29. Juli 2006

Henry Horst Mantsch

Henry Horst Mantsch ist in der Internet-Suchmaschine Google mit 536 Eintragungen zu finden. Das ist eine beeindruckende Informationsmenge und trotzdem nur eine in Überschriften geraffte Zusammenfassung von Mantschs äußerst erfolg- und abwechslungsreichem Lebenslauf. Seine Karriere als Forscher und Hochschullehrer begann er 1958 in Klausenburg. Eine Zäsur in seinem Leben brachte das Jahr 2002, als Mantsch als Botschaftsrat und Leiter der Abteilung Wissenschaft und Technologie an Kanadas Botschaft in Berlin berufen wurde.
Für seine Verdienste in Forschung und Lehre wurde Mantsch mit zahlreichen internationalen Preisen gewürdigt. Im "Who is Who in Canada" wird er ebenso aufgeführt wie im "Who is Who in America". In siebenbürgisch-sächsischen Kreisen ist er jedoch weniger bekannt, wohl auch deshalb, weil seine Forschungen in schwer verständlichen Grenzgebieten zwischen Chemie, Physik, Biologie und Medizin liegen.

Henry Horst Mantsch.
Henry Horst Mantsch.
Horst Heinrich Mantsch erblickte das Licht der Welt am 30. Juli 1935 in Mediasch als Sohn des Gymnasiallehrers Heinrich Mantsch und seiner Frau Olga, geborene Gondosch. In der Heimatstadt besuchte er ab 1942 die Volksschule. Schon in diesen Jahren fielen die dunklen Schatten des zweiten Weltkrieges auf die Familie. Der Vater wurde als Reserveoffizier in die rumänische Arme einberufen und vornehmlich als Dolmetscher zwischen rumänischen und deutschen Verbänden eingesetzt. Nach dem Frontwechsel Rumäniens im August 1944 schloss sich Heinrich Mantsch den zurückweichenden deutschen Truppen an und geriet auf österreichischem Gebiet in amerikanische Gefangenschaft. 1946 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen und kehrte nach Mediasch zurück, wo er zwar am Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium unterrichten durfte, aber ständigen politischen Repressalien ausgesetzt war, weil er von den rumänischen Behörden als Deserteur eingestuft wurde. Nach der Versetzung an die Grundschule Meschen und weiteren brutalen Schikanen setzte der Vater 1949 seinem Leben ein Ende. Das war ein schwerer Schlag. In den folgenden Jahren waren Mangel, Verzicht und auch Vorsicht ständige Begleiter der Familie. Nur die beispielhafte Haltung der Mutter und die engen Bande zwischen Mutter und Sohn gestalteten diese Notlage erträglicher. Die Mutter, die einer angesehenen Bistritzer Familie entstammte und das Wiener Konservatorium besucht hatte, trat ohne zu zögern eine Stelle als einfache Arbeiterin in einer Stickerei an und verdiente - trotz angeschlagener Gesundheit - somit das tägliche Brot für sich und ihren Sohn. 1953 legte Mantsch das Abitur am rumänischen Gymnasium in Mediasch ab und nahm im Herbst des gleichen Jahres das Studium der Chemie an der Universität Klausenburg auf. Der Mediascher bestand das Staatsexamen im Juni 1958 mit Bestnoten (Diploma de merit) und konnte dank dieser Leistung eine der beiden freien Stellen am Institut für Chemie der Rumänischen Akademie für Wissenschaften in Klausenburg antreten. Im November 1959 heiratete er Ana Emilia Kory (genannt "Amy"), damals Studentin der Philologie, die er beim Tennisspielen kennen gelernt hatte und die ihm zwei Töchter schenken sollte: Monica (geboren 1961) und Marietta (1966).

