19. Januar 2022

Der Super-Optimierer: Nachruf auf den Agrarwissenschaftler Dr. Heinz Werner Bredt

Spätestens nach Veröffentlichung ganzseitiger Zeitungsartikel im "Neuen Weg" und der "Karpatenrundschau" hatte er einen schmeichelhaften Spitznamen, den jeder weit und breit benutzen sollte, wenn von ihm die Rede war: der Kartoffeldoktor. Dr. Heinz Werner Bredt. Geboren am 23. Mai 1932 im siebenbürgischen Marienburg als zweites von vier Kindern von Hans und Hilda Bredt. Das Agrarier-Gen hat er wohl von seinem Vater geerbt, der als Ackerbauschuldirektor die Leidenschaft für die Landwirtschaft an seinen Sohn weitergab.
Dr. Heinz Werner Bredt (1932 - 2021) ...
Dr. Heinz Werner Bredt (1932 - 2021)
Bereits mit elf Jahren ging er an die Haltrich-Schule in Schäßburg und zwei Jahre später an das Agrarlyzeum Hermannstadt, wo seine Liebe für die Pflanzenwelt erste Blüten trieb: Er legte zur Begeisterung seiner Professoren einen kompletten Botanischen Garten mit über 500 Pflanzenarten an, verzichtete auf Heimreisen, um auch wirklich alle korrekt zu beschriften und zu pflegen und als es auf Messers Schneide stand, ob einer, dessen Vater weder Arbeiter noch Bauer war, in einem kommunistischen System studieren dürfe, soll das Lehrer-Kollegium gesagt haben: „entweder Bredt oder keiner!“ Wie oft hat mein Vater voller Stolz diese Geschichte erzählt.

Oder jene vom Kriegsende in Marienburg. Als er 1945 zusammen mit Hans Klein, dem Sohn der Schulköchin, die gesamte Wirtschaft der Ackerbauschule auf Vordermann hielt, weil die Erwachsenen nach Russland deportiert worden waren. Zwei 14-jährige Jungs zuständig für 50 Hektar Musterwirtschaft, ein Dutzend Milchkühe, 50 Schweine, Pferde, einen Traktor, Maschinen. „Wenn du etwas erreichen willst, musst du bereit sein, alles zu geben!“ Und wenn du diese Worte zu deinem Lebensmotto machst, wächst du auch schon mal über dich hinaus.

In Klausenburg gab‘s nicht nur das heiß ersehnte Studium der Agrarwissenschaften, sondern auch Mathilde, eine junge Studentin, die im August 1958 ihrem Heinz in Scharosch an der Kokel das Ja-Wort gab. 1961 kam mein Bruder Dieter zur Welt und 1965 ich, Werner.

Über die Zwischenstation Thorenburg (Turda) und das Studium von Hybridmais, Getreide, Futterpflanzen und Leguminosen gelangte der frisch gebackene Landwirtschaftsingenieur und Doktor der Agrarwissenschaften nach Kronstadt und zu seiner innig geliebten Kartoffel, der er viele, viele Jahre die Treue halten sollte.

Ich erinnere mich an die endlosen Versuchsparzellen, in denen ich als Schüler, angeleitet vom Kartoffeldoktor höchstpersönlich, mein Taschengeld aufbessern durfte. Desiree und Bintje – zwei Sorten, deren Namen mir noch heute in den Ohren klingen. Mein Vater könnte zahlreiche andere nennen, doch leider kann ich ihn nicht mehr danach fragen. Dafür hat er aber viele Fachartikel und ganze Bücher – über 160 Publikationen zu Ehren der nahrhaften Knolle – hinterlassen.

