15. Juli 2003

Christín Mollnar

Höchst vielseitig setzt Christín Mollnar ihre Gesangs- und Schauspielkunst ein. Die 1972 in Fogarasch geborene Opern- und Konzertsängerin mit Wohnsitz in München absolvierte nach ihrer Aussiedlung 1988 in die Bundesrepublik ein Gesangsstudium an der Musikhochschule München. Im Zuge ihrer regen Konzerttätigkeit bei Lieder-, Oratorien-, Operetten- und Opernabenden im In- und Ausland gelang es Christin Mollnar, sich an vielen Bühnen "klanghaltig" zu profilieren. Die Künstlerin trat auch im Fernsehen und Funk (ORB, ZDF und SWR) auf und ist auf vier CDs zu hören. Mit der Sopranistin unterhielt sich Robert Sonnleitner rund um das Thema professionelles Singen über ihre Karriere, über Disziplin und Lampenfieber.
Auf Ihrer Homepage "www.christinmollnar.de" bezeichnen Sie sich als Siebenbürgen-Ungarn-Deutsche.

Oh ja, das tue ich sehr gerne, weil ich sehr glücklich über diese Promenadenmischung bin. Mein Blut ist ruhig (deutsch?), aber auch sehr feurig (ungarisch?). Ich bin ja in Siebenbürgen geboren, wie auch mein Vater, der rein deutscher Abstammung ist. Soweit ich weiß, kommen die Siebenbürger Sachsen ursprünglich aus Luxemburg. Meine Mutter ist Banaterin, aus Vinga, meine Oma auch. Und jetzt der springende Punkt: Mein Großvater mütterlicherseits, George Pongracz, ist Budapester und war Cellist. Ach, und etwas slawisches Blut ist auch dabei, aber das liegt zu weit zurück.

Wer gab die Anstöße für Ihren musikalischen Weg?

Es liegt wohl in der Familie. Die Begeisterung und die Liebe zur Musik wurden mir, sozusagen, in die Wiege gelegt. Die Faszination empfand ich bereits mit 5 Jahren. Da wusste ich schon, dass ich Sängerin werden will. Meine beiden Großmütter hatten eine schöne Stimme. Die Oma mütterlicherseits, die noch lebt, hat in ihren jungen Jahren auf der Bühne gestanden, als Schauspielerin und Sängerin, zusammen mit ihrer Schwester. Durch den Krieg wurde dann aber nichts daraus. Meine Oma väterlicherseits hatte eine sehr hohe Stimme, wie die meine. Sie starb, als ich 5 war. Mein Vater versuchte sich im Geigespielen, hat es dann aber aufgegeben.
Meine Mutter und auch ihr Bruder waren sehr begabt im Klavierspielen, aber das Geld hat für den Unterricht nicht gereicht, also mussten sie aufhören. Mutter hat mir vor einer Weile erzählt, dass ich als 5- oder 6-Jährige eine schwere Laryngitis hatte und den Arzt als Erstes fragte, ob ich denn, wenn ich gesund sei, wieder singen könnte. Ich kann ohne Singen nicht leben, man kann es sich wie eine Droge vorstellen. Ich habe schwere Entzugserscheinungen, wenn ich mal einige Tage nicht üben kann.

Wie kamen Sie dann zum Singen?

Mit 6 musste ich Klavier lernen, das war nicht so mein Ding. Später dann mit 9 Jahren lernte ich Cello in Kronstadt auf der Musikschule, wo ich im Internat war. Dann, in der 8. Klasse, wechselte ich nach bestandener Aufnahmeprüfung nach Bukarest. Anfang der 9. Klasse reisten wir aus nach Deutschland, ich kam auf das musische Gymnasium nach Nürnberg, wo ich mich das erste Mal aus dem Haus, zunächst heimlich, zum Gesangsunterricht schlich. Meine Eltern wollten das anfangs nicht. Ich sollte Cellistin werden. Jedoch alle, die meine Stimme hörten, waren von ihr sehr angetan. Irgendwann überzeugten meine Lehrer meine Eltern, dass ich es einstweilen parallel zur Schulzeit und zum Cellospielen probieren und später entscheiden könnte.

Gab oder gibt es für Sie Vorbilder, Stimmen, an denen Sie sich orientiert haben?

Ja, ich liebe die Maria Callas. Es gibt viele andere Sängerinnen, die ich auch sehr mag. Zurzeit z.B. Angela Gheorghiu. Meiner Meinung nach ist sie im Moment die weltbeste Sopranistin.

