1. März 2002

Günter Czernetzky

Das heutige E-Mail-Interview führten wir mit dem siebenbürgischen Autor, Regisseur und Produzenten Günter Czernetzky. Der 45-Jährige wurde in Schäßburg geboren, reiste im März 1978 nach Deutschland aus und wohnt zurzeit in München. E-Mail: gunterczernetzky@aol.com. 1997 erhielt er den Ernst-Habermann-Preis, nachdem er unter anderem mit den Dokumentarfilmen "Stalingrad an der Donau - Rumänien 1944"(1994/95) und "GEFANGEN+VERURTEILT - Spätheimkehrer erinnern sich"(1996) hervorgetreten war. Das Preisgeld kam dem von ihm gegründeten Arbeitskreis "ZeitZeugenVideo" zugute.

An welchem Filmprojekt arbeiten Sie zurzeit, und wen wollen Sie damit erreichen?

Generell ist es nicht ratsam über Projekte zu reden, die noch nicht vertraglich abgesegnet sind. Der Ideenklau hat in letzter Zeit, vor allem im Medienbereich leider stark zugenommen. Meine Arbeit läuft ja so ab: Ich mache viele Angebote in Form von Projektbeschreibungen, und ein Bruchteil davon wird dann eventuell akzeptiert und geht dann in Produktion. Natürlich will ich Filme machen, die alle Generationen erreichen und für alle neue Informationen, Erkenntnisse, eventuell neue Einsichten beinhalten. Inwieweit das gelingt, kann ich gelegentlich bei öffentlichen Vorführungen erahnen. Ich freue mich über jede Rückmeldung, und sei sie noch so kritisch...

Dennoch: Planen sie einen Dokumentarfilm mit Bezug zu Siebenbürgen?

Ich sammle schon seit einigen Jahren Material für einen Film, der den Titel tragen soll: "Ahnen... streifen ahnungsvoll durchs Land". Er soll das Gegenstück zu meinem Film "Wunden - Erzählungen aus Transsilvanien"(1992-94) werden und diesmal unsere ausgewanderten Landsleute "zu Wort kommen" lassen, aber auch erneut die Gründe (auch das Für und Wider) unserer Auswanderung verständlich machen.

Wie kommen Sie an Zeitzeugen-Interviews und wertvolles Archivmaterial für Ihre Dokumentationen heran?

Zeitzeugen zu finden ist nicht so schwer. Die wirklich harte Arbeit ist die Auswahl der einzelnen Aussagen. Gewöhnlich erzähle ich, sobald ich einen Vertrag unterzeichnet habe, allen Bekannten und jedem, der mir über den Weg läuft, über mein Vorhaben. Bisher ist es mir auch gelungen, jedem dieser Zeitzeugen gerecht zu werden, das heißt den Kontakt zu ihm - ohne menschliche Differenzen - aufrechtzuerhalten und mich auch weiterhin von ihm, falls nötig, beraten zu lassen. Die Beschaffung des Archivmaterials wirft sehr komplexe Fragen auf. Sollte ein größeres Interesse diesbezüglich bestehen, biete ich gerne allen Interessierten ein Seminar oder einen Vortrag zu Fragen der Archivbestände und zur Suche nach möglichst wenig bekannten Archivmaterialien an. Generell nur soviel: "Wer suchet der findet", wenn er an der richtigen Stelle und mit einem guten Mitarbeiter ... "gräbt"!

Im Herbst 1996 haben Sie den "ZeitZeugenVideo"-Arbeitskreis ins Leben gerufen. Welche Ziele verfolgen Sie damit, gibt es dazu konkrete Aktivitäten?

Der Arbeitskreis entstand aus der Überlegung heraus: Da ich nicht alles alleine machen kann, suche ich Gesinnungsgenossen, die ebenfalls Freude und Genugtuung bei dieser ehrenamtlichen Arbeit empfinden. Die Arbeitskreis kommt in der Regel halbjährlich im Münchner Haus des Deutschen Ostens zusammen, jeder stellt seine Arbeiten zur Diskussion, und man berät darüber, was es alles zu machen gibt. Zurzeit überlegen wir beispielsweise, wie wir einen digitalen Schnittplatz zur Nachbearbeitung des gedrehten Materials aufbauen könnten und ob wir diese Dokumentationsarbeit generell in den Dienst des Bundes der Vertriebenen (BdV) stellen sollten. Mein Hauptanliegen ist das Sammeln von Aussagen der Augen- und Ohrenzeugen der so genannten Erlebnisgeneration. Über den Sinn dieser Tätigkeit sollen sich jene Gedanken machen, die später einmal Nutznießer der Sammlung sein werden, seien es nun Wissenschaftler, Künstler oder andere Leute.

Als Dokumentarfilmer üben Sie - wie jeder andere Regisseur - eine gewisse Macht auf das Publikum aus. War das vielleicht mit ein Beweggrund Filmemacher zu werden?

Es ist eine reizvolle, stets neue Herausforderung ein potentielles, meist unsichtbares und anonymes Publikum an den Fernsehsessel zu "fesseln". Das ist natürlich "Diebstahl" an der Freizeit meiner Mitmenschen. Inwieweit damit Macht gebraucht oder missbraucht wird oder jemand seinen potentiellen Einfluss bewusst kalkuliert, vermag ich kaum zu beurteilen. Das müssen eventuell die Kritiker und/oder Medienwissenschaftler tun.

