1. Dezember 2002

Susanne Kastner

Susanne Kastner wurde vor kurzem zur Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages gewählt. Die 55-jährige Religionspädagogin aus dem fränkischen Maroldsweisach ist seit 1989 Mitglied des Bundestags. Als Vorsitzende der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag und als Vorsitzende des Deutsch-Rumänischen Forums e.V. in Berlin leistet sie Lobbyarbeit für Rumänien. Für die Siebenbürgische Zeitung und den SiebenbuergeR.de-Newsletter führten Siegbert Bruss und Internetreferent Robert Sonnleitner folgendes Interview.

Frau Kastner, in verschiedenen Gremien haben Sie sich als entscheidender Motor der Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien profiliert. Wieso gerade Rumänien?

Es ist ein wunderschönes Land mit wunderbaren Leuten und sehr vielen Perspektiven. Persönlich aufmerksam wurde ich auf Rumänien vor bald 13 Jahren. Da habe ich, wie auch alle anderen Bundesbürger im Fernsehen den Kampf des rumänischen Volkes um Demokratie mitverfolgt. Als Sozialdemokratin war ich davon beeindruckt. Kurze Zeit später kamen die ersten Nachrichten über das Elend in den rumänischen Kinderhäusern. Es war mir klar, dass da dringende Hilfe von Nöten ist. So gründete ich 1990 in meinem Wahlkreis eine Initiative - die Rumänien Soforthilfe e.V. - und bereitete den ersten Hilfstransport vor. Seither liegt mir Rumänien und seine Bevölkerung sehr am Herzen. Es lag nahe, außer den "Sofortmaßnahmen" auch längerfristig zu planen und zu versuchen, diesem Land zu helfen. Das war der Grund, wieso ich Rumänien auch zu einem festen Bestandteil meiner Arbeit in Berlin, im Deutschen Bundestag gemacht habe.

Vor kurzem wurden Sie zur Bundestags-Vizepräsidentin gewählt, herzlichen Glückwunsch! Wie wirkt sich das auf Ihr Engagement für Rumänien aus?

Rumänien liegt mir seit Jahren sehr am Herzen. Meine parlamentarische und außerparlamentarische, auf Rumänien bezogene Arbeit werde ich natürlich weiterführen und in den Rahmen der von mir nun bekleideten Funktion mit einbinden. Ich hoffe, dass die deutsch-rumänische Parlamentariergruppe und interparlamentarischen deutsch-rumänischen Beziehungen durch meine neue Funktion verstärkt und aufgewertet werden. Auch die von Ihnen angesprochene ehrenamtliche Arbeit mit Rumänienbezug werde ich natürlich fortführen - sowohl innerhalb der Rumänien Soforthilfe e.V., des von mir gegründeten Vereins, der sich mit der Hilfe für Kinder in rumänischen Heimen beschäftigt, als auch innerhalb des Deutsch Rumänischen Forums.

Mit welchem Ziel wurde das Deutsch-Rumänische Forum am 9. Dezember 1999 in Berlin gegründet?

Das Deutsch Rumänische Forum ging aus der Initiative mehrerer Vertreter der deutschen Politik und Wirtschaft hervor. Der Gedanke, der uns zur Gründung bewegt hat, war die aus unserer Sicht unerlässliche, koordinierte Betreibung von Lobbyarbeit im besten Sinne für Rumänien in der Bundeshauptstadt. Eine Lobbyarbeit, die über die Grenzen der "normalen" parlamentarischen Zusammenarbeit hinausgeht und Wirtschaft, Politik und nicht zuletzt Kultur zusammenbringt. Im DRF versuchen wir, die unterschiedlichen deutsch-rumänischen Organisationen einzubinden. Die Überparteilichkeit des Forums wird dadurch gegeben, dass dem Vorstand sowohl die Vorsitzende der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe als auch deren stellvertretender Vorsitzender, mein Kollege von der CDU, Erich G. Fritz, angehören. Dem Forum gehören zudem Personen aus Wirtschaft, Kultur und Politik an, denen Rumänien am Herzen liegt und die das Land auf dem schwierigen Weg in die Europäische Union unterstützen wollen.

