimesch in seinem Geleitwort „Im Dienste der Gemeinschaft“ noch Hans Otto Bolesch in seinem Leitartikel „Siebenbürgische Zeitung“ kulturelle Themen an. In der Satzung des herausgebenden Verbandes sind sie aber sehr wohl präsent.

Hand in Hand von Anfang an: Zeitung und Kultur

Erst ein Jahr bevor im Juni 1950 die Nummer 1 der Siebenbürgischen Zeitung erschien, war in der Himmelreichstraße 3 in München der herausgebende „Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.“ gegründet worden. Dessen Satzung führt unter „Zweck und Aufgaben des Vereins“ in Punkt c) an: „Sammlung, Pflege und Förderung heimatlichen Kulturgutes durch besondere Veranstaltungen, Vorträge und Veröffentlichungen in Presse, Rundfunk und eigenen Mitteilungsblättern.“ Hier finden wir schon die Verbindung von Siebenbürgischer Zeitung und Kultur. Schlägt sich das aber auch in der Siebenbürgischen Zeitung nieder? Schon in der Nummer 1 finden wir auf Seite 3 den Beitrag „Unsere kulturelle Aufgabe in Deutschland“. Darin schreibt der Verfasser Dr. Wilhelm Bruckner, es gelte, „die kulturellen Werte der Heimat zu pflegen: Mundart, Volkslied und Dichtung und darüber hinaus den Einheimischen, die zum großen Teil sehr wenig von uns wissen, nahezubringen. Der ,Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland‘ will nach besten Kräften alle Unternehmungen, die siebenbürgisch-sächsische Kultur zu pflegen, unterstützen.“ Flankiert von einer Abbildung, kurzweiligen Schnurren von Heinrich Zillich und Misch Orendt sowie Zitaten von August Ludwig Schlözer über die Siebenbürger Sachsen ist diese Seite 3 gewissermaßen das Feuilleton der vierseitigen Startnummer. Allerdings bleibt das die Ausnahme, auch wenn kulturelle Beiträge weiterhin mindestens ein Viertel des Gesamtumfangs abdecken – auf vier Seiten verstreut. Erst in Nr. 13 vom 31. August 1971 werden solche Beiträge auf Seite 3 der damals 8-seitigen Auflage wieder zusammengefasst, unter dem Titel „Kulturspiegel“ mit eigenem Seitenkopf. Ab 1972 wird auch im „Kulturspiegel“ angegeben – auf Seite 3 oder auch auf Seite 3-4. Aber wie schon in früheren Ausgaben findet man auch außerhalb des Kulturspiegels Beiträge zu siebenbürgisch-sächsischer Kultur: Sprache und Mundart, Abbildungen von Kunst- oder Volkskunstwerken, die nicht nur der Bebilderung der Seiten, sondern auch der Kenntnis unseres Kulturerbes dienen, Würdigung von oder Nachrufe auf Persönlichkeiten des Kulturlebens, Kritiken und Rezensionen, Beiträge zu Kulturgruppen und Kultureinrichtungen, zu Aufführungen und Ausstellungen, zu historischen Ereignissen und ... Berichte mit kulturellem Inhalt findet man auch unter den Nachrichten aus Siebenbürgen, auf der Seite der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich und unter den Berichten aus dem landsmannschaftlichen Leben.

Zusammengefasst machen sie immer mindestens ein Viertel des Gesamtumfangs aus, bei den achtseitigen Ausgaben mitunter gar die Hälfte. In den ab 1977 12- und mehrseitigen Folgen gibt es immer mindestens zwei Seiten Kulturspiegel und ab Ende der 1980er Jahre finden wir auch vier und mehr Seiten Kulturspiegel.

Nachschlagewerk zu Siebenbürgen und den Siebenbürger Sachsen

Zählt man nur die Seiten des Kulturspiegels zusammen, kommt man auf rund 3500 Seiten, Seiten, die im Schnitt in Schriftgröße 9˙ und 4-5-spaltig gesetzt sind. Im Schnitt in Schriftgröße 9˙ und zweispaltig gesetzt sind auch die 620 viel kleineren Seiten des „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“. Auch wenn es bei den Verfassern der Beiträge in Lexikon und Siebenbürgischer Zeitung sehr viele Überschneidungen gibt, so wollen wir den Kulturspiegel nicht mit dem Lexikon vergleichen, schon gar nicht darin eine Enzyklopädie mit dem 200-fachen Umfang des Lexikons sehen. Und das nicht nur, weil sich Beiträge zu derselben Person oder demselben Ereignis wiederholen und uneinheitlicher gewichtet wird.