Welches Verhältnis haben Sie zur Musik Ihrer Heimat, zur Musik Osteuropas?

Zwischen der 8. und 9. Klasse, als wir auf die Ausreise warteten und ich das musische Gymnasium verlassen musste, verbrachte ich viel Zeit in Fogarasch mit meinen alten Freundinnen und Freunden aus der Grundschule. Wir sangen oft siebenbürgische Lieder, an die ich mich kaum mehr erinnere. Ich habe nur ein sehr wohliges Gefühl, wenn ich daran denke. - Musik Osteuropas, welche Art von Musik meinen Sie? Enescu, Bartok, Dvorak, Smetana oder Rachmaninoff, ja, die liebe ich heiß und innig. Ich habe ständig Liederabende mit Werken dieser Komponisten. Eine tief ergreifende Musik ist das, anders als ein Verdi oder Rossini, ein Mozart oder Beethoven, mit viel Schwermut, Melancholie und Liebe.

Angeboren oder erlernt: In welchem Maße beruht eine gute Stimme auf Gesangstechnik und Trainingsfleiß?

Es hängt davon ab, wohin du mit deiner Stimme willst. Wer an die Weltspitze will, muss viel Naturbegabung mitbringen. Es darf auch keine Allerweltsstimme sein, sie muss etwas Unverkennbares haben, so, dass man die Stimme gleich bei den ersten Tönen erkennt. Dann muss der Roh-Diamant geschliffen werden. Das ist eine Heidenarbeit, egal ob man eine Stimme hat oder nicht. Nur sind da die Prioritäten etwas anders gelagert.

Inwiefern?

Die besondere Stimme arbeitet akribisch am Ausdruck, am Gefühl, was faszinierenderweise auch schon die Technik ausmacht. Die andere müht sich zu ergründen, woher überhaupt die Stimme ihren Klang hat. Es erfordert eine sehr hohe Musikalität, um all das umzusetzen, was muskulär, jedoch ohne Kraft, atemtechnisch zu verstehen ist. Es ist wie Spitzentanz auf dem Drahtseil in großer Höhe, eine Form von Hochleistungssport. Die Stimmen sind so oder so unterschiedlich, nur eine wirklich gute Stimme kann das Publikum begeistern. Alles andere ist Geschmackssache.

Der Sängerberuf erfordert ein gehöriges Maß an Disziplin. Belastet Sie das nicht manchmal?

Nein, das liegt einfach in der Natur der Sache. Wenn man sich zur Disziplin quälen muss, sollte man diesen Beruf sein lassen. Es braucht ehrliche Freude, sich anzustrengen, immer wieder neu zu lernen, wenn es sein muss Note für Note, bis es in der Kehle sitzt. Eine Belastung ist nur die Nervosität, und das auch nur manchmal. Es hängt wohl mit der körperlichen Verfassung zusammen, wir sind ja keine Maschinen. Das kann man mit einer bombensicheren Technik aber kaschieren. Es gab Momente, da war ich hypernervös, z. B. bei einem Casting. Das ist jedesmal wie eine Prüfung, ich mag es nicht. Und da passierte es auch schon, dass ich mich gefragt habe: "Warum machst du das bloß?" Aber da muss man durch.

Im ZDF lief über Ostern der Dreiteiler "In der Mitte eines Lebens". In diesem Melodram aus dem Musikermilieu verdreht die bezaubernde Opernsängerin Laura Orlandini (Elena Arvigo) dem Musiker Andreas Ambach (Heiner Lauterbach) den Kopf. Bei den Bühnenauftritten der Orlandini war aber nicht die Stimme der Elena Arvigo zu hören, sondern Ihre. Wie das?

Ich habe vorgesungen und wurde ausgewählt. Eine Agentur hat mich mal irgendwo gehört, verschaffte mir dann bei Konstantin Wecker, der die Musik zum Teil schrieb, den Vorstellungstermin und es klappte. Das ist das Harte am Beruf, anzukommen, wo man gerne sein möchte. Dieses ewige Massenvorsingen, wo du dann die Dreißigste bist und sie schon nicht mehr zuhören. Ach übrigens, Orlandini verdreht dem Musiker nicht nur den Kopf, sondern rettet auch sein Leben.

Werden Sie seither öfter gebucht?

Es entwickelt sich allmählich was, aber das geht nicht von heute auf morgen.

