24. Mai 2022

Christine Kenst: Siebenbürger Sachsen wissen um die Kraft ihrer Gemeinschaft

Warum Christine Kenst dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland angehört, sagt sie in diesem Gespräch mit Dietmar-Udo Zey. Sie wurde im Dezember 1955 in Baaßen, mit dem Mädchennamen Faff, geboren. Heute lebt sie in Bremen und engagiert sich ehrenamtlich in den Vorständen der Kreisgruppe als Kulturreferentin und des Landesverbandes Niedersachsen/Bremen als Frauenreferentin und stellvertretende Kulturreferentin. Kenst bedauert, dass viele Siebenbürger Sachsen dem Verband nicht angehören, und ruft ihnen zu: „Werdet Mitglied und stärkt unsere Gemeinschaft!“ Das Gespräch führte Dietmar-Udo Zey.
Christine Kenst in Baaßner Tracht, aufgenommen ...
Christine Kenst in Baaßner Tracht, aufgenommen von ihrem Mann Michael Kenst.
Christine, ich weiß, dass du immer enttäuscht reagierst, wenn das Thema der Verbandsmitgliedschaft, besser gesagt der „Nicht-Mitgliedschaft“, zur Sprache kommt.
Ich habe keine Recherche betrieben, aber ich glaube, dass die Mehrheit aller in Deutschland lebenden Siebenbürger Sachsen nicht Mitglieder unseres Verbandes ist. Sie kommen zwar zu den großen Veranstaltungen, in denen wir unsere Zusammengehörigkeit feiern und kundtun, wie z.B. in Dinkelsbühl oder zu unserem Heimattag der Nordlichter, sind aber nicht bereit, in den Verband einzutreten.

Welches sind die Gründe hierfür?
Ich habe viele Gespräche mit Nicht-Mitgliedern geführt. Zu hören bekam ich die unterschiedlichsten und sehr enttäuschenden Argumente wie: „Was habe ich davon, was machen die für mich?“ Ich koche über, wenn ich das höre! Andere Argumente: „Die Zeitung lese ich von meiner Schwester, Nachbarn“ oder: „Ich kann zu den Veranstaltungen gehen, auch ohne Mitglied zu sein.“ „Ich bekomme auch ohne Mitgliedschaft alle Rechte, die mir zustehen.“

Frustrierend, oder? Sind das starke, glaubhafte und damit zu akzeptierende Argumente? Kannst oder willst du darauf überhaupt noch reagieren?
Ja, es ist nicht leicht, die passenden Worte zu finden. Das Nächstliegende für mich war immer, darauf hinzuweisen, dass unsere gewählten Vertreter eine Menge für uns alle erwirkt haben: Anerkennung als Vertriebene, Einbürgerung, Eingliederungshilfen, Restitutionen, Entschädigungen für Zwangsarbeit und Deportationen etc. Der Verband der Siebenbürger Sachsen ist, sozialpolitisch betrachtet, unsere einzige Interessenvertretung in Deutschland. Bei vielen unserer Landsleute meine ich einen sogenannten Wohlstandsegoismus zu beobachten: Alles, was zu haben ist, annehmen, aber zu Gegenleistungen nicht bereit sein.

Reicht es, den Siebenbürgern, die den Weg noch nicht in unseren Verband gefunden haben, aufzuzeigen, welche Leistungen er erbracht hat? Müssen wir für neue Mitglieder, die wir ja einbinden wollen, nicht Perspektiven aufzeigen, und gibt es die überhaupt?
Wenn die Bewahrung und Förderung, also die Pflege und Sicherung unseres siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes eine aktuelle und künftige Aufgabe sein soll, wenn wir das wollen, dann ist es genau das, was sich der Verband auf die Fahne geschrieben hat. Dabei mitzuwirken, sich dafür zu engagieren, das kann uns Siebenbürgern doch nicht gleichgültig sein! Ich will allen zurufen: „Werdet Mitglied und stärkt mit eurem Jahresbeitrag unsere Gemeinschaft, den Erhalt unseres Erbes und den Fortbestand unserer Identität!“

Das ist doch ein Aspekt, der in die Aufmerksamkeit der Nicht-Mitglieder gerückt werden muss. Das sind doch handfeste Argumente. Wie formuliert man sie so, dass sie Gehör finden und ankommen? Daran zu arbeiten soll unser nächstes Ziel sein.
Ich kann nur hoffen, dass es uns gelingt mit wohlüberlegter Ansprache und mit dem Hinweis, dass wir Siebenbürger nur sind, wer und was wir heute darstellen, weil wir über Jahrhunderte hinweg zusammengestanden haben, weil wir unsere Sprache, Bräuche und Normen bewahrt und gepflegt haben. Welche Volksgruppe – schauen wir auf die Bayern, Schwaben, Friesen usw. – würde sich für die Wahrung und Fortentwicklung der eigenen Kultur nicht einsetzen? Das ist es doch, wofür unser Verband in der Hauptsache einsteht.

Du bist schon seit 1984 aktives Mitglied in eurer Kreisgruppe Bremen. Im Kreisvorstand, aber auch im Landesvorstand hast du klar umrissene Ämter und Aufgaben. Damit hast du ein klares Bild, wie es in der Kreisgliederung um die Mitgliedschaft aussieht.
Innerhalb der Kreisgruppe bin ich zurzeit Kulturreferentin. Auf Landesebene bekleide ich das Amt der Frauenreferentin und stellvertretenden Kulturreferentin. Ich trage auch Verantwortung! Doch es ist nicht mehr, was mal war – das muss ich in aller Deutlichkeit sagen. In der Vergangenheit haben mein Mann, der ja Kreisvorsitzender ist, und ich viele Veranstaltungen organisiert. Leider ist die Zahl der Mitglieder stetig gesunken, so dass beispielsweise keine Bälle mehr stattfinden. Aus der ehemaligen Tanzgruppe hatte sich eine feste Gruppe Aktiver gebildet. Übrigens: Wir haben wunderschöne Trachten, die immer bewundert worden sind. Getanzt wird nicht mehr, es fehlt der Nachwuchs. Was noch lebt: In den letzten zehn Jahren treffen wir uns, Frauen und Männer, immer am letzten Freitag eines Monats in der „Rokenstuf“. Jährlich habe ich Ausflüge mit ein bis zwei Übernachtungen in Norddeutschland durchgeführt. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass wir nicht nur Geselligkeit pflegen, sondern auch unsere neue Heimat besser kennenlernen: die Nordseeküste, Lüneburger Heide, den Harz und Friesland – hier auf einer Segelfreizeit.

Es tut sich also doch noch etwas?!
Im Laufe der Jahre habe ich an vielen Treffen, Festen, Tagungen und Heimattagen teilgenommen. Es macht mich glücklich, wenn ich diese Vertrautheit, Zusammengehörigkeit spüre, die sich einstellt, sobald ich mit teilweise noch unbekannten Landsleuten ins Gespräch komme. Ich fühle eine Seelenverwandtschaft. Das ist es, was mich anspornt, im Verband zu sein und aktiv mitzugestalten.

Dann, liebe Christine, lass nichts anbrennen, leg dich ins Zeug! Ich wünsch dir viel Glück und bestes Gelingen bei deiner Werbung für Neumitglieder! Vielen Dank für das Gespräch!

Schlagwörter: Interview, Landesgruppe, Niedersachsen/Bremen, Frauenreferentin, Kulturreferentin, Kenst

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