29. März 2021

Senioren vor Trickbetrügern bewahren: Interview mit Kriminalhauptkommissarin Annegret Steiger

Ursprünglich war im Rahmen des Siebenbürger Nachmittags der Nachbarschaft Fürth am 21. Oktober 2020 ein Kriminalhauptkommissar in das Gemeindehaus der St.-Pauls-Kirche in Fürth eingeladen worden. Er sollte den Senioren einige Tipps geben, wie sie sich vor Schwindlern und Betrügern an der Haustür, auf der Straße und am Telefon schützen können. Dies übernimmt nun Annegret Steiger, Kriminalhauptkommissarin in Fürth, im Interview mit Angelika Meltzer, Leiterin des Siebenbürger Nachmittags in Fürth.
Guten Tag Frau Steiger. Da unsere Treffen vorläufig ausfallen und wir im Bekanntenkreis auch Betrugsopfer zu beklagen haben, freue ich mich sehr, dass Sie sich für dieses Interview bereit erklärt haben. Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Hallo Frau Meltzer, vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft, sich stark zu machen für die Senioren-Prävention, nämlich diese vor Trickbetrug zu schützen. Mein Name ist ­Annegret Steiger und ich bin Präventionsbeamtin für die verhaltensorientierte Prävention bei der Kriminalpolizeiinspektion Fürth. Außerdem bin ich Ansprechpartnerin für Kriminalitätsopfer in Fällen von häuslicher Gewalt, sexueller Gewalt, sexuellem Missbrauch und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen, sowie Stalking. Es ist für mich nicht nur Beruf, sondern eine Herzensangelegenheit, Seniorinnen und Senioren über Tricks und Täuschungen aufzuklären und vor Kriminalität zu schützen. Mit Informationen und Verhaltenstipps für ihre Sicherheit können Trickbetrügereien vereitelt werden.

Vorausschicken möchte ich, dass dieses Interview bei den Lesern keine Angst schüren, sondern lediglich der Aufklärung und dem Aufruf zur Vorsicht dienen soll.

Grundsätzlich sind ältere Menschen in Deutschland, entgegen dem eigenen Empfinden, wesentlich seltener von Kriminalität betroffen als jüngere Menschen. Sie haben Lebenserfahrung, sind in ihrem Verhalten vorsichtiger und zögerlicher. Das ist gut so. Aber in bestimmten Situationen kann Druck, drohende Gefahr und/oder Mitgefühl eine starke Verunsicherung hervorrufen, die sich Betrüger dann zunutze machen.

Beginnen wir gleich mit dem aktuellen Geschehen: Die neuen Lebensumstände, die das Covid-19-Virus verursacht hat, haben leider auch Betrüger auf neue Ideen gebracht. Auf welche Maschen können Sie in diesem Zusammenhang aufmerksam machen?

Die Corona-Pandemie hat tatsächlich auch Betrüger auf neue Ideen gebracht, an Geld und Wertsachen zu kommen. Seniorinnen und Senioren haben nicht die sonst üblichen Kontakte und somit seltener bis keine Gelegenheit sich auszutauschen. Zudem gibt die Dynamik in der Pandemie der Unsicherheit eine Plattform. Zum Beispiel gaben sich Betrüger als Mitarbeiter des Impfzentrums aus, die ein Vorgespräch mit den zur Impfung ­Angemeldeten führen wollten. Oder Betrüger wollten sich schon als falscher Pflegedienst Zutritt zu einer Wohnung verschaffen. Die Vorgehensweise ist dreist und wir können nur raten, wenn Sie sich nicht sicher sind, dann rufen Sie die Ihnen bekannte entsprechende Stelle an und fragen Sie nach.

Annegret Steiger informiert über Trickbetrug. ...
Annegret Steiger informiert über Trickbetrug. Foto: P. Rubner, KPI Fürth
Man hört und liest auch von falschen Polizisten, falschen Handwerkern oder angeblichen Taubstummen, die an Haustüren läuten und Einlass in die Wohnungen verlangen.

Die von Ihnen angesprochenen Trickbetrug-Phänomene sind immer noch üblich. Dazu kommen noch das falsche Gewinnversprechen und der Enkeltrick. Denken Sie immer daran, dass Betrüger Ihr Geld wollen, und dazu ist ihnen jedes Mittel recht.

