1. Oktober 2003

Christa Tabara

Aus Kronstadt stammt die 31-jährige Diplom-Informatikerin Christa Tabara, die heute in Wolfenbüttel lebt, sich hauptberuflich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Fachhochschule verdingt und in ihrer Freizeit als Redakteurin der Zeitschrift "Siebenbürgische Familienforschung" passionierten Ahnenforschern auf die Sprünge hilft. Der Aktionsradius von Christa Tabara ist noch weit ausgedehnter, denn sie betätigt sich auch als Webmistress von http://www.siebenbuergische-familienforschung.de sowie als Administratorin der "Siebenbürgischen Genealogie-Mailingliste". Klingt kryptisch. Was darunter konkret zu verstehen ist, entlockte Robert Sonnleitner der engagierten Linkshänderin (E-Mail: cct@gmx.net) im heutigen Interview.
Christa, wir haben uns vor einer ganzen Weile übers Internet kennen gelernt. Vor einigen Jahren waren wir nur ein kleiner Haufen bekennender Siebenbürger, die in Internet-Foren aktiv waren. Erinnerst du dich noch an die Anfänge des "Siebenbürgischen Internets"?

Ja, sehr gut. Erst neulich habe ich die Rokestuf nach langer Zeit wieder mal besucht und mit einigen der "älteren Hasen" über jene Anfangszeit gesprochen. Meine Aktivität im Internet begann 1997, als ich einen rumänischen Chat entdeckte, der auf einem kanadischen Universitätsserver lief. Am 23. August (manche Leser werden sich wohl noch an die Bedeutung dieses Datums erinnern) fand dann das erste Chattertreffen statt, in einem Schrebergarten in Heisede. An diesem Treffen nahm auch Hanzy, heute Webmaster von SiebenbuergeR.de, teil. Promi-Besuch hatten wir ebenfalls: Marc aus Luxemburg, damals Bürgermeister von Redingen (Luxemburg), der Partnergemeinde von Großschenk. Später wurde es in dem Chat immer unangenehmer, weil sich die Rumänen beschwerten, wenn wir uns mal auf Deutsch unterhielten. Irgendwann kam Hanzy auf die Idee, selbst einen Chat auf die Beine zu stellen. So entstand quasi die Urversion der Rokestuf.

Unter welchen Umständen bist du aus Siebenbürgen ausgewandert?

Es hat damit angefangen, dass mein Vater im März 1987 verstarb. Mein Vater war Rumäne (meine Mutter ist deutscher Abstammung). Meine Schwester war schon 1983 durch Heirat nach Deutschland gekommen. Bis auf meine Oma lebte die ganze Verwandtschaft mütterlicherseits schon lange in Deutschland. Meine Mutter wollte, dass meine Schwester und ich später nicht so weit auseinander leben, und "schickte" daher schon mal Oma voraus. Wir erhielten unsere Ausreisegenehmigung erst im Herbst 1989. Ich hatte gerade die 12. Klasse begonnen. Ausgereist sind wir dann im Dezember, wenige Tage vor Beginn der "Revolution" in Temeschburg. Als wir bei meiner Schwester ankamen, waren in Deutschland gerade Weihnachtsferien. Nach den Ferien besuchte ich fünf Monate das Gymnasium in Walsrode als Gastschülerin und nahm ab Juni 1990 am einjährigen "Sonderlehrgang für Spätaussiedler zur Erlangung der deutschen Hochschulreife" in Göttingen teil. Mit dem Abi in der Tasche nahm ich im Herbst mein Informatik-Studium in Braunschweig auf.

Fiel es dir schwer, Rumänien zu verlassen?

Das kann ich nicht behaupten, denn dort hielt mich eigentlich nichts zurück. Ich finde es nur schade, dass der Kontakt zu meinen ehemaligen Freundinnen abgerissen ist, aber das ist von ihnen ausgegangen. Denn ich habe ihnen immer geschrieben, bin sogar 1997 extra zur Hochzeit einer Freundin für eine Woche nach Rumänien geflogen.

Du bist Linkshänderin und wirbst auf deiner Homepage für den internationalen Linkshändertag. Sind Linkshänder etwas Besonderes?

