1. November 2005

Peter Jacobi

Mit der Kraft der Bilder auf die Ernsthaftigkeit der Lage hinweisen. Der 70-jährige Künstler Peter Jacobi setzt sich für den Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen ein.

In den letzten Jahren stand der Künstler Peter Jacobi nicht nur durch seine Ausstellungen im Blickfeld der Öffentlichkeit. Mehrere bedeutende Auszeichnungen waren ein sichtbares Zeichen der Anerkennung seines jahrzehntelangen schöpferischen Wirkens. Die Rumänische Akademie, die erst in diesem Jahr ihre Preise für 2002 verliehen hat, ehrte ihn mit dem Ion-Andreescu-Preis für die vor drei Jahren im Nationalen Kunstmuseum in Bukarest gezeigte Ausstellung "Palimpsest", in der geometrische Konstruktionen, modulare Säulen, aber auch übermalte oder am Computer überarbeitete Fotografien zu sehen waren. Vorher schon hatte der Plastiker, der am 11. November dieses Jahres seinen 70. Geburtstag feiert, in Dinkelsbühl 2003 den Siebenbürgisch-Sächsichen Kulturpreis entgegengenommen.

Der 1935 in Ploiesti geborene Peter Jacobi, dessen steile Künstlerkarriere in Bukarest begann, schaffte es, seit 1970 in Deutschland lebend, sich im internationalen Kunstbetrieb zu behaupten. Seine Werke waren nicht nur bei der Biennale in Venedig ausgestellt, sondern auch in renommierten Museen in Europa und in den USA, in Melbourne und Chicago, in Stockholm und Paris, natürlich immer wieder in deutschen Städten und - nach einer unfreiwilligen langen Pause - auch wieder in Rumänien. Großplastiken von Peter Jacobi, der von 1971 bis zu seiner Emeritierung Professor an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim war, stehen im öffentlichen Raum in Deutschland, aber beispielsweise auch in China.

Seit geraumer Zeit widmet er sich mit großem Einsatz auch einem anderen Thema - den Kirchen und Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen. Er, in dessen Kunst der Begriff Zeit von zentraler Bedeutung ist, kann nur schwer mit ansehen, wie mit der Zeit viele dieser einst stolzen und kunsthistorisch wertvollen Baudenkmäler aus dem 14. bis 16. Jahrhundert offensichtlich dem Untergang preisgegeben sind. Er will etwas dagegen tun. Nicht künstlerisch überhöht, wie er das bisher in seiner Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gemacht hat, sondern konkret. Der erste Schritt war eine Art Bestandsaufnahme. Darüber berichtete Peter Jacobi in einem Gespräch mit Rohtraut Wittstock.

Sie haben in den letzten Jahren eine umfangreiche Dokumentation über die siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und ihren gegenwärtigen Zustand erstellt. Welche Gebiete Siebenbürgens haben Sie bereist und was haben Sie in den Dörfern vorgefunden?