Jede Betrugsmasche hat viele Facetten. Der falsche Polizeibeamte ruft an und sagt, dass in der Nähe eingebrochen wurde und ein Zettel mit Ihrer Telefonnummer bzw. Adresse gefunden wurde. Es würde gleich ein Kollege kommen und Ihre Wertsachen in Sicherheit bringen, bis die Gefahr vorüber sei. Die Handwerker sind vielleicht auf den ersten Blick nicht falsch. Jedoch machen manche die Arbeiten miserabel und zu völlig überteuerten Preisen. Wir haben schon erlebt, dass sich Handwerker oder Teppichreiniger plötzlich als Schmuck- oder Münzsammlungsbewerter ausgaben und den ganzen Schmuck bzw. Münzen ohne Dokumentation mitgenommen haben.

Aktuell sind auch wieder sogenannte Pelzkäufer unterwegs, die angeblich Pelze kaufen möchten, dann jedoch geschickt auf andere Wertsachen umlenken. Letztlich verlassen die Pelzbetrüger die Wohnung oder das Haus ohne Pelze, aber mit absolut unter dem Wert gekauftem Schmuck oder Münzen. Hier kann ich nur immer wieder betonen, ein gesundes Misstrauen ist nicht unhöflich. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen und fragen Sie eine Person Ihres Vertrauens. Sollte jemand um ein Glas Wasser bitten, schließen Sie die Türe hinter sich und lassen Sie niemanden in Ihre Wohnung. Wenn Ihnen etwas komisch oder verdächtig vorkommt, können Sie selbstverständlich die Polizei anrufen. Entweder Ihre örtlich zuständige Polizeidienststelle oder in Akutsituationen die 110.

Viele denken, mich kann niemand bestehlen, ich passe immer auf, das passiert nur den anderen.

Es wäre schlimm, wenn Sie bei jedem Verlassen Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung damit rechnen würden, überfallen zu werden. Wir leben in einem gut funktionierenden Rechtsstaat und Sie können sich sicher fühlen. Nichtsdestotrotz achten Sie darauf, dass Sie ihre Tasche, am besten mit einem Reißverschluss, geschlossen halten. Tragen Sie diese am Körper und lassen Sie Ihre Tasche nirgends stehen.

Das mache ich auch so und ich bin, obwohl ich häufiger mit Kriminalität konfrontiert werde als Sie, kein ängstlicher Mensch. Wenn Sie in eine unangenehme Situation kommen, gehen Sie heraus aus der Situation. Wenn nötig, bitten Sie jemanden um Hilfe. Sprechen Sie zum Beispiel jemanden direkt an: „Sie mit dem roten Schal, darf ich Sie um Hilfe bitten.“ Ich weiß, dazu gehört auch Mut, aber das kann geübt werden.

Nicht nur an der Haustüre und auf der Straße ist Vorsicht vor Betrügern geboten, sondern auch am Telefon.

Bei einem falschen Gewinnversprechen werden Sie von jemandem angerufen, der behauptet, dass Sie gewonnen hätten. Bevor Sie aber den Gewinn über mehrere Tausend Euro erhalten könnten, müssten Sie zuerst eine Notar- oder Anwaltsgebühr bezahlen. Dieses Geld sehen Sie nie wieder.

Der bereits bekannte Enkeltrick funktioniert immer noch. Hier werden Sie von einem vermeintlichen Familienmitglied, meist Enkel, angerufen. Geschickt werden Sie ausgefragt: „Weißt Du, wer da spricht?“ Oft wird eine Notlage vorgetäuscht, ein Unfall, ein Wohnungs- oder Autokauf. Es würde dringend Geld gebraucht, das die Oma oder der Opa natürlich wieder bekommen würde. Es wird darauf gedrängt, niemandem etwas zu erzählen. Auch hier ist der Rat, mit einer Person Ihres Vertrauens darüber zu sprechen, bevor Sie Geld abheben oder überweisen.

Geben Sie Fremden keine privaten Details über Ihre Vermögensverhältnisse, PINs oder ähnliches. Selbst Bankangestellte würden nie nach Geheimnummern von Bankkarten oder Online-Banking fragen.

