18. August 2020

Im Werkstattgespräch: Dr. Markus Lörz, Leiter des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim

Seit 2013 ist Dr. Markus Lörz wissenschaftlicher Leiter des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim am Neckar. Zahlreiche Ausstellungen hat er in dieser Zeit kuratiert. Bestimmend für seine Arbeit ist ein ausgeprägter Sinn für die Geschichte, wie er in diesem Interview betont. Auch in der Konzeption seiner Ausstellungen lässt sich Dr. Lörz leiten von seinem Wissen um die historischen Verflechtungen der europäischen Regionen, was gerade für eine Institution wie das Siebenbürgische Museum einen maßgeblichen Impuls bedeutet. Lörz‘ eigene Biographie ist eng verbunden mit dem Landkreis Heilbronn, der bekanntlich reich an Kultur und Geschichte ist und nicht nur badische und württembergische, sondern auch fränkische und hessische Geschichte vereint. Aufgewachsen ist er in Bad Rappenau und in Bad Wimpfen zur Schule gegangen. Für sein Studium und die anschließende Promotion in Kunstgeschichte ist er seiner südwestdeutschen Heimat treu geblieben. In unserem Gespräch berichtet Dr. Lörz von den Herausforderungen in Zeiten von Corona, stellt die aktuelle Schau „Siebenbürgische Künstlerinnen und Künstler in Europa. Lebenswege und Landschaften“ vor und erklärt, warum er für den Einladungsflyer gerade eine Wattlandschaft ausgewählt hat. Trotz seiner Professionalität in digitalen Dingen betont er, wie wichtig der physische Besuch eines Museums bleibt, weil nichts über die Anschauung und die Erfahrung des Originals geht. In der Serie der Werkstattgespräche besucht Heinke Fabritius, Kulturreferentin für Siebenbürgen am Siebenbürgischen Museum, in loser Folge Ateliers, Übungs- und Arbeitszimmer und bittet die Akteure zum Interview.
Herr Lörz, was sind die besonderen Herausforderungen für Sie im Museumsbereich in Zeiten von Corona, in denen die Ausstellungshäuser auf ihre je eigene Weise aus dem Regelbetrieb geworfen sind?

Die Pandemie stellt uns alle täglich vor neue Herausforderungen. Im Museumsbereich sind dies einerseits die Umsetzung der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen, andererseits die daraus resultierenden Zugangsbeschränkungen, die beispielsweise bis auf Weiteres keine Gruppenführungen zulassen. Daraus ergibt sich die Nutzung neuer Vermittlungswege, etwa digitaler Führungen auf YouTube. Diese bieten aber auch die Chance, Menschen, die aus anderen Gründen nicht ins Museum kommen können, auf einfache, niederschwellige Weise zusätzlich zu erreichen.
Markus Lörz vor Friedrich Miess‘ Gemälde ...
Markus Lörz vor Friedrich Miess‘ Gemälde „Italienische Landschaft mit Zypressen und Disteln“. Foto: © Siebenbürgisches Museum
Glauben Sie, dass die gegenwärtigen Entwicklungen die Museumslandschaft nachhaltig verändern werden?

Dies ist schwierig zu prognostizieren und hängt sicherlich entscheidend von der Dauer und den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ab. Schwierig wird die Lage vermutlich für Museen, die beispielsweise von Stiftungen getragen werden, die auf Kapitalerträge angewiesen sind. Sinkt die Wirtschaftsleistung, wird auch deren Existenz gefährdet. Rein wissenschaftlich gesehen wird sich meines Erachtens jedoch nicht viel ändern und wir werden nach dem Ende der Pandemie wieder zu gewohnten Formen der Museumsarbeit zurückkehren, da erwiesenermaßen das Erlebnis eines realen Museumsbesuchs nicht virtuell ersetzt werden kann. Die Faszination der originalen Objekte macht den Reiz und den Sinn eines Museums schließlich aus.

Nun zu Ihrem Museum: Sie sind Leiter des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim. Können Sie uns kurz sagen, wo die zentralen Sammlungsbereiche des Museums liegen und worin Sie Ihre wichtigsten Aufgaben sehen?

Das Siebenbürgische Museum ist als Landesmuseum für Siebenbürgen in der Bundesrepublik seit den 1990er Jahren ein kulturhistorisches Museum mit mehreren Sammlungsbereichen, die die materielle Kultur der Siebenbürger Sachsen im Kontext ihres multiethnischen und multireligiösen Umfeldes vermitteln. Dies erstreckt sich von der Alltagskultur über Volkskunst und Objekte des Brauchtums bis zur Bildenden Kunst. Unsere zentrale Aufgabe liegt darin, herausragende oder beispielgebende Objekte der Materialkultur Siebenbürgens zu bewahren, zu erforschen und dem Publikum näherzubringen.