In den Jahren 2004 und 2005 habe ich drei Reisen mit dem Wagen von Deutschland nach Rumänien gemacht, ca. 20.000 km zurückgelegt, rund 200 Ensembles besucht, manche zweimal, etwa 170 Kirchentürme bestiegen und ca. 4 000 Aufnahmen gemacht.
Ich habe das gesamte Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen besucht und auch weitere Ortschaften auf der Strecke von Bistritz bis Suceava, wo es einst evangelische Kirchengemeinden gab, und im Banat. In Suceava gibt es eine kleine evangelische Kirche, deren Dachstuhl stark vom Holzwurm befallen ist. Pojorâta ist wohl die einzige evangelische Fachwerkkirche, Baujahr 1910. In Jakobsdorf/Iacobeni (Suceava) ist ein großer, technisch hervorragender Kirchenbau von 1864. Die evangelische Kirche in Semlak im Banat hat einige bauliche Probleme, doch jene in Kleinsemlak/Semlacul Mic, ist in den letzten paar Jahren zur Ruine verfallen. All diese Ensembles sind im Besitz und in der Fürsorge der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien.
In den siebenbürgischen Dörfern habe ich die ganze wohl bekannte Palette an positiven und negativen/dramatischen Situationen vorgefunden. Die meisten Kirchen im Burzenland sind in gutem bis sehr gutem Zustand: Heldsdorf/Halchiu, Weidenbach/Ghimbav, Zeiden/Codlea, Tartlau/Prejmer, Honigberg/Harman, Wolkendorf/Vulcan, Neustadt/Cristian, Rothbach/Rotbav u.a. Oder die Gemeinden im Reener Ländchen, alle unter der Obhut von Stadtpfarrer Zoran Kezdi, sind gut betreut. Die Rückgabe der Gebäude, Äcker und Wälder wird achtsam verfolgt, geschickte Verhandlungen mit der Stadt Sächsisch-Reen/Reghin haben auch zu guten und in der Perspektive sehr guten Mieteinnahmen z.B. für die rückerstatteten Schulgebäude geführt. Gemeinden wie Birk/Petelea (hier wurde die zum Großteil von der Niermann Stiftung finanzierte Gesamtsanierung gerade beendet), Deutsch-Zepling/Dedrad, Ludwigsdorf/Logig, Botsch/Batos, Weilau/Uila haben hier viel für ihre Kirche getan. Auch sind eine ganze Reihe von Kirchenburgen in der Umgebung von Hermannstadt in gutem bis sehr gutem Zustand: Neppendorf/Turnisor, Großau/Cristian, Reußdörfchen/Ruscior, Kleinscheuern/Sura Mica, Michelsberg/Cisnadioara oder die Stadpfarrkirche in Heltau/Cisnadie. In der Mediascher Gegend sind positive Beispiele, wie Baaßen/Bazna, Eibesdorf/Ighisul Nou, Birthälm/Biertan, Reichesdorf/Richis zu verzeichnen. In der Schäßburger Gegend sind Groß-Alisch/Seleus, Pruden/Prod mit gut erhaltenen Objekten zu erwähnen.
In der Mühlbacher Gegend sind die Kirchen in Großpold/Apoldu de Sus, Reußmarkt/Miercurea Sibiului, Petersdorf/Petresti in gutem Zustand. Diese "positive Liste" ist unvollständig. Jedoch haben auch diese Gemeinden natürlich ihre Probleme, z.B. was die Nachfolge der Kuratoren, Glöckner etc. anbelangt, aber sie sind im Vergleich zu den anderen, mit gravierenden Mängeln behafteten Ensembles in einer insgesamt guten Verfassung. Die erwähnten Bauten haben ihren guten Zustand meistens den noch in den Orten lebenden Siebenbürger Sachsen und/oder auch einigen Heimatortsgemeinschaften im Ausland zu verdanken.
All die Ensembles mit schwerwiegenden Problemen hier aufzulisten, würde zu weit führen. Man kann allerdings behaupten, dass der große Rest, ca. 180 Kirchenburgen und Bauernkirchen, in einem problematischen bis dramatischen Zustand sind und ihre Zukunft nicht gesichert ist. So werde ich nur einige wenige Beispiele anführen und weise auf meine demnächst mit einem relativ umfassenden "Bericht" vergrößerte Homepage hin. Dort werden rund 180 bis 200 Ortschaften mit je 10 - 25 Fotos und einigen schriftlichen Notizen vorgestellt.

Bezieht Ihre Dokumentation auch die großen Stadtkirchen ein?