Über die Gedenkveranstaltung „850 Jahre ...
Über die Gedenkveranstaltung „850 Jahre Siebenbürger Sachsen“ in der Frankfurter Paulskirche am 27. Oktober 1991 berichtet die Siebenbürgische Zeitung ausführlich in Folge 18 vom 15. November 1991. Foto: Horst Fleischer
Keiner der Chefredakteure und ebenso wenig der Verband als Herausgeber dürfte je daran gedacht haben, mit der Siebenbürgischen Zeitung eine Art Enzyklopädie zu schaffen. Aber genau das ist passiert und ist schon in der 1. Nummer angelegt, im Geleitwort von Reimesch und im Leitartikel von Bolesch. Beide streichen die gemeinschaftsbildende Funktion von Verband und Zeitung heraus. Dahinter steht die feste Überzeugung, dass die damals drängenden Probleme, die sich aus der Vertreibung bzw. der Flucht aus Siebenbürgen ergaben, nicht allein, sondern nur zusammen zu lösen sind. Der gemeinschaftliche Zusammenschluss aber war der Garant dafür, dass die spezifische Kultur, die sich im Rahmen der siebenbürgisch-sächsischen Gesellschaft entwickelt hatte, in der sich wieder zusammenfindenden Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland bewahrt wurde und sich weiter entwickeln konnte. Aber nicht nur im Rahmen der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, sondern auch der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaften in Siebenbürgen, Österreich und Übersee. Siebenbürgen und die dort lebenden und auch kulturell wirkenden Landsleute hat die SbZ von Anfang an im Blick und etliche davon zählen zu ihren Mitarbeitern. Nicht erst seit der Wende und gewissermaßen als Korrespondent, so wie Martin Ohnweiler, sondern auch schon früher, insbesondere in der Tauwetterperiode am Anfang der Ära Ceaușescu – siehe beispielsweise die Grabrede des damaligen Hermannstädter Stadtpfarrers Dr. Christoph Klein auf den Architekten Otto Czekelius der Folge 7 vom 30. April 1974, S. 3. Von Anfang an hat die SbZ auch die 1944 nach Österreich geflohenen Siebenbürger Sachsen im Blick und ist seit 1958 auch Verbandsorgan der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich. Spätestens mit Chefredakteur Hans Hartl und seinen ganzseitigen Reisereportagen über die Landsleute in Kanada und in den Vereinigten Staaten im Jahr 1955 berichtet die SbZ regelmäßig auch über sie und ihr kulturelles Leben. Damit ist sie neben der 1983 institutionalisierten Föderation der Siebenbürger Sachsen und dem im Rahmen der Föderation weitergeführten, aber schon in den 1970er Jahren begonnenen Austausch von Kultur- und Jugendgruppen eine der Klammern, die die siebenbürgische Gemeinschaft über Grenzen hinweg zusammenhält.

Die für diese Gemeinschaft spezifische Kultur wird nicht auf Hochkultur reduziert, obwohl sich die Zeitung auch ihr und dem Künstlertum im engeren Sinne spätestens seit dem Antritt von Hans Bergel als Chefredakteur widmet. Die siebenbürgisch-sächsische Kultur, so wie sie sich in der Siebenbürgischen Zeitung niederschlägt, kommt der offenen Definition des Kulturbegriffs, zu der sich der Europarat bekennt, nahe und umfasst „alle Tätigkeiten, die dem einzelnen Menschen erlauben, sich zur Welt, zur Gesellschaft und zum eigenen Erbe in ein Verhältnis zu setzen“. Es ist die eigene Geschichte und die Art, wie sie tradiert wird, es sind die Altvorderen und das Erinnern an sie und ihre Leistungen, es ist das Liedgut oder sonstige Kulturgut, das man in Kulturgruppen pflegt, es ist Brauchtum, überlieferte Tracht und Mundart, auch wenn einiges davon gefährdet ist, so wie unsere Mundart, die in der Rubrik „Sachsesch Wält“ seit 2005 Unterstützung erhält. Selbstverständlich ist es auch eine ganz besondere Art zu sein, eine mit Toleranz gepaarte Anpassungsfähigkeit, die sich im vielsprachigen, multikulturellen und -konfessionellen Siebenbürgen entwickelt hat und unseren Landsleuten bei ihrer Eingliederung in Deutschland, Österreich oder in Übersee geholfen hat.