Seit 1998 stehen Sie der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag vor, zuvor waren Sie stellvertretende Vorsitzende des Gremiums. Wie können Sie die bilateralen Beziehungen in diesem Rahmen vorantreiben?

Aufgabe der Parlamentariergruppe ist es, den deutsch-rumänischen Dialog auf legislativer Ebene zu führen und voranzubringen und diesbezüglich gegebenenfalls auch Einfluss auf die Bundesregierung zu nehmen. Eine wichtige Rolle kommt auch dem permanenten beidseitigen Austausch über Gesetzgebung und Gesetzgebungsverfahren zu. Hierbei versuchen wir Rumänien insbesondere bei der Umsetzung der gemeinschaftlichen Gesetze mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

In der vorigen Legislaturperiode waren Sie für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit der SPD-Bundestagsfraktion, alle Veröffentlichungen und das Internetangebot der SPD-Bundestagsfraktion zuständig. Welche Vorschläge können Sie aus dieser Erfahrung heraus machen, um das Image Rumäniens in Deutschland zu verbessern?

Öffentlichkeit, beziehungsweise die Wahrnehmung in derselben ist im politischen wie auch wirtschaftlichen Feld das Wichtigste überhaupt. Es geht um Marketing, es geht darum, wie man Inhalte vermittelt. Wenn Sie so wollen, geht es um die bereits angesprochene Lobbyarbeit. Rumänien muss den angefangenen Weg des Umdenkens im Umgang mit der deutschen - aber auch allgemein der europäischen - Öffentlichkeit weitergehen. Ein Imagewandel ist unerlässlich. Ohne ihn wird es Rumänien sehr schwer haben, Mitglied der Europäischen Union zu werden - ganz unabhängig von den Kopenhagener Kriterien. Sie dürfen nicht vergessen, dass eine Erweiterung der Europäischen Union von den nationalen Parlamenten verabschiedet werden muss. Da spielt die Stimmung, die Art und Weise, wie Rumänien von den Wählerinnen und Wählern angesehen wird, eine ausschlaggebende Rolle. Wichtig ist das Image auch in Wirtschaftskreisen. Ohne ein gutes Image - das auch in Wirtschaftskreisen nur bedingt objektiv gebildet wird und wo auch sehr viel Subjektivität mit einfließt - kommen kaum oder nur wenig Investitionen zustande.

Die deutsche Minderheit in Rumänien ist durch Massenexodus, ein hohes Durchschnittsalter und die allgemeine Teuerung im Karpatenland erheblich geschwächt. Die Menschen befürchten einen weiteren Rückgang der finanziellen Unterstützung durch Deutschland. Der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Jochen Welt, spricht schon ganz offen von der Notwendigkeit, die BMI-Hilfen "umzustrukturieren". Können Sie diese Ängste ausräumen?

Unsere Bundesregierung hat sich schon immer für eine Weiterführung der Unterstützung der deutschen Minderheiten im Ausland ausgesprochen. Sie sprachen die finanzielle Unterstützung aus Mitteln des BMI an. Ziel derselben wird nach wie vor die Unterstützung gemeinschaftsfördender Projekte sein. Eine "Umstrukturierung" gibt es nur insofern, als die Mittel des BMI nicht mehr für Wirtschaftsförderung verwendet werden. Wirtschaftsförderung wird jedoch ebenfalls mit Hilfe von Bundesgeldern betrieben. Dafür ist jedoch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (direkt, oder durch die GTZ, CIM usw.) zuständig. Leider wird die Höhe der Hilfen für die deutsche Minderheit auch nicht von der Haushaltsnotlage unbeeinflusst bleiben. Zurzeit werden in allen Haushalten Einsparungen vorgenommen. Diese werden sich auch in den Beihilfen wiederfinden.