Als leidenschaftlicher Forscher war Dr. Bredt viel unterwegs. In ganz Rumänien galt es, Versuchsfelder zu besuchen und mit den Angestellten verschiedenster Institute immer neue Rekorde zu erzielen. „Stell dir vor, bei Brăila in der Dobrudscha haben wir schon mal 104 Tonnen Kartoffeln von einem einzigen Hektar geerntet!“

Trotz Eisernem Vorhang schaffte er es, auch über die Landesgrenzen hinaus sein Wissen und seine Leidenschaft zu exportieren. Vorträge auf internationalen Konferenzen, Fachartikel in den ausschlaggebenden Zeitschriften. Ungarn, Tschechoslowakei, DDR, Polen. Schließlich sogar das Reinschnuppern in den Goldenen Westen: Frankreich, Schweiz, BRD. Keine Selbstverständlichkeit in einem Land, das seine Bürger hinter stacheldrahtumzäunten Grenzen einsperrte.

Ich erinnere mich, wie aufgeregt wir Kinder stets die Rückkehr unseres weltgewandten Vaters aus der Ferne ersehnten. Nie vergaß er, uns Geschenke mitzubringen: aufregende Dinge, die es bei uns in Rumänien nicht zu kaufen gab. Ein großes Paket, das er nur dank seiner ausgeprägten Überzeugungskraft und gewandten Rede ins Flugzeug aus Warschau nach Bukarest hatte nehmen dürfen, ist fest in meinen Erinnerungen verankert. Was drin war? Eine Schuhputzmaschine mit elektrisch rotierenden Bürsten. So etwas hatten wir noch nie gesehen!

Trotz beeindruckender Karriere und Anerkennung von Wissenschaftlern aus aller Welt führten wir ein bescheidenes Leben. Mit dem Gehalt eines Ingenieurs und einer Professorin am Johannes Honterus Lyzeum war der rumänische Alltag gut zu bewältigen, große Sprünge konnten wir uns aber nicht erlauben. Kein geerbtes Haus, sondern eine kleine Wohnung in einem sozialistischen Plattenbau. Kein dickes Bankkonto, sondern das nötige Geld, um im Alltag gut über die Runden zu kommen. Keine bemerkenswerten Beziehungen, sprich: Kontakte zu den „oberen Zehntausend“, für die andere Regeln und so manche Vorzüge galten. Dafür hatte Dr. Bredt keine Zeit. Er lebte für seine Forschungen, ging frühmorgens mit seiner vollgepackten Aktentasche aus dem Haus und kam erst abends wieder, um selbst in seiner Freizeit weiter zu arbeiten.

Und doch erinnere ich mich an viele Momente, die mir heute noch sagen: Du hattest einen guten Vater, auch wenn er nicht immer da war. Die Sommerreisen durchs ganze Land – zuerst mit dem Zug, später mit dem 70.000 Lei-Dacia, auf den meine Familie viele Jahre gewartet hat. Die Wochenendausflüge, Speck braten in freier Natur, Wandern in Halbschuhen und mit Krawatte – tausende Dias, mit einer alten Voigtländer Kamera aufgenommen, zeugen noch heute von vielen kleinen und großen Abenteuern.

Dass der Kartoffeldoktor 1984 mit 52 Jahren einen kompletten Neuanfang gewagt hat und mit seiner Familie nach Deutschland ausgewandert ist, finde ich erstaunlich. Insbesondere, weil er von seinen beruflichen Tätigkeiten und deren Bedeutung im sozialistischen Rumänien so überzeugt war. Ohne Scheu vertrat er seine Ansichten in unzähligen, teils lautstarken Diskussionen mit Verwandten und Freunden, die schon längst mit dem „System“ abgeschlossen hatten und nur noch im „Goldenen Westen“ das Allheilmittel sahen.

Der Neuanfang in Deutschland war nicht leicht, aber er gelang. In Düsseldorf konnte Heinz Bredt weiter forschen, auch wenn es diesmal nicht die geliebte Kartoffel war, sondern die Beschaffenheit der Böden generell. Am Institut für Wasserwirtschaft von Nordrhein-Westfalen genoss er seinen Beruf bis zu seiner Rente 1995. Und auch noch viele Jahre später kamen die Kollegen in die Benrather Wohnblock-Wohnung zu Besuch, genossen die von Ehefrau Mathilde gebackenen Greta Garbo und Zitronenschnitten und diskutierten heiß über diverseste landwirtschaftliche Themen. Die 4 Zimmer-Wohnung füllte sich im Laufe der Jahre mit unzähligen Büchern und Dokumentationsmaterialien zu Themen so bunt und vielfältig wie das ganze Leben.