In meinem "Bericht" habe ich die städtischen Ensembles ausgeklammert, weil diese Kirchen in einem besseren Zustand sind. Auch stehen diese Kirchen sowieso im Blickfeld der Medien. Allerdings weiß jeder, dass bei derartigen historischen Bauten eigentlich eine permanente Restaurierungstätigkeit nötig ist.
Bistritz/Bistrita, das traurige Schicksal dieser bedeutenden Stadtpfarrkirche ist Gott sei Dank eher die Ausnahme unter den Stadtkirchen in Siebenbürgen. Seit 1992 stehen eine ganze Reihe von teilweise maroden Baugerüsten an der Kirche, seinerzeit wurden einige Restaurierungsarbeiten durch das Kulturministerium, auch am Dachstuhl der Kirche, ausgeführt. Danach kamen keine Mittel mehr, somit wurden die Arbeiten gestoppt. Eine Maßnahme an der Barockfassade wurde zum Teil ausgeführt, diese Arbeiten wurden vom Stadtpfarramt beglichen, indem eines der drei oder vier noch im Kirchenbesitz befindlichen Stadthäuser der Baufirma überlassen wurde. Ob dieses die richtige Entscheidung war, ist mit einem Fragezeichen zu versehen. Andere Maßnahmen wären sicher zwingender gewesen, zum Beispiel war das Dach seit etwa 12 Jahren leck, dadurch hat es erhebliche Schäden wie Wasserdurchbruch an der Kirchendecke gegeben. Genau so dramatisch ist seit vielen Jahren der Zustand der Wand hinter der Orgel, wo große Öffnungen in der Wand mit einem einfachen Bretterverschlag versehen sind. Unzählige Fenster sind eingeschlagen. Wassereinbruch ist auch in der Sakristei, die als Kunstdepot benutzt wird etc. Eine glückliche Wende trat im Jahr 2004 ein, als eine HOG Bistritz unter der Leitung von Dr. Hans Franchy und Dipl. Ing. Jäger gegründet wurde. Dieser Organisation ist es gelungen, 2004 das Kirchendach zu reparieren, das heißt, es wurden die Dachziegel "gerückt" und die beschädigten mit neuen ersetzt. Allerdings fehlen noch Geldmittel, um diese Rechnung voll zu bezahlen. Auch der Bürgermeister will einige Mittel zur Verfügung stellen, um die Barockfassade fertig zu stellen, aus seinem Amtszimmer ist der Anblick der ewig stehenden Gerüste eben auch störend.
Zu erwähnen sind auch die bedauerlichen offiziellen (Zied/Veseud) oder stillschweigenden Aufgaben einiger Kirchen, die dann sehr bald einen ruinösen Zustand erreichen. Im Folgenden will ich einige Orte nennen, damit wir nicht im Allgemeinen stecken bleiben. In Kund/Cund steht die Kirche ungenutzt da, die Schäden sind groß, die Schule ist besonders verfallen. In Kyrieleis/Chirales ist die Kirche, ein schöner Bau, seit Jahrzehnten ungenutzt und es sind tiefgehende Verfallserscheinungen aufgetaucht. Für die Schlüsselinhaberin gibt es keine Nachfolge. Die Kirche in Ungersdorf/Sieu-Maghierus ist eine offen stehende Ruine, notdürftig abgestützt. Die Stolzenburg/Slimnic, ein historisches Denkmal von europäischer Bedeutung, weist bei allen Wandkronen durch Frost und Vegetation hervorgerufene starke Schäden auf. Für die Burghüterfamilie gibt es keinen Wasseranschluss. Die Anlage ist ungepflegt. Ein Turm und das Burghüterhaus wurden restauriert. Jedoch sind weitere aufwändige Arbeiten nötig. Ein Sonderprojekt der Europäischen Union oder einer anderen internationalen Körperschaft sollte Abhilfe schaffen. Die Auflistung könnte mit Felldorf/Filitelnic, Haschagen/Hasag, Radeln/Roadas, Lechnitz/Lechinta, Kreisch/Cris, Bodendorf/Bunesti und vielen anderen Dörfern fortgesetzt werden. In Draas/Drauseni fließt in der sehr frühen romanischen Kirche das Regenwasser über die wertvollen Fresken. Das ganze Dach ist kaputt und zum Teil eingefallen. Die vom Kulturministerium vor Jahren begonnene Restaurierung wurde längst unterbrochen.

Worin besteht für Sie die Besonderheit dieser Kulturlandschaft? Sie sind in Ploiesti geboren und haben die Zeit vor Ihrer Umsiedlung nach Deutschland in Bukarest verbracht. Wie wirkt das siebenbürgische Dorf mit den Wehrkirchen, aber auch mit den Pfarr- und Predigerhäusern, Schulen, Kindergärten und Gemeindesälen auf Sie?

