20. Dezember 2022

Siebenbürgisch-sächsische Herkunft als Kraftspender: Helmuth Gaber im Gespräch

Helmuth Gaber, Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen, stellte sich am 12. November im Rahmen einer Vorstandssitzung den Fragen seiner Vorstandskollegen. Sie wollten wissen, woher sein Eintreten für den Verband und das Ehrenamt kommt und wie er die Perspektive unserer Gemeinschaft einordnet. Den Gesprächsinhalt hat Dietmar-Udo Zey aufgezeichnet.
Helmuth Gaber, Landesvorsitzender der ...
Helmuth Gaber, Landesvorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen – Bremen
Helmuth, du bist 1963 in Bogeschdorf, im Kokel-Weinland geboren. Ist der Ort die Quelle für deine Einsatzfreude und dein immenses Schaffenspensum, auch für das Amt des Landesvorsitzenden?
Einfach und direkt gesagt: Ich trage dieses kraftspendende, siebenbürgisch-sächsische Gefühl in mir. Daraus ergibt sich auch mein mutiges, vorwärts gerichtetes Leben und Handeln. Verantwortung trage ich in meinem beruflichen Leben seit den späten 1980er Jahren, durchgehend und mit großer Leidenschaft. Insofern reiht sich dieses Ehrenamt im Verband der Siebenbürger Sachsen nahtlos ein – in ein mir selbstverständliches Betätigungsfeld. Seit 2006 arbeite ich gemeinsam mit meiner Familie daran, unsere Präsenz in Bogeschdorf, wenn auch abgewandelt, stark und dauerhaft zu verankern. Wir leben alle hier in Deutschland, konnten jedoch betriebliche Aktivitäten wie Wein- und Ackerbau wieder starten lassen. Ich bin also ein Landesvorsitzender, der auch einen tagaktuellen Bezug zu Siebenbürgen hat.

Das ist also Status quo. Wie war dein Verhältnis in deiner Jugendzeit zum Verband der Siebenbürger Sachsen?
Ich habe die späten 60er Jahre in Bogeschdorf bewusst erlebt und nach meiner Erinnerung gab es nur uns, die Sachsen. Durch Geburt gehörte ich dazu. Und so lebte ich frohgemut in dieser Gemeinschaft, erlebte die wöchentlichen, monatlichen und jährlichen Abläufe in gewohnter, traditioneller Weise: rund um die evangelische Kirche. Daran habe ich die allerbesten Erinnerungen! Erst 1973, als ich ins Internat nach Mediasch kam, erschloss sich mir die andere Welt. Dann übersiedelten wir erfreulicherweise sehr früh, bereits 1974, nach Deutschland. Zur Landsmannschaft gab es, soweit mir bewusst, damals kein Verhältnis.

Aber später, wie hast du die Landsmannschaft, also den Verband wahrgenommen?
Wie gesagt: Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland spielte in meiner Kindheit und Jugend keine Rolle. Zumindest nicht bewusst. Wir blieben in Deutschland zunächst Siebenbürger Sachsen, sprachen unseren Dialekt, trafen unsere Verwandten und weitere Siebenbürger, die nach und nach auch hierhin gezogen sind. Meine Eltern bezogen die Siebenbürgische Zeitung und wir fuhren alle fünf Jahre nach Dinkelsbühl zum Heimattag.
Da sowohl meine Eltern als auch mein Bruder durch Sport, Musik und Mitgliedschaften in deutschen Kulturvereinen gut eingebunden waren, gab es keine aktiven Berührungspunkte für uns, hin zu unserem Verband der Siebenbürger.

Weißt du noch, in welchem Jahr du zum ersten Mal am Heimattag in Dinkelsbühl teilgenommen hast und welcher Programmpunkt dir am besten gefallen hat?
Meine Eltern nahmen mich erstmalig in den späten 1970er Jahren mit nach Dinkelsbühl. Besonders in Erinnerung geblieben – und das ist heute noch so – ist der Trachtenumzug. Darin spiegelt sich alles Gute wider, was ich als Kind in Bogeschdorf als besonders wertvoll abgespeichert habe: Dieser Stolz der Siebenbürger, wie sie durch die Tracht eine kennzeichnende, hervorgehobene Stellung einnehmen. Der Trachtenumzug erinnert mich immer wieder an den sonntäglichen Kirchgang. Es hält meine Erinnerungen an Familie, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft wach. Dazu die Musik und das festliche Miteinander. Das ist für mich der Gemeinsinn, darin gehe ich auf, daraus ziehe ich die Emotionalität für meine Herkunft, zu der ich mich stets mit Stolz bekenne.