„Es gibt noch so viel, das ich lernen will, kennen will, beherrschen will. Ich bring mir die Welt ins Haus.“ Dies sollte sein Motto bis ins hohe Alter werden und auch sein Vermächtnis für die beiden Söhne und mittlerweile drei EnkelInnen.

Ganz besonders lag ihm seine Herkunft Siebenbürgen am Herzen. Schon als Schüler in Schäßburg und Hermannstadt wirkte er aktiv in Tanzgruppe und Chor mit, und Ausfahrten in die Dörfer der Umgebung genoss er als besondere Höhepunkte, natürlich nur, wenn seine Arbeit nicht darunter leiden musste. Auch der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland war er sehr verbunden und erinnerte uns, seine Söhne, stets daran, unsere alte Heimat nicht zu vergessen.

Auch als Rentner war mein Vater hyperaktiv – sehen, kennenlernen, wissen, einordnen, katalogisieren – es gab immer so viel zu tun und voller Stolz präsentierte er jedem Gast (seit 2018 dann in einer Berliner Hochhauswohnung) seine Sammlungen. „Würde ich die nicht haben, wäre ich schon längst tot.“

Dr. Heinz Werner Bredt entschlief am 9. Dezember 2021 friedlich im Alter von 89 Jahren im Kreise seiner Familie in Berlin-Lichterfelde.

„Wenn ihr mich sucht, sucht mich in euren Herzen. Habe ich dort eine Bleibe gefunden, lebe ich in euch weiter.“ Diese Worte Rainer Maria Rilkes, die meine Mutter und mein Bruder für die Trauerkarte ausgesucht haben, hätten ihm gefallen. Mehr noch einer seiner vielen Leitsprüche: „Es geht nicht, gibt‘s nicht“ oder „Was mich nicht kaputt macht, macht mich stark“ oder „Arbeiten und nicht verzagen“ …

Seine Worte klingen in meinen Ohren. Ich bin überzeugt, dass er in uns weiterleben wird.

Klaus Werner Bredt


Hochproduktive Sorten Vorbildliche Kulturenpflege

Wichtigste zeitgebundene Arbeit im Kartoffelbau: systematische Unkrautbekämpfung

Von Dr. Ing. Heinz Bredt

Die kühle und feuchte Witterung in diesem Frühjahr hat erhöhte Anstrengungen gefordert, um den Kartoffelanbau (auf fast 300 000 Hektar) termingerecht durchzuführen und qualitätsentsprechende Arbeit im Hinblick auf die Düngung, Bodenbearbeitung und Pflanzendichte zu leisten. Jetzt ist es notwendig, zu den Pflegearbeiten überzugehen.

Wichtigstes Ziel: wirksame, systematische Unkrautbekämpfung. Wo einjährige Samenunkräuter wie Hederich, wilder Senf u.ä. vorherrschen, kann am besten und mit großer Leistung der Unkrautstriegel eingesetzt werden, aber nur solange sich die Unkrautpflanzen im Keim- oder höchstens 2-Blatt-Stadium befinden. Gegen größere und Wurzelunkräuter muss mechanisch gehackt oder gehäufelt werden mit anschließenden Striegeln.

Sehr vorteilhaft können bis zum Aufgang der Kartoffelpflanzen das Hormonherbizid „2-4 D“ (1,5-2,5 kg/ha) oder noch besser Totalherbizide verwendet werden, vor allem auf feuchten, arbeitsempfindlichen Böden. Durch das Ausfallen von 1-2 mechanischen Arbeitsgängen wird so der Bodenverdichtung und Schollenbildung vorgebeugt.