Meine Familie väterlicherseits stammt aus Streitfort bei Schäßburg. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg gab es einfach keine Erwerbsmöglichkeiten in dieser Gegend, so war mein Großvater mehrere Jahrzehnte in Amerika und kam als US-Bürger 1920 zurück. Gerade boomte die junge rumänische Erdölindustrie im Prahova-Tal - ein Anreiz für die Familie, hinzuziehen. Während der Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges zog meine Familie zunächst nach Streitfort, dann nach Tartlau und von dort nach Hermannstadt. So habe ich bis zu meinem 18. Lebensjahr in Siebenbürgen gelebt. Meine Mutter, geborene Porsche (der Urgroßvater Julian Porsche wanderte im späten 19. Jahrhundert von Böhmen als Glasbläser nach Freck ein), arbeitete in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Säuglingsschwester bei holländischen Unternehmerfamilien im rumänischen Ölgebiet. Dort haben sich meine Eltern kennen gelernt.
Die Kirchenburgen bewegen mein Denken und meine Gefühle außerordentlich und nachhaltig. Sie sind für mich wie offene Bücher, die mir die lange Geschichte der Siebenbürger Sachsen erzählen, ich kann die Zeugnisse aller Perioden ablesen: der Romanik, Gotik, des Barock, Klassizismus, Biedermeier, Historismus (etwa ab 1860 - 1910). Ich kann die enormen Anstrengungen bei der Errichtung der ersten Wehrtürme gut nachvollziehen, als man mit bloßen Händen aus dem nahe liegenden Bach die Steine herausholte und diese mit großem Geschick zu einer stabilen Mauer zusammenfügte. Man kann die materiellen und gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen die Arbeit getan wurde, erkennen. Diese brutale Geschichte mit den unvorstellbaren Opfern aller Art wird augenfällig, vor allen Dingen wenn man an die geringe Menschenzahl denkt, die diese Leistungen vollbracht haben. Manchmal waren es nicht mehr als 15 000, 20 000, vielleicht 30 000 Menschen in ganz Siebenbürgen, sicher dann mehr im 17. - 19. und im 20. Jahrhundert. Natürlich sind mir auch die grausamen Sitten bekannt, unter denen z.B. eine unverheiratete Frau, die ein Kind bekam, extrem zu leiden hatte.
Nun, dieser Geschichte anzugehören, ist ein Teil meiner Motivation, mich um den Erhalt der siebenbürgischen Ensembles zu bemühen. Obwohl ich bereits als Kind verstanden habe, dass unser Dasein in Transsylvanien eigentlich immer das von Siedlern war, die nie eine völlige politische Eigenständigkeit gehabt haben. Diese starke Bindung an Siebenbürgen gibt es trotz meiner Existenz in Deutschland. Einerseits bin ich sehr dankbar, dass ich, beruflich und sozial, ein freies Leben führen konnte, auf der anderen Seite bin ich natürlich nicht zu einem Bayern oder Schwaben mutiert. So habe ich große Schwierigkeiten, einige unserer Leute zu verstehen, wenn ich sie beobachte, wie sie irgendeinen deutschen Dialekt mühselig imitieren, ihre Herkunft verdrängen und dem historischen Bewusstsein ausweichen.

Gibt es Initiativen zur Erhaltung dieser einzigartigen Baudenkmäler?