Wie stehen Sie zum geplanten Dracula-Park in Schäßburg?

Als Schäßburger lässt mich dies megalomane (=größenwahnsinnige) Projekt natürlich nicht kalt. Jeden Tag erreichen mich neue Nachrichten, und neugierig bin ich nicht nur als Film- & Videoproduzent über den Stand der Meinungsbildung in Schäßburg und Rumänien. Ich halte dies Projekt für sehr riskant, vor allem für den Ruf Rumäniens und den meiner Heimatstadt im Besonderen und das in A/ moralisch-ethisch-religiöser, B/ historisch-soziologischer, C/ kulturpolitischer Hinsicht. Nebenbei gesagt: Auch aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht gibt es ernsthafte Bedenken, die es ratsam erscheinen lassen, Rumänien vor diesem abenteuerlichen Vorhaben zu warnen. Als "Ausländer" und Schäßburger Lokalpatriot stehe ich natürlich auch im Verdacht, aus sentimental-nostalgischen Gründen ein prinzipieller Gegner der Tourismusprojekts zu sein. Diesem Argument kann ich nur bedingt folgen, da ich die Notwendigkeit eines Standortes für Großveranstaltungen (für Schäßburg) durchaus einsehe. Der Standort "Breite" ist dafür sehr wohl geeignet - mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen. Das Ganze hat jedoch herzlich wenig zu tun mit dem tyrannisch- sadistischen Blutsauger namens "Vlad der Pfähler oder Dracula" und einem Vergnügungspark zu seinen teuflischen Ehren! Diesen Vergnügungspark in Schäßburg zu "installieren", halte ich für eine Schändung unserer siebenbürgisch-sächsischen Kultur. Meinen Standpunkt werde ich übrigens am 14. März, 19.00 Uhr, in einen Informationsabend zum Thema "Dracula-Park" einbringen. Veranstaltungsort: Haus des Deutschen Ostens, München.

Seit zehn Jahren betreuen Sie den Bergschulverein Schäßburg. Wofür engagieren Sie sich als dessen Vorsitzender?

Diesen Absolventen- und Lehrerverein haben wir sowohl in der BRD als auch in Schäßburg mit der gleichen Satzung ins Leben gerufen. Im Oktober 2001 feierten wir unser zehnjähriges Jubiläum. Wir versuchen mit Logistik, Lehrmitteln und Schüleraustausch zu helfen. Die Aufgabe unseres Vorstands ist es, unsere spärlichen Mittel zu vermehren und zu verteilen, bzw. andere Organisationen für unsere Bergschule zu interessieren. Das hat sich in den letzten Jahren ganz gut bewährt. Danken möchte ich hier vor allem dem Allgemeinen deutschen Kulturverband/Wien und seit letztem Jahr auch dem Südtiroler Hilfsverein für die großzügige Unterstützung. Mit dieser Hilfe findet zusätzlicher Deutschunterricht an der Bergschule statt. Wir hoffen dadurch den Schülern bessere Ausbildungsergebnisse zu ermöglichen und den guten Ruf der Schule zu erhalten. Mit Hilfe der Südtiroler werden wir die Sanitäranlage der Bergschule verbessern.

Auch für ehemalige Zwangsarbeiter und Vertriebene setzen Sie sich ein.

Ja, für reisewillige "Deportierte", besser gesagt: "Reparationsverschleppte aus Südosteuropa", werde ich hoffentlich Ende August/Anfang September 2002 wieder eine "Donbass-Reise" organisieren. Das "Zentrum gegen Vertreibungen", ein Großprojekt des BdV, liegt mir auch sehr am Herzen. Ich biete meine Erfahrungen und Erkenntnisse mit ZeitZeugen an. Ich versuche auch Missverständnisse im Umgang mit den Medien auszuräumen und die Sorgen der Jugend bezüglich dem BdV und den Landsmannschaften zu verringern.

Wie nutzen Sie das Internet für Ihre Arbeit?

Leider bin ich immer noch ein "digitaler Idiot". Nichtsdestotrotz kann ich mich der Faszination und der Vorteile, die dieses Medium bietet, nicht entziehen. Wenn mir jemand "Basics" beibringen könnte, der möge sich bei mir melden. Eine Homepage möchte ich natürlich auch erarbeiten, aber wie .. ohne Tage, Nächte, Wochen, Monate in einsamer Zwiesprache mit diesem technischen Moloch zu verbringen?

Gibt es Fragen oder einen Schlusssatz, die Sie gerne an unsere Leser richten möchten?

Melden Sie sich, wenn Sie mehr über mich wissen wollen. Melden Sie sich, wenn Sie meinen: Das muss ich unbedingt loswerden. Melden Sie sich bitte, falls Sie kritische Anmerkungen haben zu meiner Arbeit oder meinen Aussagen. Unterstützen Sie nach Möglichkeit unseren Arbeitskreis "ZeitZeugenVideo"... mit Rat und Tat!

Wir danken für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Medien

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