Auf allen Flächen, auf denen langwirkende Bodenherbizide zur Anwendung kommen (5-6 kg/ha Gesagard, 0,75-1,5 kg/ha Séncor), muss die höchste Aufmerksamkeit dem Häufeln vor dem Kartoffelaufgang geschenkt werden: hohe, endgültige Dämme, ohne Schollenbildung und Bodendruck, als wichtige Voraussetzung für gute Herbizidwirkung und Ertragsbildung. Wenn alle Regeln des Herbizideinsatzes befolgt werden und nicht viele mehrjährige herbizidresistente Unkräuter aufkommen, genügt weiter gewöhnlich ein Endhäufeln zur Dammneuformung vor dem Bestandesschluss. Bei ausschließlich mechanischer Kulturenpflege erweist sich am wirksamsten das wiederholte Häufeln mit immer höherer Dammbildung, wodurch alle neuaufkommenden Unkräuter immer wieder mit Erde bedeckt und so durch Erstickung beseitigt werden. Es ist praktisch die einzige Methode, die Kartoffelpflege ohne Handhacken auf den Kartoffelreihen durchzuführen.

Ertragsfördernd erwies sich in Versuchen eine Lockerung des Bodens zwischen den Kartoffelreihen, auf 15-20 cm Tiefe, erklärt durch bessere Luftzuführung während der stark oxygenbedürftigen Knollenbildung.

Der so wichtige Pflanzenschutz fordert ebenfalls kompetente Pflegemaßnahmen. Koloradokäfer und Krautfäule (Phytophthora) zwingen bei den neuen hochproduktiven Kartoffelsorten zu 4-10 Spritzungen, je nach Befall und Günstigkeitsbedingungen, in erster Linie Witterung. Hinsichtlich der Bekämpfungsmittel sind in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt worden, so dass gegenwärtig alle Kreisstellen für Pflanzenschutz mit wirksamen Mitteln versorgt sind und auch die notwendige Technik zur Verfügung steht und nur rationell ausgelastet werden muss. Zur Bekämpfung des Koloradokäfers sind mindestens zwei Mittel auf Lager zu halten und alternativ anzuwenden, um Resistenzerscheinungen vorzubeugen.

Bei allen Pflegearbeiten gilt als strenge Regel, nie bei zu feuchtem Boden die Felder zu befahren. Deshalb ist es notwendig, jede günstige Arbeitszeit voll zu nutzen – durch gut organisierten Einsatz aller Kräfte und Arbeitsmittel.

(Neuer Weg, Bukarest, 15. Mai 1974, Seite 5)

Weitere Zeitdokumente

Artikel von und über Heinz Bredt, erschienen von 1962 bis 1981 in der Karpatenrundschau, dem Neuen Weg, Romanian News und Făclia (jpg-Dateien zum Herunterladen)

Asigurînd denisitatea maximă vom obține recolte bogate, Făclia, 19.06.1962

Erfolgreiche Kongressarbeit, Neuer Weg, 6.9.1964

Wie retten wir den Knollenertrag, Karpatenrundschau, 22.09.1972

Schon beim Anbau die Ernte berücksichtigen, Karpatenrundschau, 29.03.1974

Worauf es jetzt ankommt, Karpatenrundschau, 21.03.1975

Knollen wollen rollen, Karpatenrundschau, 12.09.1975

Weniger Arbeit und doch mehr Knollen, Karpatenrundschau, 19.3.1976

Bewusstes Mitmachen entscheidet, Neuer Weg, 1.6.1976

Ein TV-Jubiläum, Neuer Weg, 12.02.1977

The Third Part of One's Life, Romanian News, 16.01.1979

Kartoffelbau in Eigengärten, Neuer Weg, 25.02.1981

Wir müssen umdenken lernen, Karpatenrundschau, 31.07.1981, Seite 1

Wir müssen umdenken lernen, Karpatenrundschau, 31.07.1981, Seite 3

Schlagwörter: Wissenschaft, Agrarwissenschaft, Nachruf, Landwirtschaft, Marienburg

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