Seit wir dich als Volkmar Gergers Nachfolger kennen, erleben wir dich als einen leidenschaftlichen, aktiven und motivierten Siebenbürger Sachsen. Wie siehst du die Zukunft unseres Verbandes auf Kreis-, Landes- und Bundesebene?
Ich spüre wie nahezu alle Siebenbürger dieses Besondere und uns Verbindende tief in mir. Ein starkes Gefühl für unsere Volksgemeinschaft: die Art zu leben, zu denken und den über Jahrhunderte geprägten Charakter. Diesen Schatz gilt es so lange wie nur möglich zu bewahren. Andererseits ist meine eigene Kindheit und Jugendzeit ein Beleg dafür, wie sehr sich Siebenbürger Sachsen einem Verband entziehen können. Den meisten geht es hier in Deutschland gut, sie sind derart gut integriert, dass die Bereitschaft, sich dem eigenen Verband anzuschließen, nicht aus der Not heraus erfolgt. Um einer auf Freiwilligkeit basierenden Bereitschaft einem Verband beizutreten, bedarf es schon guter Argumente, um unsere Landsleute mobilisierend zu begeistern. Unser Verband wird in den kommenden Jahrzehnten leider viele treue Mitglieder, altersbedingt, verlieren. Die meisten dieser Siebenbürger Sachsen haben Kinder, Enkel und Urenkel. Hier gilt es präsent zu sein und die Fragen offensiv zu stellen: „Wer bin ich und warum bin ich wie ich bin?“ – „Was unterscheidet mich von …?“. Neugierde schafft Zugang! Ich bin sicher, dass unsere Geschichte und Kultur durch ihre Einzigartigkeit so prägend sind, um auch Jugendlichen die Argumente zu liefern, die für sie verständlich sind und eine Brücke zum Siebenbürgisch-Sächsischen schlagen helfen. Das heißt für uns: Wir müssen auf allen Verbandsebenen sehr rasch geeignete Konzepte entwickeln und der Umsetzung zuführen. Wir werden zusammenrücken müssen und wir werden uns von Unnötigem mutig verabschieden, genauso wie wir unsere Stärken noch mehr herausarbeiten und das verbindende Band in den Fokus aller Aktivitäten zu stellen haben. Das hört sich vielleicht philosophisch an – Konkretisierung muss unsere Aufgabe sein.

Konkret: In welcher Weise könnte unsere Landesgruppe die Kreisgruppen bei der Durchführung von Kulturveranstaltungen unterstützen, besonders vor dem Hintergrund, dass es Kreisgruppen mit wenigen Mitgliedern und wenig Potenzial für Kulturarbeit gibt?
Wir werden, wie bereits gesagt, zusammenrücken müssen. Bestes Beispiel hierfür war unser Anfang September begangener Heimattag der Nordlichter und gleichzeitige Jubiläumsfeier unserer Landesgruppe. Gemeinschaftlich ist es gelungen, ein großes Fest auszurichten. Keine unserer Kreisgruppen wäre dazu in der Lage. Also sprechen wir uns untereinander ab und jede Kreisgruppe liefert alles, was möglich ist und ins Veranstaltungskonzept passt. Die Organisation gehört dann in Kreisgruppen übergreifende Hände – das ist zur Aktivierung aller, bei schwindender Mitgliederzahl, sehr wichtig, auch für die Zukunft. Solange wir bereit sind, uns zu organisieren und einzusetzen und auch noch reisen können, um benachbarte Kreisgruppen zu unterstützen, werden wir unser kulturelles Erbe bewahren und aufrechterhalten. Eine anspruchsvolle Aufgabe für uns alle, lohnen wird es sich allemal.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Niedersachsen/Bremen, Interview, Landesvorsitzender

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