1. Juni 2004

Otto Staniloi

Die Spider Murphy Gang, Kultkapelle aus München-Schwabing, begeistert auch heute mit ihren aufmüpfigen, handgemachten Rock'n'Roll-Klängen und witzigen Texten in bayerischem Dialekt. Die Konzertbesucher sind oft jünger als die Single "Skandal im Sperrbezirk". Eines der Bandmitglieder, Otto Staniloi, kommt aus Siebenbürgen. Das E-Mail-Interview mit dem vielseitigen Musiker führte Robert Sonnleitner.

Sie sind am 2. Februar 1954 in Kronstadt geboren und in Weidenbach aufgewachsen. Woher rührt Ihre Liebe zur Musik?

Seit meiner frühesten Kindheit wollte ich Musiker werden. Damals natürlich eher in Richtung Blaskapelle, da ich wusste, dass mein Urgroßvater Peter Klöck einst Leiter der Blaskapelle gewesen war. Spätere Anstöße kamen von Lehrer Preidt (bei dem ich Blockflöte und später Musikunterricht hatte), Georg Waedtleges (Leiter der Jugend-Blaskapelle) und natürlich meinen Eltern.

Welches war Ihr musikalischer Werdegang in Siebenbürgen?

Mitte der 60er Jahre besuchte uns mein Onkel aus Berlin, Franz Klöck. Er konnte auf meiner Blockflöte so viel besser spielen als ich, dass ich mit ganz neuem Ehrgeiz anfing zu üben. Ab der 5. Klasse besuchte ich dann das Musiklyzeum in Kronstadt. Die klassische Musik interessierte mich nicht so sehr, vielmehr Jazz, Blues, Beat usw., was man in Rumänien leider nicht lernen konnte. Andreas Gehann war Dirigent am Musiktheater Kronstadt, Abteilung "Estrada" (heute würde man das "Musical" nennen), und engagierte mich. So war ich eineinhalb Jahre (bis zur Ausreise von Gehann) auf Tourneen in ganz Rumänien unterwegs und konnte dabei viel über Bigbandsound und moderne Musik lernen. Dann machte ich Bekanntschaft mit den Musikern Erwin Göllner, Gunther Schreiber, Hans Suer und Sorin Dogaru von der Band Flamingo. Wir spielten vor allem in Kronstadt, aber auch in Sinaia und Mamaia. Meine Militärzeit "saß" ich im Musikcorps in Kronstadt ab.

Welche Höhepunkte erlebten Sie bis zu Ihrer Ausreise?

Recht erfolgreich war die Jugendblaskapelle Weidenbach, in der ich weiterhin Klarinette spielte. Die Kapelle belegte in den späten 60er Jahren den zweiten Platz bei einem landesweiten Wettbewerb. Ein besonderes Ereignis war 1971-72, als wir mit der Weidenbacher Volkstanzgruppe (ich spielte Klarinette) vor dem deutschen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und Diktator Ceausescu auftraten.

Seit März 1977 leben Sie in Deutschland. Was bewog Sie, Siebenbürgen zu verlassen?

Meine Familie erhielt die Genehmigung zur Ausreise und für mich ging damit auch ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Alle meine Musikerkollegen wollten oder waren schon ausgereist, denn Mitte der 70er Jahre mussten wir immer mehr rumänische Musik spielen. Der Verlust der künstlerischen Freiheit und natürlich die Anreize des "reichen" Deutschlands sind die Hauptgründe für meine Ausreise gewesen.

Konnten Sie nach Ihrer Ausreise nahtlos an Ihre Erfolge als Berufsmusiker in Siebenbürgen anknüpfen?

Zwei meiner Kollegen der Flamingos kamen etwa zur gleichen Zeit nach Deutschland, und wir versuchten als Band, an die alten Erfolge anzuknüpfen. So spielten wir zufällig 1978 auf einem kleinen Festival im Schwarzwald, wo ich die damals noch völlig unbekannte Spider Murphy Gang kennen lernte. Ein Jahr später ging unsere neue Flamingo-Band jedoch auseinander. Durch einen Freund kam ich zu den Supremes, die gerade eine Europatournee machten. Dann wechselte ich zur John West Big Band, die damals so gut wie jeden Künstler von Rang und Namen bei Konzerten und Galas begleitete. 1981 spielten wir im Bonner Hofgarten bei der CDU-Großdemonstration vor mehr als 200 000 Menschen.

1983 ging ich zur Band von Michael Schanze. Seit 1996 bin ich Mitglied im Orchester Hugo Strasser, mit dem wir auch viele Studiaufnahmen für Filmmusik, Tanzplatten usw. machten. Mit Ernst Mosch und seinen Egerländer Musikanten nahm ich die Jubiläums-CD auf. Mit Werner Tauber und seinem Orchester habe ich ca. 15 Jahre lang fast jede Tanzformationsmusik in Deutschland aufgenommen.

Mit der Thilo Wolf Bigband aus Fürth spiele ich auch schon lange bei Fernsehshows (Patrick Lindner, Swing it u.a.) mit. Bei verschiedenen Musicals wirke ich als Musiker (Saxophon Klarinette, Flöte) mit. Seit drei Jahren spiele ich auch in der Band beim Politiker Derblecken auf dem Nockerberg in München (Saxophon, Klarinette, Flöte, Tuba Gitarre).

Seit 1995 sind Sie bei der "Spider Murphy Gang" (SMG) zuständig für Saxophon (Tenor, Bariton, Sopran). Beim unplugged Programm spielen Sie auch Tuba, Flöte und Bass. Unter welchen Umständen sind Sie zur Band gestoßen?

