9. August 2006

Hans-Christian Habermann: "Unsere Kirchenburgen brauchen Freunde und Besucher"

Hauptziel der am 31. August 1979 gegründeten Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung mit Sitz in München sind die Förderung der kulturellen und sozialen Belange der Siebenbürger Sachsen. Zum Aufgabenbereich der Stiftung gehören Studienbeihilfen in Deutschland, die Herausgabe von Heimatbüchern, die Verleihung des Ernst-Habermann-Preises alle zwei Jahre, die Förderung von Musikveranstaltungen wie dem Carl-Filtsch-Festival in Hermannstadt und andere Sonderprojekte. Seit 1992 wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Sicherung der Kirchenburgen in Siebenbürgen gesetzt. Kürzlich ist es gelungen, eine projektbezogene Zusammenarbeit mit dem renommierten World Monuments Fund zu erreichen. Über die Aktivitäten der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung sprach Ruxandra Stănescu mit Dipl.-Ing. Hans-Christian Habermann, dem Vorsitzenden des Stiftungsrates.
Welche Ziele verfolgt die Stiftung bei ihrer Arbeit an den Kirchenburgen?
Die Zeit des politischen Umbruchs in Rumänien ist noch nicht zu Ende und wirkt sich weiterhin auf die dort lebenden Siebenbürger Sachsen aus. In dieser Situation hat die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung ihre Bemühungen um die Rettung und Erhaltung von historischem Kulturgut in Siebenbürgen intensiviert. Unsere Bemühungen bestehen darin, Kirchenburgen zu erhalten, sei es durch Sicherungen oder komplette Restaurierungen. An gut 70 Kirchenburgen haben wir Notmaßnahmen durchgeführt, viele davon weisen schwere Schäden auf. Die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung hat Patenschaften über die Kirchenburgen Tartlau und Honigberg übernommen und beide Wehrkirchen aufwändig restauriert. Zurzeit wird die Kirchenburg Birthälm komplett restauriert. Wir hoffen, dass in Kürze die Restaurierungsarbeiten an der Reußmärkter Kirchenburg begonnen werden können. Unser Ziel ist es, so viele Kirchenburgen wie möglich zu restaurieren und zu erhalten.

Beim Podiumsgespräch zur Sicherung von Kirchenburgen im März 2006 in Hermannstadt: Dipl.-Ing. Hans-Christian Habermann, Vorsitzender des Stiftungsrats der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung (links), im Gespräch mit Dr. Wolfram Theilemann, dem Leiter des Teutsch-Hauses in Hermannstadt. Foto: Winfried Ziegler
Beim Podiumsgespräch zur Sicherung von Kirchenburgen im März 2006 in Hermannstadt: Dipl.-Ing. Hans-Christian Habermann, Vorsitzender des Stiftungsrats der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung (links), im Gespräch mit Dr. Wolfram Theilemann, dem Leiter des Teutsch-Hauses in Hermannstadt. Foto: Winfried Ziegler

Der World Monument Fund (WMF) ist eine gemeinnützige, internationale Organisation mit Hauptsitz in New York, die sich weltweit der Erhaltung von Denkmälern und historischen Stätten widmet. Welche Bedeutung messen Sie der Zusammenarbeit mit dieser Organisation bei?
Die Zusammenarbeit bringt einen wichtigen Mittelzuwachs. Gleichzeitig wird unsere Stiftung in einen alle Grenzen überschreitenden Kulturkreis aufgenommen. Unsere Arbeit und somit auch Siebenbürgen werden vom World Monuments Fund weltweit erwähnt. Gemeinsam sollen nicht nur Kirchenburgen instandgesetzt, sondern in Hermannstadt soll auch die Fassade des Brukenthalpalais neu gestaltet werden. Das Projekt wird federführend vom rumänischen Kulturministerium betreut. Wichtig bei den Arbeiten in Hermannstadt ist, dass die Gebäude in ihren ursprünglichen Farben erscheinen und wir somit ein Beispiel für weitere Arbeiten am Großen Ring statuieren.

Wir rechnen damit, 2007 und 2008 mehrere Komplettrestaurierungen auf einmal durchführen zu können. Der World Monuments Fund und die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung werden sich die Restaurierungskosten teilen. Die Mittel des World Monuments Fund sind zweckgebunden und für die Restaurierungsarbeiten an Baudenkmälern bestimmt. Wir planen, weitere Kirchenburgen zu sichern. Außer der Sicherung erhalten verschiedene Kirchengemeinden mehrere Jahre nach der Sanierung und Komplettrestaurierung Mittel für den weiteren Erhalt der Bauten.

Mit welchen Organisationen arbeiten Sie dabei zusammen?
Wir streben eine gute Zusammenarbeit mit allen Gleichgesinnten an. Es geht darum, dass sich alle Beteiligten vernünftig einsetzen. Vor allem unterstützen wir die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, der in der Praxis die Bewahrung der sächsischen Kulturschätze Siebenbürgens obliegt. Die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) will sich als Nächste in die Notsicherung von Kirchenburgen einschalten.

Gute Erfahrungen haben wir auch mit dem rumänischen Kulturministerium gemacht, alle Mitarbeiter waren zuvorkommend und haben geholfen. Eine gute Grundlage dazu bildet ein Abkommen, das wir Ende 1999 mit dem Kulturministerium Rumäniens abgeschlossen haben. 2003 gründeten wir eine weitere Stiftung zum Erhalt des Kulturerbes der Siebenbürger Sachsen, die „Christian-Habermann-Stiftung“, ein Pendant der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung mit Sitz in Bukarest.

