1. Juni 2003

Peter Szaunig

Vor hundert Jahren kam in Sächsisch-Regen in der Komponist und Pianist Rudolf Wagner-Régeny zur Welt. Peter Szaunig sorgte aus diesem Anlass für eine CD-Produktion mit historischen Aufnahmen und neuen Einspielungen von Klavierwerken dieses Komponisten. Beim Heimattag 2003 in Dinkelsbühl bringt Szaunig Klavierwerke des bedeutenden siebenbürgischen Komponisten zu Gehör. Dr. Franz Metz führte folgendes Gespräch mit dem Musikpädagogen und Pianisten Peter Szaunig, der in diesen Tagen sein 70. Lebensjahr vollendet.
Herr Szaunig, bevor wir über das Werk Rudolf Wagner-Régenys sprechen, vielleicht einige Worte zu seiner Biographie.

Rudolf Wagner-Régeny kam am 28. August 1903 in Sächsisch-Regen (rumänisch Reghin, ungarisch Szászrégen) zur Welt. Hier erhielt er seine ersten musikalischen Eindrücke, aus denen er später in seinen Kompositionen schöpfen konnte: deutsche, ungarische und rumänische Volkslieder, Zigeunermusik, Zither-, Chor-, Kammer- und Kirchenmusik. In späteren Schriften erinnert er sich voller Begeisterung an jene Zeit, die sich wie ein wunderbarer Traum abgespielt hat. In Sächsisch-Regen besuchte er die Elementarschule und in Schäßburg das Gymnasium. Bereits in Reen nahm er Klavierunterricht und half als Organist aus. In Schäßburg kamen Kompositionsstunden hinzu, und autodidaktisch lernte er Violine. Hier entstand auch seine erste Komposition für Chor, Streicher und Orgel, die 1916 zur Aufführung kam. 1919 begann Wagner-Régeny das Klavierstudium am Konservatorium zu Leipzig bei Prof. Teichmüller, wechselte aber kurz danach nach Berlin. Seit 1947 war er Professor für Komposition und Rektor an der Musikhochschule in Rostock, die heute noch seinen Namen trägt. 1950 wurde er als Professor für Komposition an die (Ost-)Berliner Musikhochschule berufen, wo er viele junge Musiker ausbildete, die seinem Namen alle Ehre machten. Er starb am 18. September 1969 in Berlin.

Seinen Familiennamen ließ er später in Berlin in "Wagner-Régeny" ändern, ein Zeichen seiner Verbundenheit zur siebenbürgischen Heimat. Was ist "siebenbürgisch" in seiner Musik?

Erstens hat er viele Elemente siebenbürgischer Musik in sein Werk - natürlich in künstlerisch veränderter Form - aufgenommen. Er schrieb auch die große Oper "Johanna Balk", die 1941 in Wien uraufgeführt wurde und deren Stoff einer transsilvanischen Chronik entnommen wurde. In Siebenbürgen war Wagner-Régeny 1935 das letzte Mal, als seine Oper "Der Günstling" erstmals in Rumänien aufgeführt wurde, und zwar vom deutschen Landestheater in Hermannstadt.

Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit siebenbürgischer Musik, sind seit 1987 im Rahmen der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa e.V. aktiv und gehören zu den Gründern der Löwensteiner Musikwoche. Sie haben sich gemeinsam mit Walter Krafft für die Bekanntmachung des Klavierwerks eines anderen Siebenbürgers, Carl Filtsch, eingesetzt. Was bewog Sie, sich dem Klavierwerk Rudolf Wagner-Régenys anzunehmen?