Inzwischen besitzen auch viele Senioren Smartphones und sind teilweise damit überfordert oder verunsichert. Könnten sie damit auch in betrügerische Fallen treten?

Smartphones sind gerade für ältere Menschen eine weitere Möglichkeit, soziale Kontakte zu pflegen. Sie können eine Mobilitätseinschränkung überbrücken, schon alleine, weil Sie mit Bildübertragung telefonieren können. Aber denken Sie daran, am Smartphone ist auch schnell etwas bestellt oder etwas preisgegeben, das dann nicht mehr aus dem Netz genommen werden kann. Deswegen ist es unbedingt notwendig, dass Sie sich eine Anleitung oder Einführung von jemandem geben lassen, die oder der sich auskennt und Sie über mögliche Gefahren aufklärt.

An welche offiziellen Stellen soll man sich in akuten Situationen wenden?

In akuten Situationen wenden Sie sich bitte an die Notrufnummer der Polizei 110 oder Ihre örtlich zuständige Polizeidienststelle. In weniger akuten Situationen, nämlich um in Ruhe etwas nachzufragen, gibt es mehrere Möglichkeiten. In jeder Stadt und auch auf dem Land gibt es einen Seniorenrat bzw. Seniorenbeauftragte, die oder den Sie anrufen können. Im Internet finden Sie unter www.polizei-beratung.de eine Vielzahl von Informationen zur Prävention und Hilfe für Kriminalitätsopfer. Die Informationsbroschüren „IM ALTER SICHER LEBEN“ und „GUT BERATEN IM HOHEN ALTER“ wurden speziell für lebensältere Menschen von der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder veröffentlicht.


Wohin wendet man sich als Opfer eines Betruges?

Sollten Sie merken, dass Sie Opfer eines Betrugs geworden sind, dann wenden Sie sich so schnell wie möglich an Ihre zuständige Polizei und erstatten Sie Anzeige. Denn je früher wir der Sache nachgehen können, umso eher können wir vielleicht noch weitere, von den Betrügern geplante Aktionen erkennen und verhindern.

Wenn jemand einen Betrug bei der Polizei meldet, wie geht es dann mit der Fahndung und Spurensicherung weiter?

Nach der Anzeigeerstattung nehmen die Ermittlungen ihren Lauf. Ihre Aussage (Personalbeweis) ist sehr wichtig, denn nur Sie hatten Kontakt mit den Betrügern und können etwas über deren Masche aussagen. Deshalb ist es wichtig, dass Sie, wenn es möglich ist, versuchen, sich Details einzuprägen. Zum Beispiel Aussehen, Kleidung und/oder mitgeführte Gegenstände können zu einer Ergreifung der Täter führen. Eventuell haben die Täter auch andere Spuren (Sachbeweis) hinterlassen, wie zum Beispiel Fingerabdrücke oder einen Gegenstand. Dann wird dies die zuständige Polizeidienststelle sichern. Auch hier können Sie einen Beitrag leisten, indem Sie diese Spuren nicht anfassen oder gar abwischen.


Abschießend bitte ich um eine kurze Zusammenfassung. Worauf sollten gerade ältere Menschen achten, um nicht Opfer eines Betrugs zu werden?

Abschließend möchte ich Ihnen diese Tipps geben:
• Geben Sie keine persönlichen Informationen an Unbekannte.
• Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen.
• Lassen Sie keine Fremden in die Wohnung.
• Seien Sie misstrauisch, wenn jemand Geld von Ihnen möchte.
• Übergeben Sie niemals Fremden Geld oder Schmuck.
• Denken Sie daran, Betrüger können Männer und Frauen sein.
• Reden Sie mit Personen, denen Sie vertrauen.


Sie können sich durch gute Informationen vor vielen Gefahren schützen, denn die Täter wenden meist ähnliche Tricks an. Wenn Sie diese Tricks und Maschen kennen, sind Sie gut gewappnet, kein Opfer zu werden.

Vielen Dank Frau Meltzer, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, Ihnen Informationen und polizeiliche Ratschläge für die Sicherheit Ihrer Seniorinnen und Senioren an die Hand zu geben. Nur durch Aufklärung können wir den Trickbetrug eindämmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Kriminalität, Tipps, Polizei, Fürth, Ratgeber, Meltzer, Trickbetrug, Senioren

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