21. April 2010

Eine (fast) Münchner Geschichte: der Herzchirurg Dr. Christian Schreiber

Christian Schreiber, vierundvierzig, verheiratet, zwei Kinder. Klingt ziemlich gewöhnlich, aber nur im ersten Moment. Denn er ist Herzchirurg, beherrscht eine weltweit außergewöhnliche Operationsmethode für eine seltene Herzklappen-Anomalie und ist leitender Oberarzt. Als ich ihn zum Interview im Deutschen Herzzentrum in der Lazarettstraße in München treffe, ist er nett, gelassen, erzählt gern.
Seine Eltern Franz und Dorit stammen beide aus Kronstadt. Ob er sich als Siebenbürger Sachse fühle, frage ich ihn. „Ich glaube, ich habe nie gesagt, dass ich Siebenbürger bin, aber ich habe sicher immer den Punkt gemacht, dass meine Eltern aus Siebenbürgen kommen.“

Im Jahr 1999 ist er zum ersten Mal selbst nach Siebenbürgen gefahren – ein von seinem Vater organisierter Vier-Generationen-Ausflug mit Großeltern, Eltern, Brüdern und seiner ersten Tochter. „Wir reden übrigens auch zu Hause Siebenbürgisch-Sächsisch“, erklärt Schreiber ein bisschen stolz. „Ich rede mit meinen beiden Brüdern Sächsisch und auch mit meinen Eltern. Selbst meine Frau, die versteht das schon ein bissl und auch meine Kinder. Wenn wir meine Eltern besuchen, reden wir Sächsisch. Meine Oma hat dann immer gesagt: ‚So ein Siebenbürgisch-Sächsisch und so verdeutscht!‘ Na ja, ich denke, wir machen das doch ganz gut.“

Geboren ist er in Bali. Nachdem seine Eltern in den sechziger Jahren aus Rumänien nach Deutschland gekommen waren, bekam sein Vater das Angebot, auf Bali zu arbeiten. „Und das haben die beiden dann einfach so gemacht, was sicher auch sehr wagemutig war. Denn das war in den sechziger Jahren schon etwas Be­sonderes“, erklärt Schreiber.

Das Reise-Gen seiner Eltern hat er wohl ge­erbt. „Ich bin auch so ein bisschen reisesüchtig“, gibt Schreiber zu. Er lebte als Kind auf Bali und in Kolumbien, später in München, Wiesbaden und ein halbes Jahr in Portugal. Außerdem auch noch in England und Brasilien, wo er seine spätere Ehefrau Tania kennen lernte. Trotzdem hat er immer gewusst, wo er hin will: „Ich wollte immer wieder nach München zurück, nach Bayern.“ Und genau dort lebt und arbeitet er heute. Nach dem Abitur studierte er Medizin in der bayerischen Landeshauptstadt, obwohl dieser Berufswunsch nicht gerade in der Familie lag. „Mein Vater war Maschinenbauer und meine beiden Brüder sind natürlich auch brav Maschinenbauer geworden. Ich glaube, in meiner Familie gab es noch nie einen, der so verrückt war, Herzchirurg werden zu wollen, zu­mindest nicht in den näheren Generationen.“
Christian Schreiber vor dem Deutschen ...
Christian Schreiber vor dem Deutschen Herzzentrum. Foto: Sabine Streck
Trotzdem legt Schreiber eine erstaunliche Kar­riere hin. Er arbeitete unter anderem als Herzchirurg im Great Ormond Street Hospital in London und arbeitete sich am Herzzentrum in München vom Assistenzarzt zum leitenden Ober­arzt hoch. Dort leitet er die Abteilung für angeborene Herzfehler. Außerdem beherrscht er eine Operationsmethode, die außer ihm gerade einmal vier andere Ärzte auf der Welt beherrschen.

Die Krankheit heißt Morbus Ebstein, eine Herzklappen-Anomalie. Gerade einmal eine von 200000 Lebendgeburten hat sie.

Bei einem gesunden Menschen teilt die Trikuspidalklappe (eine aus drei „Klappensegel“ genannten Gewebsteilen bestehende Klappe) den rechten Vorhof und die rechte Herzkammer. Bei einer Person mit Morbus Ebstein aber sind die drei Klappensegel irgendwo in der Kammer angewachsen. Und hier liegt das Problem. Statt vollständig zur Lunge gepumpt und mit Sauerstoff angereichert zu werden, schwappt das Blut zwischen den beiden Kammern hin und her. Für den Betroffenen bedeutet das: Kurzatmigkeit, Herzrhythmusstörungen und verringerte Leistungsfähigkeit. Er kann zwar durchaus damit leben, aber eben etwas eingeschränkt.

„Wir gehören auf jeden Fall zu den Top-3 Kliniken in Europa, die so viele Patienten mit Morbus Ebstein überhaupt jemals gesehen und diese im Team diagnostiziert und behandelt haben. Und wir hatten da ganz gute Ergebnisse. Dann haben wir mitbekommen, dass es da in Brasilien einen gibt, der das anders macht.“ Dieser eine war José Pedro da Silva, seines Zeichens Herzchirurg in São Paulo, Brasilien. Er hat eine bisher einzigartige Operationsmethode für diese Krankheit entwickelt – die Cone-Methode. „Das Besondere ist, dass man eben die Klappe repariert und nicht ersetzt“, erklärt Schreiber. „Das ist überhaupt der Trend in den letzten Jahren, man versucht, mit dem klappeneigenen Material zu arbeiten und nicht immer alles zu ersetzen.“ Bei der Cone-Methode „bastelt“ der Operateur aus dem vorhandenen Material eine neue, trichterförmige Klappe, die die Aufgaben einer normalgebildeten Trikuspidalklappe erfüllt. Dieser Trichterform hat die Methode auch ihren Namen zu verdanken. „Cone“ heißt nämlich in Englisch so viel wie „Eistüte“ und genau der ähnelt die neue Klappe.

Nach dieser Operation lebt der Patient nicht mit einer Art Notlösung, sondern er ist geheilt. Inzwischen wurden schon drei Patienten mit dieser Krankheit im Deutschen Herzzentrum in München erfolgreich operiert, wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich berichtete.

Wenn nun ein Siebenbürger oder Siebenbürgerin einen Termin bei Dr. Schreiber möchte? Das sei kein Problem, er habe schon vielen, auch siebenbürgischen, Patienten geholfen. „Mein Spe­zialgebiet sind zwar angeborene Herzfehler, aber ich habe natürlich die Herzchirurgie von der Pike auf gelernt und bekomme das hier ja auch jeden Tag mit.“ Also sind neue Patienten, die Rat in Sachen Herzchirurgie brauchen, herzlich willkommen. Er hilft da gerne, er ist halt ein netter Mensch, der Doktor Schreiber.

Sabine Streck

Schlagwörter: Medizin, München

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