Natürlich (-: (dies ist übrigens ein Linkshänder-Smiley). Linkshänder an sich sind von Natur aus eigentlich nichts Besonderes. Ihr Problem ist nur, dass fast alles auf Rechtshänder ausgerichtet ist. Es gibt zwar immer mehr Geräte für Linkshänder, von denen ich aber viele unnütz finde. Oft würde es reichen, wenn diese nicht speziell für Rechtshänder, sondern einfach "neutral" gebaut würden, wie z.B. PC-Mäuse. Denn das, was als "ergonomische Maus" verkauft wird, ist für einen Rechtshänder nicht wirklich ergonomisch, und für einen Linkshänder gar nicht zu gebrauchen. Sinnvoll sind z.B. spezielle Linkshänderscheren, wobei ich zugeben muss, dass ich mir noch keine gekauft habe. Ich bin ja auch keine "richtige" Linkshänderin, denn bis 1999 habe ich noch mit rechts geschrieben. Messer und Gabel benutze ich wie die Rechtshänder, weil ich das damals so gelernt habe; den Löffel halte ich aber mit links.

Also doch eine verkappte Rechtshänderin?

Im Dezember 1998 hatte ich ein einschneidendes Erlebnis. Kurz davor hatte ich die deutsche Linkshänderseite entdeckt. Dort wurde das Buch "Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn" vorgestellt. Ich habe mir das Buch gekauft und, obwohl es 383 Seiten hat, an einem Abend regelrecht verschlungen. Darin war ein Beispiel, woran man umgeschulte Linkshänder erkennt: Die meisten können ohne größere Anstrengung in Spiegelschrift schreiben. Ich versuchte es, und es klappte sofort! In dem Buch stand auch, dass es möglich sei, sich zurückzuschulen, und ich beschloss, es zu versuchen. Witzig fand ich, dass die Schrift mit links (auch in Spiegelschrift!) genauso aussah wie die mit rechts, obwohl ich nie mit links geschrieben hatte. Jetzt schreibe ich seit Juni 1999 mit links. Als ich neulich versuchte, mit rechts zu schreiben, klappte es einfach nicht: Mir wurde schwindelig und ich bekam Kopfschmerzen. Da wurde mir klar, wie schlimm es eigentlich ist, wenn Kinder umgeschult werden. Ich finde es sehr schade, dass es oft auch heute noch gemacht wird. Früher wussten die Leute es nicht besser, aber jetzt?

Du engagierst dich im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) in der Sektion Genealogie. Wie bist du dazu gekommen und was sind deine Aufgaben?

Im März 2001 fand in München ein Genealogie-Seminar statt, organisiert von der Sektion Genealogie. Dort erfuhr ich, dass Dr. Klemm, damaliger Redakteur der "Siebenbürgischen Familienforschung", aus persönlichen und beruflichen Gründen zurücktreten wollte. Da ich es schade fand, dass die Zeitschrift aussterben sollte, bot ich mich als Nachfolgerin an. Das wurde zwar erst dankend angenommen, aber dann hieß es, ich könnte nur dann Redakteurin der Zeitschrift sein, wenn ich auch AKSL-Mitglied werde. Ich habe es nicht verstanden, denn die Arbeit ist ehrenamtlich, ich bekomme wirklich nur die mir entstandenen Kosten (z.B. für Porto) zurückerstattet, also ist das im Prinzip auch schon eine Unterstützung des Vereins. Weil es sonst die Zeitschrift nicht mehr gegeben hätte, wurde ich eben AKSL-Mitglied.
Seit 2001 bin ich Redakteurin der Zeitschrift "Siebenbürgische Familienforschung", die zweimal im Jahr erscheint, und bin außerdem Webmistress (komisches Wort, aber es ist nun mal die weibliche Form von "Webmaster"!) von www.siebenbuergische-familienforschung.de. Ich administriere auch die Mailingliste zur Siebenbürgischen Familienforschung, die allerdings nicht direkt mit dem AKSL zu tun hat. Es gibt nämlich Listenmitglieder, die keine AKSL-Mitglieder sind.

Ahnenforschung ist ein Thema, das in Deutschland inzwischen Millionen bewegt. Auch unter den Siebenbürger Sachsen gibt es viele, die der siebenbürgischen Familienforschung verfallen sind. Was fasziniert dich als Informatikerin an der Genealogie?