1963 lernte Mantsch beim 7. Europäischen Kongress für Molekular Spektroskopie in Budapest u.a. zwei Wissenschaftler kennen, die für seine Zukunft eine maßgebliche Rolle spielen sollten: Prof. Valentin Zanker aus München und Prof. Norman Jones aus Ottawa. Zanker bot ihm ein Humboldt-Stipendium an, das er, bedingt durch die langwierigen Formalitäten der rumänischen Behörden, im Dezember 1965 antreten konnte. Der inzwischen promovierte Chemiker war damit der erste Nachkriegs-Humboldt-Stipendiat aus Rumänien. In München führte er bis Herbst 1967 - abgesehen von zwei Unterbrechungen - Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Fotochemie von Naturstoffen und der Spektroskopie durch und betreute Diplomanden. Im Frühjahr 1967 wirkte Mantsch drei Monate lang als Gastwissenschaftler an der Victoria University in Manchester. Hier hatten die englischen Kollegen Schwierigkeiten mit dem Vornamen Horst wegen der Ähnlichkeit mit dem englischen "horse" (Pferd). Deshalb wird fortan der zweite Vorname Heinrich (englisch Henry) bevorzugt. Als krönenden Abschluss der Stipendiatenzeit stellte der Siebenbürger Sachse seine Forschungsergebnisse im Herbst 1967 auf einem Kongress für Spektroskopie - EUCMOS - in Madrid vor. Dort traf er erneut Norman Jones, der ihm eine Stelle als Postdoctoral Research Fellow am National Research Council (NRC) in Ottawa anbot. Das führte zu einem vierjährigen Forschungsaufenthalt Mantschs in Kanada, wobei er unter anderem an der klinischen Erprobung von Verhütungsmitteln an Ureinwohnern im peruanischen Dschungel teilnahm. Das Ergebnis dieser Versuche war verblüffend: Anstatt zu verhüten erhöhte der Wirkstoff die Fruchtbarkeit der Indianerinnen - ein wertvoller Hinweis für spätere interdisziplinäre Arbeiten.

Das Arbeitsklima verschlechterte sich 1972 nach der Rückkehr nach Klausenburg, 1973 reiste die Mutter, Olga Mantsch, in die Bundesrepublik aus und zwei Jahre später die restliche Familie. Deutschland erwies sich allerdings nur als Zwischenstation, denn Horst Mantsch nahm die Chance wahr, Nachfolger seines kanadischen Förderers Norman Jones zu werden. Er stellte sich dem hierfür erforderlichen Wettbewerb und erhielt die Stelle. Im September 1977 übersiedelte die Familie nach Kanada. In der neuen Funktion als Leiter der Abteilung Molekular Spektroskopie am NRC in Ottawa entfaltete Henry Mantsch eine vielfältige und erfolgreiche Aktivität. Der Schwerpunkt seiner Arbeiten verlagerte sich auf interdisziplinäre Bereiche von Chemie, Physik und Biologie. In der Abteilung wurden bahnbrechende spektroskopische Methoden zur Bestimmung der Struktur von hochkomplexen Biomolekülen wie Fett- und Eiweißstoffen, Enzymen und Biomembranen entwickelt. Zudem las er Physikalische Chemie an der Carlton-Universität in Ottawa und Biochemie an der Universität Ottawa.

1992 wurde Henry Mantsch Mitbegründer des Instituts für Biodiagnostik in Winnipeg, das die Anwendung der Infrarot Spektroskopie in der Früherkennung und Diagnostik von Krankheiten mittels nicht invasiver Methoden erforschte. Gleichzeitig wirkte er als Hochschullehrer an der Universität von Manitoba in Winnipeg und las Chemie, Biochemie und Molekulare Medizin. Des Weiteren entfaltete Mantsch eine rege Tätigkeit als Gastdozent und Vortragender an Universitäten in Europa, Japan, China, Australien und Nordamerika, an Kongressen und wissenschaftlichen Tagungen, an NATO-Schulen in halb Europa. In den von ihm geleiteten Abteilungen wurden über 100 Doktoranden und "Postdoktoranden" aus vielen Ländern betreut.