Wo sind Sie zurzeit zu sehen und hören?

Ich probe im Moment sehr viel, hatte gerade einen Liederabend mit meiner Harfinistin (Ensemble "ArpaCantabile" als Duo) im Schloss Öhringen bei Heilbronn. Nebenbei laufen die Voraufführungen des Musicals "Lola Montez", das im August im Deutschen Theater in München uraufgeführt wird. Nach drei Konzerten mit "ArpaCantabile" (als Trio: Sopran, Mezzosopran und Harfe) in Traunstein am Chiemsee, in München und Hannover arbeite ich für ein Avantgarde-Musik-Theaterstück, ein Projekt für Wien und München, das im Oktober in Wien Premiere hat und im November nach München kommt. Für die nächste Spielzeit 2004 im Freien Landestheater Bayern hatte ich ein Vorsingen für die "Saffi" aus dem "Zigeunerbaron" und werde diese auch singen. Und nebenbei unterrichte ich auch, da sind auch des öfteren Zuhörer.

Definieren Sie sich eher als Schauspielerin oder als Sängerin?

Eigentlich bin ich beides: Sängerin und Schauspielerin. Ich betreibe beides parallel. Es ergänzt sich, wenn man den Sängerberuf ergreift. Stellen Sie sich vor, ich singe die Traviata, es klingt wunderschön, aber ich kann diese Frau nicht personifizieren, dann langweilt sich das Publikum zu Tode. Anders als bei einem Oratorium in der Kirche, obwohl auch Oratorien ab und zu schon inszeniert werden.

Bleibt neben den vielen Auftritten im In- und Ausland noch Zeit für ein Privatleben?

Ja, es gibt auch Zeiten, wo man weniger zu tun hat. Oft ist auch der Partner dabei. So gut es geht versucht man sich zu arrangieren. Man muss schon auf einiges verzichten und der Partner oft ebenso. In meiner Freizeit bin ich immer in der Natur, wir fahren sehr viel Fahrrad. Manchmal überkommt es mich, und ich stelle das Haus auf den Kopf. Erneuerung, frischer Wind ist notwendig, das macht uns sehr viel Spaß. Wir benutzen jede freie Minute, um etwas zu unternehmen, Freunde zu treffen und wegzufahren. Für mich ist das manchmal anstrengend, da ich sowieso häufig weg bin, aber was meinen Schatz glücklich macht, erfüllt auch mich sehr.

Wie viele Vorstellungen verkraften Ihre Stimmbänder im Jahr?

Meist probt man 6 bis 10 Wochen am Stück, täglich zwischen 6 und 10 Stunden. Dann folgen die Vorstellungen. Deren Zahl variiert, sie kann von 5 bis 60 gehen. Die Vorstellungen kosten ein hohes Maß an Konzentration. Das Publikum will alles von einem, sie saugen einen völlig aus. Ich gebe es auch gerne, aber es kostet schon viel Anstrengung. Auf jeden Fall brauche ich viel Ruhe dazwischen, es darf mir nichts im Wege stehen, wenn ich an einem Stück, an einer Rolle oder einem Soloabend arbeite, kein Stress daheim, viel Toleranz. Mit viel Schlaf kann ich sehr viel leisten. Der Partner muss einen schon sehr lieben, um das zu ertragen!

Sie haben bereits einige Preise bei internationalen Wettbewerben errungen. Welcher bedeutet Ihnen am meistens?

Der Preis mit meinem Ensemble "ArpaCantabile" als Trio in Italien. Es ist besonders der Klang einer Harfe mit zwei Frauenstimmen, dazu ein gutes Repertoire. Die Kammermusik passt zu fast jedem Ambiente und wir sind sehr flexibel. Das war für uns der Beweis, dass wir gut sind. Wir mussten gegen verschiedenste internationale Gruppen antreten. Es war ein schwerer und gemischter Wettbewerb. Großartig, dass wir die Jury überzeugen konnten.

Singen Sie gelegentlich einfach nur für sich?

Ja, beim Üben. Ab und zu hab ich Lust, Lieder von Pop-Stars wie Whitney Houston nachzusingen.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

"Träume" wäre wohl richtiger. Ich möchte ein bis zwei Kinder, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich sie in diese Welt setzen möchte. Dann wünsche ich mir, meine Eltern so entlasten zu können, dass sie nicht mehr arbeiten müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Gerne, es hat mir Freude bereitet.

Schlagwörter: Interview, Musik

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