Ist es nach Ihrer Meinung sinnvoll, die Kirchenburgen auch zu anderen Zwecken zu nutzen, etwa als Konferenz- und Ausstellungsräume oder sogar Restaurants?
Viele evangelische Kirchen, vor allem in Nordsiebenbürgen, können auch von anderen Konfessionen genutzt werden. Durch Ausstellungen wird man bekannt und erhält auch finanzielle Unterstützungen. Die Einrichtung von Tagungsräumen oder Restaurants wäre dort denkbar, wo entsprechende Räumlichkeiten vorhanden sind. Diese Entscheidung sollte gemeinsam mit den Eigentümern getroffen werden. Die Kirche in der Kirchenburg will man gewöhnlich nicht entfremden, sondern für den Gottesdienst behalten.

Die Kirchenburgen haben ein starkes Eigenleben, eine eigene Geschichte, da die Dorfbewohner, die sie gebaut haben, sehr unterschiedlich waren. Das kann man an den jeweiligen Ortsdialekten erkennen. Durch die Benutzung wird Interesse geweckt und das gibt den Kirchenburgen neue Überlebensmöglichkeiten.

Wir versuchen auch, in jeder voll restaurierten Kirchenburg ein kleines Heimatmuseum einzurichten, welches den Besuchern einen Überblick über das Leben der Dorfbewohner gibt. Ich persönlich kaufe zum Beispiel hier im Westen siebenbürgische Gegenstände auf, vor allem alte Krüge und Teller, welche ich zur Bereicherung dieser Museen zurück an ihre Ursprungsorte nach Siebenbürgen schicken werde.

In diesem Zusammenhang hat die Stiftung – in enger Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim – nach der Wende Maßnahmen zur Erhaltung des Kulturerbes durchgeführt. Zum größten Teil wurden die so zusammengeführten Gegenstände für eine Ausstellung in München (Kulturzentrum am Gasteig, 1990) verwendet, die im darauf folgenden Jahr auch in Düsseldorf gezeigt wurde. Einiges verwenden wir aber auch in unseren Museen. Zu erwähnen ist auch der Beitrag der Stiftung zu den bayerischen Kulturtagen in Hermannstadt in September 2000.

Ich persönlich und die Stiftung unterstützen Hermannstadt, das 2007 zusammen mit Luxemburg europäische Kulturhauptstadt sein wird, durch finanzielle Beiträge und durch Programme, welche wir aufstellen wollen. Wir wollen dabei die Herkunft und Geschichte der Siebenbürgen Sachsen hervorheben sowie ihre Bedeutung bei der Eingliederung Rumäniens in die Europäische Union.

Arbeiten Sie auch mit anderen siebenbürgischen Einrichtungen in Deutschland und insbesondere mit der Landsmannschaft zusammen?
Viele Projekte wurden gemeinsam mit der Landmannschaft der Siebenbürgen durchgeführt. So wurde das 25. Bestehen der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung im Rahmen der Kulturtage der Landmannschaft in September 2004 in Nürnberg gefeiert. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat, dem die Stiftung angehört, arbeiten wir eng zusammen. Als aktuelles Vorhaben wollen wir ein sächsisches Bauernhaus im Bukarester Dorfmuseum aufstellen. Dieses Projekt wurde zusammen mit dem Vorsitzenden des Kulturrates, Dr. Christoph Machat, ausgedacht und mit dem rumänischen Kulturministerium ausgearbeitet.

Wie gesagt, verbinden uns viele Gemeinsamkeiten auch mit der Landmannschaft, vor allem Projekte, die in Deutschland durchgeführt wurden. Wir rechnen damit, dass diese Zusammenarbeit in Zukunft immer enger werden wird, da sich das Wirken für die Erhaltung des siebenbürgisch-sächsischen Erbes immer mehr auf die alte Heimat konzentrieren wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unseren Siebenbürgen Sachsen im Westen und in der alten Heimat am besten helfen können, wenn alle unsere Organisationen so eng wie möglich zusammenarbeiten.

Haben Sie ein Lieblingsprojekt?
Ich habe sehr viel Freude an unserer Arbeit und wünsche mir, immer mehr Kirchenburgen sanieren zu können und ihr Überleben zu sichern. Wir wollen uns auch an anderen Arbeiten beteiligen, z.B. an der Restaurierung des Frecker Sommerpalais von Samuel von Brukenthal. Besonders wichtig erscheint mir, unser Siebenbürgen bekannter zu machen, weil viel zu wenige es kennen. Unsere Baudenkmäler brauchen Freunde und Besucher damit sie auch nach uns erhalten werden können. Der World Monuments Fund ist uns hierfür von großer Hilfe.

Es gibt in Siebenbürgen noch sehr viel zu tun, um unsere Erbe zu sichern. Deshalb bitten wir alle Siebenbürgen Sachsen und deren Freunde um Mitarbeit. Liebe Leser, helfen auch Sie, unsere Kirchenburgen, unsere Städte, unser Erbe zu erhalten!
Vielen Dank für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2006, Seite 3)

Schlagwörter: Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, Kirchenburg

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