Ja, eine ganze Reihe. Gemessen am Bedarf reichen sie aber bei weitem nicht aus, um unwiederbringlichen Verlusten vorzubeugen. Für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien als Eigentümerin stellen Baumaßnahmen zu diesem Zweck eine Dauerbeschäftigung dar. Die Heimatortsgemeinschaften der nach Deutschland ausgesiedelten Siebenbürger Sachsen unternehmen oft große Anstrengungen. Aber auch andere Körperschaften, wie die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung oder der britische Eminescu-Trust unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles haben wirksam eingegriffen. Mehrere Ensembles wurden zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat hat aus Mitteln des Bundesinnenministeriums in den neunziger Jahren eine Dokumentation siebenbürgisch-sächsischer Kulturgüter erstellt.
Eine Zusammenarbeit mit den erwähnten Einrichtungen ist ebenso wichtig wie eine klare Vorstellung über die künftigen Nutzungsmöglichkeiten dieser dieser Bauten. Jede Initiative ist zu begrüßen.
Im "Atlas der Siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und Dorfkirchen" von Hermann Fabini werden 527 Ortschaften aufgelistet und mit Fotografien dokumentiert. Wenn man die ungarisch-reformierten Kirchen, die jedoch genauso zum Bild Siebenbürgens gehören, und einige Bauten, die an die Orthodoxe Kirche übergeben wurden, von dieser Zahl abzieht, bleiben noch immer rund 350 Ensembles! Zu bedenken ist, dass es - gerade nach den zurzeit laufenden Rückgaben - noch Orte gibt, wo außer der Kirchenburg, manchmal mit Glöckner- oder Burgwächterwohnung, noch das Pfarrhaus, Schule, Kindergarten, Gemeindesaal, Lehrerwohnungen u.a. vorhanden sind. Zu den anstehenden Verwaltungsaufgaben müssen noch die hunderte von Hektar Wald und Ackerboden dazu gerechnet werden, die rückerstattet werden könnten. All dieses müsste nun von einer leistungsfähigen, rechnergestützten Einrichtung mit entsprechendem Personal verwaltet werden. Alle Organisationen zusammengenommen können auf die Dauer, auch wegen der schrumpfenden Menschenzahl in den einzelnen Orten, diese Aufgabe nicht mehr bewältigen. Also bleibt eine einzige Möglichkeit: über das Internet weltweit neue Nutzer anzuwerben! Es gibt genug Beispiele in den alten Bundesländern, in Holland etc., wo dieses seit Jahrzehnten praktiziert wird. Wobei der Verkauf vieler Gebäude die einzige Rettung sein wird. Dieses erfordert eine große konzeptionelle und organisatorische Arbeit, mit der am besten sofort zu beginnen wäre. Natürlich sind wichtige Kirchen und sonstige Gebäude vom Verkauf auszuschließen. Für diese sollten Partner gefunden werden, die für die Pflege sorgen. Bitte stellen Sie sich die Situation in 10 - 20 Jahren vor, mindestens im Hinblick auf diese Zeit sollte heute gedacht und gehandelt werden.
Unlängst hörte ich den Ausspruch: "Sasii, stramosii nostri" (Die Siebenbürger Sachsen, unsere Ahnen). Ja, warum denn nicht. In den kommenden Jahrzehnten wird es so oder anders dazu kommen, dass das Erbe der Sachsen zumindest zum Teil in andere Hände übergeht. Und dann kann man nur hoffen, dass aus dieser Annahme im wahrsten Sinne des Wortes heraus auch auf unsere Hinterlassenschaft gesorgt wird. Das kann man aber schon heute vorbereiten und die Erlöse aus Verkauf oder Verpachtung zu einem/mehreren Fonds zusammenfügen.
Wenn man durch die siebenbürgischen Dörfer und Städte fährt, dann sind es die ebenfalls leer stehenden und reparaturbedürftigen Synagogen, z. B. in Fogarasch, Schäßburg, Hermannstadt, Mediasch, Vatra Dornei usw., und viele unserer evangelischen Dorfkirchen, die vom Verfall bedroht sind. Sicher ein kontrastreicher Anblick im Vergleich zu den mehrere hundert zählenden neuen orthodoxen und katholischen Kirchen sowie zu den neuen Gebäuden vieler anderer Kulte.
Die Aufnahme einiger Ensembles auf die UNESCO-Welterbeliste ist sehr bedeutsam, nur heißt das noch gar nicht, dass damit Mittel auch nur für dringende Reparaturen zur Verfügung stehen.

Sie haben vor, Ihren Bericht zu dem Thema auf einer Internetseite zu veröffentlichen. Einen reich bebilderten Einblick kann man auf Ihrer Homepage www.peterhjacobi.de schon jetzt erhalten.

Den "Bericht" hoffe ich, in einigen wenigen Wochen abgeschlossen zu haben und im Internet weltweit zur Verfügung stellen zu können. Zunächst wird diese Internetseite in deutscher Sprache erscheinen, die englische Version kommt dann kapitelweise. Ich darf hier kurz erwähnen, dass meine Arbeit als rein private Handlung abläuft, diversen Anträgen auf Kofinanzierung wurde nicht stattgegeben. Dieser Bericht ist eine Leistung, die ich mir vorgenommen habe, eine Art Feuerwehrrapport, er soll vor allem mit der Kraft der Bilder auf die Ernsthaftigkeit der Lage hinweisen. Es ist keine Beschreibung der Kirchenensembles, wie sie ein Architekt machen würde, davon gibt es genug.

Wie verträgt sich die künstlerische Arbeit mit Ihrem starken Engagement für die Kirchenburgen? Bedauern Sie nicht, dass sie eventuell zu kurz kommt?

Meine Aktionen sehe ich auch als eine künstlerische Handlung, ich erfreue mich auch an der bildhauerischen Qualität und der Kraft der Wehrkirchen, z. B. in Seligstadt und Wurmloch und anderswo. Ich staune immer wieder über das Raffinement und die strategische Klugheit, mit der die meisten der Kirchen in die Landschaft platziert wurden. Während des Fotografierens habe ich eine Reihe von wunderbaren, unverbrauchten Bildern gefunden, die ich in einer so genannten "Art Selection" zusammengefasst habe. Ähnlich wie bei anderen fotografischen Werkgruppen aus den frühen 1980er Jahren gibt es auch hier Bezüge zur alten und zur neuen Kunst und Architektur, zum Bühnenbild, zur Installationskunst der heutigen Zeit. Es sind Bilder, die ganz anders sind als die Bilder, die uns über die Medien täglich überfluten.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Link: Peter Jacobi in der SbZ Online

Schlagwörter: Interview, Kultur

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