Genealogie hat ja nichts mit dem erlernten Beruf zu tun. Ich habe mich schon immer für meine Vorfahren interessiert, was vielleicht auch daher kam, dass ich nur meine Oma mütterlicherseits gekannt habe. Mein Großvater väterlicherseits verstarb, als ich zweieinhalb war, aber an ihn erinnere ich mich nicht mehr. Irgendwann erfuhr ich, dass ein Cousin meiner Mutter jede Menge Daten über unsere gemeinsamen Vorfahren gesammelt hat. Die ließ ich mir erst mal schicken. Einige Daten väterlicherseits habe ich noch von meiner Cousine bekommen, und von der Familie meines Mannes habe ich schon einige Daten auf Papier, die ich teilweise digitalisiert habe. Aus Zeitgründen liegt meine eigene genealogische Forschung jedoch leider auf Eis, aber vielleicht komme ich wieder dazu, bevor ich "alt und grau" bin.

Mit Ahnenforschung beschäftigen sich nun einmal überwiegend ältere Menschen.

Ja, aber ... Wenn man Pech hat, gehen viele Daten verloren, wenn man sich erst im fortgeschrittenen Alter damit befasst. Im Verein für Computergenealogie ist der Altersdurchschnitt um einiges niedriger. Das liegt daran, dass die Jungen sich besser mit PCs auskennen. Im Prinzip müsste sich da einiges ändern. Das habe ich in der Sektion Genealogie des AKSL auch versucht.

Und wie?

Indem ich meine Hilfe angeboten habe: Die Jungen müssen den Alten bei den PC-Arbeiten helfen, während die Alten den Jungen einfach ihre umfassenden Genealogie-Kenntnisse weitergeben. Das ist auch mein Problem als Redakteurin: Wie komme ich an die Artikel für die Zeitschrift heran? Zum Glück unterstützt mich ein Redaktionsteam, das sich auf dem Gebiet der Genealogie sehr gut auskennt.

Was macht eine Webmistress von http://www.siebenbuergische-familienforschung.de?

Alles. Ich habe ein Layout entworfen, habe mir die Inhalte überlegt und jetzt fülle ich die Seite nach und nach. Einiges habe ich aus einem Werbeflyer der Sektion Genealogie übernommen. Ich habe außerdem aus alten Heften "zeitlose" Beiträge digitalisiert und auf der Homepage untergebracht.

Wen möchtest du mit dieser Homepage erreichen?

Alle, die sich für die Genealogie interessieren, aber natürlich speziell die Siebenbürger.

Seit wann existiert die Website? Welche Ziele verfolgst du mit der Homepage?

Beim erwähnten Genealogie-Seminar wurde beschlossen, dass sich die Sektion Genealogie auch im Internet präsentieren sollte. Allgemeine genealogische Webseiten gibt es genug. Auch einige siebenbürgische. Aber ich habe mir erhofft, den Bekanntheitsgrad der Sektion Genealogie des AKSL zu erhöhen, nicht zuletzt unter den Jüngeren. Inwiefern mir das bereits gelungen ist, weiß ich jedoch nicht, denn leider fehlen mir Rückmeldungen. Selbst wenn die Sektion Genealogie seit Bestehen der Internet-Seiten neue Mitglieder bekommen hat, weiß man nicht, ob sie durch die Website angeworben wurden.

Wie kommst du ans Material und die Inhalte?

Neben dem bereits erwähnten Werbeflyer der Sektion Genealogie kamen alte Zeitschriftenbeiträge hinzu. Es gibt auch schon zwei Beiträge, die speziell für die Homepage geschrieben wurden. Außerdem haben siebenbürgische Genealogen die Möglichkeit, Suchanzeigen auf der Homepage kostenlos aufzugeben, wenn sie nach bestimmten Namen oder Personen suchen. Dies wird auch oft in Anspruch genommen. Leider habe ich bis jetzt keine Rückmeldungen bekommen, ob jemand aufgrund seiner Suchanzeige in der Forschung weitergekommen ist. Ich hoffe, in der Zukunft noch mehr Beiträge zur Veröffentlichung auf der Homepage zu bekommen.

Wie soll sich die Website in der näheren Zukunft weiterentwickeln?

Unter "Bibliographie" möchte ich die gesamte genealogische Bibliographie, die seit der ersten "Siebenbürgischen Familienforschung" in fast jedem Heft erschienen ist, unterbringen. Außerdem möchte ich eine Liste der Ortsgenealogen veröffentlichen, die schon mal existiert hat, aber leider noch nicht aktualisiert wurde. Es gibt nämlich Genealogen, die sich mit einem bestimmten siebenbürgischen Ort befassen. Wenn man weiß, die eigenen Vorfahren kommen (überwiegend) aus einem bestimmten Ort, kann man die Ortsgenealogen um Hilfe bitten. Zu guter Letzt: In der Mailingliste kam mehrmals die Frage, wo ein bestimmter Ort in Siebenbürgen liegt. Ich habe angefangen, eine viersprachige Ortschaften-Liste (Deutsch, Siebenbürgisch-Sächsisch, Rumänisch und Ungarisch) zusammenzustellen, nach den aktuellen Kreisen (judete) sortiert. Dazu möchte ich eine kleine Karte anbieten, auf der die größeren Ortschaften zu sehen sind, damit man sich wenigstens ein ungefähres Bild von der Lage der Orte machen kann.