All das kann man in der Siebenbürgischen Zeitung lesen. Neben der gedruckten gibt es seit Oktober 2000 auch eine digitale Ausgabe, die Siebenbürgische Zeitung Online. Dank des 2009 vom Kulturreferat durchgeführten Projektes zur Digitalisierung der Siebenbürgische Zeitung kann nicht nur die SbZ Online, sondern die gesamte Druckausgabe der SbZ nachgelesen werden – ein enormer Vorteil auch gegenüber dem Lexikon der Siebenbürger Sachsen.

Einsatz für die Kultur

Dank ihres Beitrags zur Kulturpflege, zur Stiftung von siebenbürgisch-sächsischer Identität und Gemeinschaft können wir die Siebenbürgische Zeitung zurecht als Kulturmagazin sehen und als digitales Archiv, das die kulturelle Tätigkeit der Siebenbürger Sachsen in den vergangenen 75 Jahren in Deutschland widerspiegelt. Aber nicht nur die kulturelle Tätigkeit widerspiegelt sie, sondern alle Lebensbereiche und Wirkungsfelder der Siebenbürger Sachsen, und nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, und nicht nur aus den letzten 75 Jahren, sondern aus ihrer über 850-jährigen Geschichte.

Aber die Siebenbürgische Zeitung ist mehr als nur ein Kulturmagazin. Sie ist nach wie vor Informationsblatt und Mittel zur Selbstdarstellung der Siebenbürger Sachsen sowie Sprachrohr zur Vertretung ihrer politischen und rechtlichen Interessen. Auch in diesen Funktionen wirkt sie immer wieder zum Wohle siebenbürgisch-sächsischer Kultur und ihrer Einrichtungen. Sie kritisiert 1999/ 2000 die Bundesregierung und ihren Beauftragten für Kultur und Medien, als diese die Förderung der Bundeskulturreferenten der Vertriebenenverbände einstellten und die Förderung der kulturellen Breitenarbeit auf ein Mindestmaß einschränkten. Das macht sie auch in den Jahren davor, als das Siebenbürgische Museum die institutionelle Förderung durch Bund und die Länder Nordrhein-Westfalen sowie Baden-Württemberg verliert oder als die gleichen Stellen ihre Förderung so einschränken, dass das „Siebenbürgen-Institut“ mit Siebenbürgischer Bibliothek und Archiv nur noch auf Sparflamme funktionieren können. Nicht zuletzt durch ihr Trommeln werden diese zentralen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen und ihr Sitz, Schloss Horneck, 2014 vor dem Untergang bewahrt und wird die Initiative des Verbandes zu ihrer Rettung durch die Gründung des „Siebenbürgischen Kulturzentrums ,Schloss Horneck‘ e.V.“ im Jahr 2015 von Erfolg gekrönt.

Im Jubiläumsjahr kann man der SbZ nur wünschen, dass solche Rettungseinsätze so bald nicht wieder notwendig werden, sondern dass sie und ihre Mitarbeiter in gewohnt hoher Qualität und Professionalität und im ursprünglichen Sinne von Professio – Bekenntnis zur Sache – noch lange so weiter machen wie bisher. Dann bleibt die SbZ die Klammer, die die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft zusammenhält – Zeitung der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen sollte sie in ihrem Untertitel heißen und nicht Zeitung der Gemeinschaften der Siebenbürger Sachsen – als Nährboden für das Bewahren und Gedeihen siebenbürgisch-sächsischer Kultur auch im zehnten Jahrhundert ihres Bestehens.

Hans-Werner Schuster

Schlagwörter: Siebenbürgische Zeitung, Jubiläum, Kultur, Hans-Werner Schuster

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