Für sein erfolgreiches und erfülltes Forscherleben wurden Mantsch zahlreiche Ehrungen und Preise zuerkannt, darunter die Goldmedaille für Forschung und Lehre, Bukarest (1972), die Justus Liebig Medaille, Gießen (1977), -Fellow of the Chemical Institute of Canada, Ottawa (1979), die Alexander von Humboldt Medaille für Internationale Zusammenarbeit, Bonn (1980), die KANI Medaille der Japanischen Gesellschaft für Krebsforschung, Tokyo (1981), Fellow of the Royal Society of Canada, Ottawa (1982), Gerhard Herzberg Preis, Quebec (1984), Joannes-Marcus Marci Medaille für Spektroskopie, Prag (1998), und erst kürzlich, im Mai 2005, den Ehrendoktor der Universität Großwardein/Oradea u.a.

Auf Anregung des Präsidenten des NRC bewarb sich Henry Horst Mantsch im Frühjahr 2002 als Botschaftsrat für Wissenschaft und Technologie an der kanadischen Botschaft in Berlin und trat diese Stelle im August 2002 in einem Alter an, in dem andere bereits das Rentnerleben genießen. Sein Arbeitstag an der kanadischen Botschaft am Leipziger Platz, im Herzen Berlins, ist geprägt von ständigem Kommen und Gehen von deutschen und kanadischen Wissenschaftlern, von deutschen Kleinunternehmern und Mittelständlern, die in Kanada Geschäften nachgehen wollen, von Vertretern verschiedener Institutionen und Gesellschaften u.a. Seine Hauptaufgabe lautet: Brücken zwischen Kanada und Deutschland schlagen. Und wenn man die Bewertungen seiner Vorgesetzten für die beiden zurückliegenden Jahre (2003-2004) liest, auch das ist möglich, kommt man unweigerlich zu der Feststellung, dass Henry als "Diplomat" dem Forscher in nichts nachsteht und auch auf dem diplomatischen Parkett äußerst erfolgreich agiert. Seiner neuen Tätigkeit geht er mit großer Begeisterung nach, und das erfüllt ihn mit steigender Zufriedenheit.

Ein Professor in Spanien gatulierte Mantsch wie folgt zur neuen Karriere: "Das hättest du als deutschsprachiges Kind in Rumänien nie zu träumen gewagt, eines Tages kanadischer Diplomat in Deutschland zu werden!"

Der 70-Jährige hat in der Tat außerordentliche Leistungen als Forscher, Hochschullehrer und neuerdings als Diplomat vorzuweisen. Dabei kommt auch der Mensch und Familienvater, Förderer und Freund nicht zu kurz. Vor allem die Übersiedlung nach Kanada, die raschen beruflichen Erfolge und die daraus resultierende finanzielle Lage eröffneten der Familie Möglichkeiten, die sie in vielfältiger und sinnvoller Weise zu nutzen wusste. Seine Ehefrau Amy verzichtete auf eine in Klausenburg begonnene akademische Laufbahn, um sich als "ruhender Pol" der Familie in guten und schlechten Zeiten zu widmen. Das Ehepaar unterhielt und unterhält ein offenes gastfreundliches Haus, in Ottawa, Winnipeg und jetzt in Berlin, in dem zig Freunde und Kollegen, Weggefährten verschiedenster Altersstufen und aus vielen Ländern, aber auch Siebenbürger Sachsen, denen Mantsch gerne mit Rat und Tat beisteht, willkommen sind.

In diesem Umfeld feiert Henry Horst Mantsch am 30. Juli seinen 70. Geburtstag. Dem vierfachen Großvater wünschen wir von dieser Stelle aus noch viele glückliche und erfüllte Jahre inmitten seiner Familie und seiner vielen Freunde.

Schlagwörter: Porträt, Wissenschaft

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