26. Dezember 2015

Mediascher Journalist und Radiomacher Mircea Hodârnău

Zu den vielen Veränderungen, die der massenhafte Exodus Anfang der 1990er Jahre für die Sachsen in Siebenbürgen mit sich gebracht hat, zählt auch, dass es für die heute dort Lebenden zunehmend schwieriger wird, öffentlich wahrgenommen zu werden. In einer Medienlandschaft, die oft schrill und schräg daherkommt, haben sie kaum mehr als die bekannten, nun auch online verfügbaren Printmedien (Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, Hermannstädter Zeitung) und das Deutsche Fernsehen, um auf sich aufmerksam zu machen. Dass kulturell interessierte Rumänen und Ungarn Zugang zum kulturellen Leben der Sachsen bekommen, hängt oft von engagierten und vor allem vorurteilslosen Journalisten ab. In Mediasch zählt zu ihnen vor allem der Blogger und Radiomann Mircea Hodârnău. Manche Mediascher Musikfreunde aus der Diaspora kennen ihn; zu seinen engen Freunden zählt u.a. Erhard Hügel von „Rocky 5“ und „Bürger 7“.
„Guten Abend und herzlich willkommen zurück auf 90,2 FM!“ Seit über 18 Jahren bringt diese weiche Stimme den Mediaschern Nachrichten, Interviews und Musik durch den Äther ins Haus. Aus dem einst durchaus rebellischen jungen Rocker ist längst ein gestandener Journalist mit einer vielseitigen künstlerischen Persönlichkeit geworden. Gerade das macht es nicht einfach, ihn vorzustellen und seinen zahlreichen kulturellen Tätigkeiten gerecht zu werden. Fangen wir also bei seiner großen Leidenschaft, der Musik an, durch die er später den Zugang zum Radio fand. „Es war so Mode in unserer Straße, dass jeder Jugendliche eine Gitarre besaß. Um mir das nötige Geld zu verdienen, begleitete ich in einem Jahr den Pfarrer, der die Häuser am Dreikönigstag segnete. Ich lief ihm voraus und fragte die Leute, ob sie ihr Haus segnen lassen wollten. Nachdem ich am ersten Tag etwas Geld verdient hatte, dabei aber zu Stein gefroren war, sagte mein Vater, ich solle zu Hause bleiben, er wolle mir das Geld für die Gitarre geben. So kaufte ich mir meine Gitarre und begann mit Mihai Dan und Nelu Matei, der heute Bassist bei „Zoddiac“ ist, zu musizieren, bald auch zu singen. Wir sangen Musik der Beatles, dann nahmen wir am Festival „Cântarea României“ teil. Unsere Gruppe, die wir „Lyceum“ genannt haben, erreichte die Kreisphase um dort gegen Ricky Dandel und seine Band zu verlieren. Seine sächsischen Rockfreunde waren es, die ihn in den 1980ern mit der rebellischen Form dieser Musik bekannt machten, dem Hard Rock. Die Sachsen bekamen Platten, Tonbandkassetten und Zeitschriften aus dem Westen, lauter Dinge, zu denen rumänische Jugendliche in der kommunistischen Ära nur schwer Zugang hatten. Jimmy Zizilas, ein amerikanischer Freund, der zeitweilig in Mediasch lebte, zeigte ihm seine Idole erstmals auf Videoaufnahmen. Über die zahlreichen Verbote jener Zeit setzte sich die junge Generation hinweg. Man hörte heimlich „Vocea Americii“ oder „Europa Liberă“, die „Stimme Amerikas“ und „Radio Freies Europa“ aus München. Nachdem Mircea einen Brief in den Westen geschmuggelt hatte, spielte die „Stimme Amerikas“ am 1. September 1989 ein Lied, das den Mediaschern gewidmet war. Den jungen Menschen von heute dürfte es nur schwer möglich sein, zu erfassen, was für eine Macht die Zensur damals hatte. Die etwas Älteren erinnern sich jedoch sicher an die „Tanztees“, bei denen man im Namen der modernen Musik zusammenkam oder um eine Aufzeichnung der Sendung „Musikladen“ anzusehen.