Ein Bereich auf der Homepage heißt "KGA". Was ist darunter zu verstehen?

Die Abkürzung steht für "Katalog des Genealogischen Archivs". Darin wurden alle Namen aus genealogischen Quellen erfasst, die in der Siebenbürgischen Bibliothek Gundelsheim vorhanden sind. Diese genealogischen Quellen sind Ahnenlisten, -pässe, -tafeln, Stammlisten, -tafeln, -bäume, Sippenlisten, -tafeln etc. Wenn man nach einem bestimmten Namen sucht, schaut man sich die Liste an. Wer sich die dazugehörigen Dokumente anschauen möchte, muss nach Gundelsheim ins Archiv fahren.

Du verwaltest auch die Siebenbürgische Genealogie-Mailingliste. Was ist darunter zu verstehen und wer darf dort mitmachen?

Eine Mailingliste ist eine Art "private Diskussionsgruppe" im Internet. Sie funktioniert wie eine E-Mail-Adresse, nur dass sich dahinter nicht eine einzelne Person, sondern eine Liste mit Adressen weiterer Nutzer verbirgt. Wird nun eine Nachricht an diese Adresse gesendet, so wird eine Kopie dieser Nachricht automatisch an alle eingetragenen Benutzer geschickt. Wenn jemand auf die Nachricht antwortet, erhalten ebenfalls alle Mitglieder der Liste die Antwort.
Die Mailingliste soll den "Einzelforschern", die sich mit siebenbürgischer Familienforschung beschäftigen, als Austauschplattform dienen, damit sie mit Hilfe anderer Forscher genealogische "tote Punkte" überwinden können. Sie soll primär dazu dienen, genealogische Daten auszutauschen. Eine der letzten Anfragen war zum Beispiel: 'Ich interessiere mich für die Nachkommen des ungarischen Wandergelehrten Albert (Scenci)-Molnar (1574-1634), der mit seiner Familie die letzten fünf Jahre seines Lebens in Klausenburg zubrachte.' Die Anfrage wurde von einem Teilnehmer beantwortet, der sich ausgerechnet mit Szenczi Molnár Albert befasst hat. Manche Fragen bleiben zunächst unbeantwortet, aber die Mailingliste verfügt über ein Archiv, und so ist es möglich, dass einige Fragen von später dazugekommenen Teilnehmern beantwortet werden. Über die Mailingliste werden aber auch technische Fragen gestellt (und beantwortet), falls ein Teilnehmer z.B. Probleme mit seinem PC hat.
Anmelden kann man sich unter http://list.genealogy.net/mailman/listinfo/siebenbuergen-L. Es kann sich im Prinzip jeder anmelden, der Interesse an siebenbürgischer Familienforschung hat. Die Liste ist zweisprachig, Deutsch und Englisch, wobei Englisch relativ selten benutzt wird, weil die meisten Mitglieder in Deutschland leben. Die Liste umfasst zurzeit über 200 Mitglieder.

Es gibt unter Siebenbuerger.de auch ein Genealogie-Diskussionsforum. Warum wird es, im Gegensatz zur Mailingliste, nicht so gut angenommen?

Tja, wenn ich das wüsste! Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass die meisten (siebenbürgischen) Genealogen nicht gerade die modernsten PCs haben und mit Modems ins Internet gehen. Bei den relativ hohen Online-Kosten kann man nicht stundenlang in den Foren lesen. Die Mails rufen sie aber vielleicht einmal am Tag ab, können diese dann in Ruhe offline lesen und beantworten. Ich muss aber auch sagen, dass unsere (siebenbürgische) Mailingliste nicht zu den aktivsten zählt. Manchmal kommt wochenlang keine Anfrage, auch sind viele Teilnehmer (hallo Robert!) meist nur passiv dabei.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Vielen Dank für das Gespräch.

Link: Link: Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde - Sektion Genealogie

Schlagwörter: Interview, Medien, Internet

Bewerten:

4 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.