Nur wenige Tage vor der Eröffnung des Kultur- und Begegnungszentrums Schloss Horneck am 10. Juli haben Sie in der oberen Etage des Siebenbürgischen Museums eine neue Wechselausstellung eingerichtet. Unter dem Titel „Siebenbürgische Künstlerinnen und Künstler in Europa. Lebenswege und Landschaften“ entwerfen Sie anhand ausgewählter Werke ein anschauliches Bild beliebter Reiseziele und bevorzugter Ausbildungsorte. Was war der Anlass für dieses Ausstellungsprojekt?

Als bundesgefördertes Museum haben wir uns die EU-Ratspräsidentschaft, die Deutschland im Juli 2020 für ein halbes Jahr übernommen hat, zum Anlass genommen, europäische Bezüge bei Künstlerinnen und Künstlern aus Siebenbürgen vorzustellen.

Für den Einladungsflyer haben Sie eine Wattlandschaft von Ernst Graeser ausgewählt. Das passt zur Sommersaison und erinnert an Max Liebermanns holländische Küstenlandschaften. Was ist in Ihren Augen das Besondere an dieser Arbeit?

Wenn auch Graesers „Paar im Watt“ keine Sandkörner vom Malen am Strand aufweist, wie etwa Liebermanns vier Jahre früher entstandenes Gemälde „Am Strand von Noordwijk“, so mischen sich in Graesers Werk doch vergleichbare künstlerische Vorbilder und Eindrücke. Das kleine Gemälde von 1912 ist, ganz nach französischer Manier, die Impression eines Paares bei einem sommerlichen Spaziergang im Watt. Die Farbigkeit dagegen lehnt sich an die holländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts an. Eine Kombination, die aus dem sogenannten deutschen Impressionismus vertraut ist. So fließen hier mehrere europäische Quellen ein. Davon abgesehen ist Ernst Graeser, der mehr als sein halbes Leben in Württemberg verbracht hat, eine wichtige Vermittlerpersönlichkeit zwischen den Kulturregionen und auch im deutschen Südwesten bekannt. Daher ist das Bild, außer durch seinen ästhetischen Reiz und seinen kunsthistorischen Hintergrund, auch werbetechnisch als Plakatmotiv ideal.

Die Netzwerke und Verflechtungsgeschichten zwischen Siebenbürgen und dem restlichen Europa werden für die Besucherinnen und Besucher besonders anschaulich in einer Europakarte, die gleich am Eingang der Ausstellungräume vorgestellt wird. Darauf sind die Lebensstationen und Arbeitsorte von Künstlerinnen und Künstlern vermerkt, so dass man schnell einen Überblick über bestimmte Muster und Vorlieben erhält. Das birgt – auf diese Weise visualisiert – auch für Kenner Überraschungen. Was hat Sie, ganz persönlich, am stärksten beeindruckt?

Eine große Überraschung für mich war unter anderem, dass einem bewusst wird, dass beispielsweise der Lebensweg von Trude Schullerus, die vielfach als Inbegriff der siebenbürgischen „Heimatkünstlerin“ angesehen wird, sich nicht nur auf Siebenbürgen beschränkt, sondern lange Studienaufenthalte in München und Leipzig enthält. Daran wird beispielhaft sichtbar, dass es permanent kulturellen Austausch zwischen Siebenbürgen und dem Westen des Kontinents gab.

Auf die große Eröffnung der Ausstellung musste Corona-bedingt verzichtet werden. Wie holen Sie dennoch das Publikum ins Haus?

Das Museum ist seit Mai wieder regelmäßig für Einzelbesucher geöffnet. Wir laden daher alle ein, einmal einen Ausflug allein oder in kleiner Runde nach Gundelsheim zu machen. Außerdem gibt es zur Sonderausstellung einen Katalog, der im Museumsshop erworben werden und all jenen, die nicht nach Gundelsheim kommen können, die Ausstellung näherbringen kann.
Ernst Graeser: „Paar im Watt“, 1912, Öl auf ...
Ernst Graeser: „Paar im Watt“, 1912, Öl auf Karton, Siebenbürgisches Museum. Foto: © Siebenbürgisches Museum, M. Lörz
Sie sind dienstlich mehrfach in Siebenbürgen gewesen, vielleicht auch privat. Was hat Ihnen an Land und Leuten imponiert, was bereitet Ihnen Sorgen?

Ja, in der Regel bin ich jedes Jahr ein oder zwei Mal in Siebenbürgen, teilweise auch privat. Tief beeindruckend an Siebenbürgen ist, grob gesagt, die Vielfalt der Region, landschaftlich wie kulturell. Siebenbürgen ist ein großartiges Reiseland und ich werde nicht müde, dies bei Führungen und Vorträgen immer wieder zu betonen. Im Vergleich zur Lage in anderen Regionen der Welt bereitet mir Siebenbürgen keine großen Sorgen. Das Land und seine Menschen werden, wie schon so oft in den vergangenen Jahrhunderten, auch die momentane Krise bewältigen.