Radiomoderator Mircea Hodârnău ...
Radiomoderator Mircea Hodârnău
Dann änderte der Sturz der Ceaușescu-Diktatur im Dezember 1989 alles. 1993 ging Radio Mediaș 725, der erste Mediascher Sender online und Mircea Hodârnău bekam eine unter jungen Leuten beliebte Sendung, „Heavy Metal Magazin“. 1996 nahm er an einem Kurs für Radiomoderatoren bei der BBC teil, der ihm den Weg ins professionelle Rundfunkgeschäft ebnete. Seit 2000 gehört er zu „Radio Ring“, wo er für die Sendungen „Lentila de contact“ (Die Kontaktlinse), „Ring Hit“ und „Rock cu norock“ (Rock mit „Glück“) verantwortlich zeichnet.

Beruflich ist Mircea seit 2006 für PR-Aktivitäten des Konzerns „Romgaz“ verantwortlich, wo er unter anderem kulturelle Ereignisse ausrichtet, die der Gaskonzern sponsert. Seine Freizeit aber gehört dem Journalismus, der Musik und neuerdings auch dem Bücherschreiben. In „Mediașul radiofonic 1950-2013“ erfahren wir einiges auch über sächsische Musiker, und in „Speranța pe cartelă“ (Hoffnung auf Kartelle) sind seine Erinnerungen an die Diktatur, die den Mangel verwaltete, aufgearbeitet.

Die vielfältigen Möglichkeiten des Internets nutzend, gibt er seit 2009 seinen eigenen Blog heraus, „Mediaș News“, in dem er allerdings nicht den klassischen Blog-Vorbildern folgt, sondern vielmehr ein professionell gestaltetes Audio-Video-Magazin anbietet, mit Nachrichten und Interviews aus und über Mediasch, aber auch darüber hinaus. Für uns Mediascher Sachsen besonders interessant beispielsweise ein Interview mit der Vorsitzenden des Mediascher Diakonievereins aus Anlass der Premiere des Films „Arbeit macht das Leben süß, Faulheit stärkt die Glieder“ und mit Maja Caspari, Initiatorin und langjährige Vorsitzende des Diabetikervereins.

Seit 2013 ist Mircea Hodârnău auch Vorsitzender des Kulturvereins „Mediașul nostru“ (Unser Mediasch), mit dem die Heimatgemeinschaft Mediasch eng zusammenarbeitet. Im Rahmen dieses Vereins fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, die auch an die Vergangenheit oder ­aktuelle Belange der sächsischen Bevölkerung erinnerten. So in diesem Frühsommer eine Gedenkstunde anlässlich des 80. Jubiläums des Starts einer Versuchsrakete durch Hermann Oberth und die Vorführung des Films „Freiheit in Kinderschuhen“ mit anschließender Podiumsdiskussion, an der Uwe Pelger und Erhard Hügel teilgenommen haben. 2014 erinnerte er an 120 Jahre seit der Gründung des Mediascher Radfahrer-Clubs (in einem Interview mit Hansotto Drotloff), an den Erfinder des Scheibenwischers Willi Folberth, und 2015, aus aktuellem Anlass, an die Geschichte des Tramiterturms, des Wahrzeichens der Stadt.

Es ist die Überzeugung von Mircea Hodârnău, dass die Sachsen und Rumänen im heutigen Mediasch vieles gemein haben, und dazu zählt vor allem das kulturelle Erbe. Wurde ein Großteil davon von Ersteren geschaffen, ist es nun an den Rumänen, es zu bewahren. Dieses Erbe ebenso zu pflegen wie dasjenige der Rumänen ist ihm eine Herzensangelegenheit, und darin findet er die Unterstützung der Sachsen auch aus der Diaspora, nicht zuletzt jene der Heimatgemeinschaft Mediasch e.V. Gemeinsam richten wir den Blick ­bereits jetzt auf das Jahr 2017, wo wir mit zahlreichen gemeinsamen Aktivitäten der ersten Erwähnung von Mediasch vor 750 Jahren gedenken wollen, und wünschen Mircea Hodârnău weiterhin viel Erfolg in seiner Tätigkeit.

Nick Langa (Übersetzung aus dem Rumänischen: Hansotto Drotloff)

Schlagwörter: Porträt, Journalist, Mediasch

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