Die Jungs suchten gerade einen neuen Rock'n'Roll Saxophonisten, als wir uns zufällig in München wieder trafen. Seitdem spiele ich bei SMG. In den anderen Orchestern versuche ich je nach Terminplan weiter mitzuspielen.

Die SMG hat Musikgeschichte geschrieben und pflegt selbstbewusst musikalische Traditionen. Wie wurden Sie als "Zugroaster" von den Kollegen aufgenommen, inwiefern bestimmen Sie heute die Richtung mit, die die Band beschreitet?

Ich wurde von meinen Kollegen nett und freundliche aufgenommen. Die Richtung, die die Band beschreitet, kann ich natürlich nur sehr wenig beeinflussen (außer bei Bläserparts), weil die Band natürlich immer noch nach "alten Rezepten" arbeitet, die ja sehr erfolgreich waren und immer noch sind.

Seit einem Vierteljahrhundert ist die Spider Murphy Gang im Musikgeschäft aktiv. Die größten Erfolge feierte die Band in den Achtzigern. Selbst in Siebenbürgen durfte in den späten Achtzigern der absolute Fetenklassiker "Skandal um Rosi" (Skandal im Sperrbezirk) auf keiner Party fehlen. Obwohl Rock'n'Roll-Kapelle und Mundartrocker, wurde die SMG damals sehr schnell zu der neuen Musikrichtung "Neuen Deutschen Welle" gezählt. Wieso das?

Einige der großen Hits der SMG sind etwas anders gestrickt als ein üblicher Rock'n'Roll. Weil in dieser Zeit die Neue Deutsche Welle gerade über Deutschland schwappte, zählte man sie einfach dazu, weil es doch etwas Neues, Deutschsprachiges war und es am besten in die NDW passte. Die NDW war ja sehr vielschichtig. Fast jede Band hatte einen völlig eigenen Stil und trotzdem war alles NDW.

Die SMG wird aber auch dem Phänomen der modernen Musik "Alpenrock" und "Dialektrock" zugeordnet. Dazu gehören auch andere überregionale Stars wie Biermösl Blos, Hubert von Goisern mit den Alpinkatzen, Wolfgang Ambros, Haindling, Konstantin Wecker u.a. Wie sehen Sie das Alpenrock-Phänomen?

Der Alpenrock ist eine interessante Sache. Er ist eigentlich nichts wirklich Neues, aber er kombiniert die Elemente der deutschsprachigen modernen Musik (Volksmusik und Rock) neu. Die Urkraft und der Schwung der Volksmusik mit dem einprägsamen Rhythmus, der Präzision, der Härte, dem Zeitgeist und dem musikalischen Esprit der Rockmusik, gepaart mit witzigen Texten in bayerischem oder österreichischem Dialekt.

Die SMG genießt den Ruf, eine der besten deutschen Live-Acts zu sein. Was macht die SMG besser als andere Bands?

Wenn wir auf der Bühne sind, dann sind wir das mit Haut und Haaren, haben viel Spaß an dem, was wir tun, und das fühlt das Publikum.

Die SMG begeisterte in einem Konzert im Oktober 2003 im Lustspielhaus München mit einem Rock'n'Roll-Klassiker nach dem anderen. Anfang 2004 erschien nun das neueste Live-Album "Unplugged - Skandal im Lustspielhaus", das deutlich zeigt, wo die Wurzeln der Spider Murphy Gang liegen, nämlich im guten, alten Rock'n'Roll. Im Konzert, das ohne elektronische Hilfsmittel bestritten wird, kommen Sie als Instrumentalist besonders gut heraus. Würden Sie sich öfter wünschen, dass Ihre Parts als Instrumentalist stärker in den Vordergrund kommen?

Natürlich wünsche ich mir mehr musikalische Freiheit und Solis, aber schließlich bin ich Teil der Band und kein Solokünstler.

Sie waren schon mit den Surpremes auf Tour und mit Udo Lindenberg auf der Feuerland-Tour. Waren das Höhepunkte Ihrer Karriere in Deutschland, oder stufen Sie andere Ereignisse als wichtiger ein?

Sicher waren die Supremes und Udo Lindenberg Höhepunkte in meiner Karriere, doch 200 000 Menschen in Bonn, oder mit der SMG 1999 in Barcelona und 2001 in Mailand mit dem FC Bayern, jeweils im Endspiel der Campions-League, war auch nicht schlecht. Wir spielten eine halbe Stunde vor Spielbeginn auf dem Rasen in der Bayernkurve vor etwa 100 000 Leuten im Stadion.

Wie sieht Ihre Zwischenbilanz als Fünfzigjähriger aus: Fühlen Sie sich als Berufsmusiker erfüllt? Welche weitere Ziele haben Sie ins Auge gefasst?

Meine Zwischenbilanz sieht nicht schlecht aus, würde ich sagen. Noch dazu als "Zugeroaster" bin ich nicht schlecht dabei. Für die Zukunft plane ich eine eigene CD... und dann "schau mer mal".

In München pflegen Sie engen Kontakt zu den beiden rumänischen Musikern Dan Andrei Aldea und Cornel Ionescu. Treffen Sie sich auch mit anderen siebenbürgischen Kollegen?

Aldea und Ionescu sind hervorragende Musiker und für mich auch gute Freunde, mit denen ich schon einige Studioaufnahmen gemacht habe. Einige Amateurmusiker aus diversen Blaskapellen traf ich beim Weidenbacher Blasmusiktreffen in Sindelfingen, aber sonst habe ich leider keinen Kontakt zu siebenbürgischen Kollegen. Die meisten, die früher einmal Berufsmusiker waren, sind es jetzt nicht mehr.

Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und danken für das Gespräch.

Link: Link: www.spidermurphy.de

Schlagwörter: Interview, Musik

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