Das Klavierwerk unseres siebenbürgischen Wunderkindes Carl Filtsch, dessen außergewöhnliche Frühreife und kometenhafter Aufstieg als Pianist begeisterten mich anfangs ebenso wie später die außergewöhnliche komplexe und ausgereifte Musikerpersönlichkeit Rudolf Wagner-Régenys. Der Siebenbürger Sachse gehört neben Karl Orff und Werner Egk zu den repräsentativsten musikdramatischen Komponistenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Er ist auch der Verfasser beeindruckender Essays, Aphorismen, Briefen, Selbstgesprächen, Tagebüchern und Schriften, eine enzyklopädische Persönlichkeit in ihrer schillernden Mannigfaltigkeit, ein wohl tief schöpfender musikphilosophischer Denker und komponierender Humanist, gleichzeitig ein selbstbewusster Einzelgänger, geselliger Genießer, grüblerischer Literat, historisierender Ästhet und sicher ein eleganter Weltbürger. Seine pädagogischen Erfahrungen haben sich in bahnbrechenden Werken zeitgenössischer Musikliteratur niedergeschlagen, wie in jenen eines Manfred Weiss, Friedrich Goldmann und Paul-Heinz Dittrich, um nur einige seiner namhaften Schüler zu nennen.

Herbert von Karajan und Karl Böhm haben sich neben vielen anderen bedeutenden Interpreten des Werkes von Wagner-Régeny, sogar für Uraufführungen, angenommen. Wie können seine Klavierkompositionen heute eingestuft werden: Haben sie eine reelle Chance wiederentdeckt zu werden?

Rudolf Wagner-Régeny wünschte sich, dass seine Klaviermusik eines Tages wie tägliches Brot in Klavierstunden gespielt wird, ähnlich der Kinderszenen von Schumann oder der zwei- oder dreistimmigen Inventionen Bachs. Sein Klavierwerk kann nach meiner Ansicht als stilistischer Einstieg in die gesamte Klaviermusik des 20. Jahrhunderts betrachtet werden. Das Werk zeichnet sich durch Knappheit, Klarheit und Transparenz aus. Wagner-Régeny distanzierte sich früh von dem romantisch-sentimentalen Schwulst oder expressionistischen Elementen und bewegte sich hin zu sich wandelnden neoklassizistischen Tendenzen, beispielsweise eines Hindemiths oder Busonis. Beeinflusst wurde er auch von Zeitgenossen wie Boris Blacher, Arnold Schönberg, Darius Milhaud und Kurt Weill. Da er zeitlebens bestrebt war, sogar eine Methodik der Zwölftontechnik zu verfassen, hat er in seinen Klavierwerken eine Art Quadratur des Kreises vollzogen: Innnerhalb dodekaphonischer Strukturen brachte er ausdrucksstarke melodische und intensive Klangformen hervor.

Nun zu Ihrer CD-Einspielung. Sie haben dafür originale historische Aufnahmen Rudolf Wagner-Régenys "ausgegraben" und auch selbst einige Werke dieses Komponisten eingespielt. Wie sind Sie zu den historischen Aufnahmen gekommen?

Ich bin sehr glücklich, mit diesem Projekt neben den historischen Interpretationen eines komponierenden Pianisten allerhöchsten Ranges diese CD mit eigenen Einspielungen ergänzt zu haben. Die Platte enthält erstmals eine repräsentative Auswahl des noch fast unbekannten, 140 Seiten starken Klavierwerks von Wagner-Régeny. Durch die Bekanntschaft mit seiner zweiten Gattin, Gertie Wagner-Régeny, lernte ich originale Einspielungen des Komponisten kennen, die mich faszinierten. Die Witwe hat mir auch einige Aufnahmen für diese Produktion zur Verfügung gestellt. Historische Aufnahmen wurden vom Sender Freies Berlin sowie dem Hessischen und Westdeutschen Rundfunk übernommen. Die neuen Live-Einspielungen wurden von der weltweit bekannten Plattenfirma Real-Sound aus Udine, Italien, in Toblach mit modernster Computertechnik (true 20 bit) produziert. Für das Cover zeichnet die siebenbürgische Graphikerin Renate Mildner-Müller aus Winnenden. Sie lieferte uns zwölf Entwürfe in meisterhafter Ausführung.

Eine solche CD-Produktion in heutiger Zeit zu wagen, in der für Musikkultur immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, ist beachtenswert. Wie konnten Sie diese Einspielung durchsetzen?

Für das Zustandekommen des Projektes bin ich vor allem der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, München, dankbar, aber auch der Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Hermannstadt und der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa e.V. Wir hoffen, dass sich möglichst viele Musikfreunde für die neue CD interessieren werden.

Herr Szaunig, vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Musik

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