Mehr als die Hälfte der deutschen Aussiedler aus Rumänien ist nach der Wende von 1990 zugezogen. Sie müssen durch gezielte Kultur- und Jugendarbeit in ihrer neuen Heimat integriert werden. Die diesbezüglichen Fördermittel, die vorwiegend vom Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und Medien verwaltet werden, wurden jedoch unter der rot-grünen Regierung seit 1998 stark zurückgeschraubt. Wie können Sie sich für die Belange der Siebenbürger Sachsen unter Ihren SPD-Kollegen einsetzten?

Das neue Zuwanderungsgesetz, das von unserer Regierung eingebracht und mit Hilfe der Koalition sowohl den Bundestag als auch den Bundesrat passiert hat, regelt alle Details zur Integration von Ausländern in Deutschland, auch die von Vertriebenen und Spätaussiedler. Die bisher existierenden Programme werden fortgeführt und intensiviert. Die integrativen Maßnahmen werden durch das Zuwanderungsgesetz eine bisher in der Bundesrepublik noch nie dagewesene Aufwertung erfahren. Man kann nur hoffen, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die Union ihre Zustimmung in einer weiteren Sitzung des Bundesrates nicht mehr verweigert.

Bei der Aussiedleraufnahme sind Tendenzen der rot-grünen Regierung zu erkennen, das Tor für Aussiedler aus Rumänien endgültig zu schließen. Selbst das Bundesverwaltungsamt in Köln hat erst kürzlich in zwei Fällen bereits erteilte Aufnahmebescheide für Deutsche aus Rumänien aufgehoben. Gibt es nach Ihrer Ansicht keine Möglichkeit, den Umgang mit den Deutschen aus Rumänien humaner zu gestalten und ihr Recht auf Zuzug nach Deutschland aufrecht zu erhalten?

Das sehe ich anders! Durch das Zuwanderungsgesetz, das von Rot-Grün eingebracht worden ist, erhält Deutschland eines der modernsten Gesetzte zur Steuerung der Zuwanderung. Von diesem Gesetz können natürlich auch die Rumäniendeutschen profitieren. Es ermöglicht ihnen, mit einem viel geringeren bürokratischen Aufwand nach Deutschland zu kommen. Die Kenntnis der Sprache und die Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis sind natürlich wichtige Punkte, die auch im Zuwanderungsgesetz - durch das Punktesystem - Berücksichtigung finden. Ansonsten ist natürlich auch weiterhin die Anerkennung als Spätaussiedler möglich, wenn im Einzelfall eine fortdauernde Benachteiligung nachgewiesen werden kann, die auf Kriegsfolgen zurückzuführen ist. Daran wird sich auch nichts ändern.

Sind die siebenbürgisch-sächsischen Einrichtungen in Deutschland nach Ihrer Ansicht sinnvoll? Wie beurteilen Sie die Arbeit der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen?

Es ist für jede Gruppe wichtig, ihre Interessen zu artikulieren und zu vertreten - sei es vor Landes- oder Bundesbehörden. Dies ist ein Hauptmerkmal einer jeden Demokratie. Dies tut die Landsmannschaft hervorragend. Dass die Landsmannschaft darüber hinaus auch in anderen Bereichen die Aufrechterhaltung der Identität der Siebenbürger Sachsen unterstützt und fördert und auch den in Rumänien verbliebenen Deutschen zur Seite steht, finde ich mehr als lobenswert. Die Sachsen, genau wie die Schwaben und die anderen Rumäniendeutschen sind zwar - wie das Wort schon sagt - Deutsche. Sie haben jedoch ihre eigene Kultur und Identität, die es zu fördern und zu erhalten gilt. Dies ist auch für die Bundesrepublik wichtig, da es eine nicht unwesentliche Bereicherung bedeutet. Integration darf nicht Assimilation bedeuten. Die Landsmannschaft steht meines Erachtens genau dafür.

Frau Kastner, wir danken für das Gespräch.

Link: www.susanne-kastner.de

Schlagwörter: Interview, Politik

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.