Sie haben in Karlsruhe Kunstgeschichte studiert. Was hat Sie im Studium am meisten beschäftigt und wie sind Sie überhaupt zur Kunstgeschichte gekommen?

Nein, ich habe an der Universität Heidelberg Kunstgeschichte und Klassische Archäologie studiert. In Karlsruhe war ich einige Jahre an der Staatlichen Kunsthalle unter anderem als Ausstellungskurator tätig. Kunstgeschichte ist, und das wird oft vergessen, in erster Linie eine historische Wissenschaft. Dabei hat mich, wie bei der Archäologie, die Beschäftigung mit materiellen Zeugnissen vergangener Zeiten fasziniert, die einem einen direkteren und weniger manipulierbaren Einblick in die Vergangenheit geben. Daher war für mich schon früh das Ziel, nicht in die universitäre Forschung zu gehen, sondern in der Museumspraxis, im täglichen Umgang mit den Originalen, tätig zu sein.

Seit meiner Studienzeit haben mich besonders periphere Themen, die noch wenig erforscht waren, interessiert. Mein späterer Doktorvater Prof. Dr. Dietrich Schubert, der selbst aus Gera stammt, hat uns bereits im Studium insbesondere mit der Kunst in der DDR und anderen Ländern des früheren Ostblocks vertraut gemacht, was Mitte der 1990er Jahre im westdeutschen Studienbetrieb noch eine große Ausnahme war und was mein Interesse an der Kunst dieses Teils Europas geweckt hat. Promoviert habe ich über die letzte Ausstellung moderner Kunst der Weimarer Republik, die als Auslandsausstellung, finanziert vom Auswärtigen Amt, in Skandinavien gezeigt wurde und einen wichtigen, bis dahin unerforschten Indikator für die kulturpolitischen Verbindungen zwischen Deutschland und den skandinavischen Ländern am Vorabend der NS-Diktatur darstellt. In meiner späteren Berufspraxis durfte ich mich mit vielen weiteren interessanten Themenfeldern von der spanischen Barockmalerei bis zu den rumänischen Hinterglasikonen Siebenbürgens beschäftigen, was die Tätigkeit im Museum immer wieder aufs Neue zu einer erfüllenden Aufgabe macht.

Im Rahmen der Baumaßnahmen für das gerade eröffnete Siebenbürgische Kulturzentrum Schloss Horneck hat auch das Siebenbürgische Museum neue Räumlichkeiten erhalten. Können Sie uns mitteilen, welche Arbeiten hierfür getan werden mussten, wie der aktuelle Stand ist und welche Nutzung für die neuen Räume angedacht ist?

Leider hat das Siebenbürgische Museum bislang noch keine neuen Räume erhalten. Wir hoffen jedoch, dass diese bis Oktober 2020 fertiggestellt werden und von uns bezogen werden können. Im ersten Obergeschoss wird dann eine Gemäldegalerie und ein Schaudepot für die umfangreiche Kunstsammlung des Museums entstehen. Im Erdgeschoss lädt zukünftig ein großzügiges neues Foyer zum Besuch des Museums ein. Ein Werkraum wird für Kreativworkshops zur Verfügung stehen und eine Schatzkammer Silberschmiedearbeiten und kostbare alte Textilien aus Siebenbürgen zeigen. Nach derzeitigem Planungsstand werden bis 2022 in einer völlig neu konzipierten Dauerausstellung außerdem neue Schauräume zu Brauchtum und Tracht entstehen.

Sie pflegen eine enge Verbindung zur evangelischen Kirche, in der Sie sich ehrenamtlich engagieren. Welches sind die Bereiche, in denen Sie aktiv sind?

Leider lassen mir die vielfältigen beruflichen Verpflichtungen nicht mehr viel Zeit, um mich wie früher intensiv ehrenamtlich zu engagieren. Derzeit beschränkt sich dies auf meine Mitgliedschaft im Förderverein des Deutschen Evangelischen Kirchentags, dem ich seit seiner Gründung angehöre. Ich war insgesamt 17 Jahre in der Jugendarbeit meiner Heimatgemeinde und im Evangelischen Jugendwerk Bezirk Heilbronn aktiv, in dem ich auch fünf Jahre dem Bezirksarbeitskreis, der einem geschäftsführenden Vorstand entspricht, angehört habe. Meinen Zivildienst habe ich zudem im Jugendpfarramt des Kirchenbezirks Heilbronn geleistet.

Haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.

Die Sonderausstellung „Siebenbürgische Künstlerinnen und Künstler in Europa. Lebenswege und Landschaften“ ist bis zum 4. Oktober 2020 im Siebenbürgischen Museum zu sehen.


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Schlagwörter: Werkstatt, Gespräch, Heinke Fabritius, Lörz, Siebenbürgisches Museum, Gundelsheium, Sonderausstellung

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