26. Januar 2006

Studium Transylvanicum feierte XX. Akademiewoche in Morsbach

Zum zwanzigsten Mal fand in der Woche zum Jahreswechsel die Siebenbürgische Akademiewoche von Studium Transylvanicum unter dem Titel "Transylvania: Siebenbürgen, Erdély, Ardeal - Forschungstraditionen und aktuelle Perspektiven" statt. Auf dem Programm stand eine bunte Mischung von wissenschaftlichen Aktivitäten und Jubiläums- bzw. Neujahrsfeierlichkeiten.
Die XX. Siebenbürgische Akademiewoche von Studium Transylvanicum war für mich persönlich die Dritte. Vor zwei Jahren hatte ich diesen jungen Kreis von an Siebenbürgen Interessierten durch meine damalige Freundin und jetzige Frau, eine Ungarin aus Siebenbürgen, kennen gelernt. Ich fühlte mich so wohl, dass ich immer wieder gekommen bin.

Die Besonderheit dieser wissenschaftlichen Tagung, die erstmals in einer sehr schönen, von Nils Hakan Mâzgâreanu vermittelten Tagungsstätte im nahe Eichstätt gelegenen Morsbach stattfand, liegt in der ausgewogenen Mischung von landeskundlichem und geselligem Angebot. Während tagsüber ein anspruchsvolles und für alle Teilnehmer verpflichtendes Vortragsprogramm mit anregenden Diskussionen absolviert wird, öffnet sich nach dem Abendessen ein freiwilliges und abwechslungsreiches Betätigungsfeld: Intellektuell Unersättliche konnten diesmal noch Arbeitsgemeinschaften zur Geschichte Siebenbürgens bei Dr. Meinolf Arens besuchen oder sich in die Grundlagen der Landessprachen Rumänisch (bei Adrian Rieger) und Ungarisch (bei Zsuzsánna Berger-Nagy) einführen lassen. Daneben gab es die Möglichkeit zum Tanz bei Annegret Jung und Nils Hakan Mâzgâreanu sowie zu spielerisch-sportlichen Aktivitäten. All diese Möglichkeiten wurden ausgiebig genutzt. Bei der von Heinrich Kraus organisierten Exkursion nach Eichstätt, beim Küchendienst oder dem gemütlichen abendlichen Zusammensitzen entwickelten sich persönliche Gespräche und spannende Diskussionen.

Die Teilnehmer der XX. Akademiewoche von Studium Transylvanicum. Foto: Michael Jung
Die Teilnehmer der XX. Akademiewoche von Studium Transylvanicum. Foto: Michael Jung

Nachdem Thomas Șindilariu am Vorabend die Teilnehmer begrüßt und den Veranstaltungsablauf erläutert hatte, ging es am Mittwoch, dem 28. Dezember, im offiziellen Programm mit vier anspruchsvollen Vorträgen in medias res. Zunächst informierte Jürgen Binder über die bedeutende Rolle, welche die "Siebenbürgische Schule" der Rumänen im 18. und 19. Jahrhundert bei der Ausprägung des rumänischen Nationalbewusstweins gespielt hatte. Anschließend erörterte Daniel Ursprung kritisch Elemente einer Modernisierungstheorie am Beispiel Siebenbürgens. Die darauf folgende Diskussion, auf welche Weise Siebenbürgen am effektivsten modernisiert werden solle, führte inhaltlich stringent zur Thematik von Simona Werschings Vortrag, in dem die Dorfsoziologie des Dimitrie Gusti umfassend und unter Verwendung historischen Videomaterials dargestellt wurde. Den Abschluss der Vortragsreihe bildete für diesen Tag das faktenreiche Referat von Dr. Erika Schneider über die naturwissenschaftlichen Forschungstraditionen in Siebenbürgen.

Schon an diesem ersten Tag fiel wieder die bewährte Mischung aus allgemein und speziell ausgerichteten Vorträgen auf; sie bietet den intimen Kennern Siebenbürgens bzw. den Experten auf bestimmten Fachgebieten ebenso viel Interessantes wie den Neulingen, die zunächst durch Neugier und allgemeines Interesse an Siebenbürgen den Weg zur Akademiewoche finden. Dank der übergreifenden Themenstellung der Tagung kamen in den nächsten Tagen vielseitige Vorträge zur Entfaltung.

Breites Themenspektrum

So entführte Heinrich Kraus die Teilnehmer in seinem auf Archivstudien in Kronstadt beruhendem Vortrag über die lateinische Gelegenheitsdichtung in Siebenbürgen auf äußerst anregende und geistreich-amüsante Weise in das Zeitalter des Barock. Agnieszka Barszczewskas referierte über ein aktuelles und auch politisch brisantes Thema: die kleinen Minderheiten im Karpatenraum und Wandelbarkeit ethnischer Identität am Beispiel der Csángós und Russinnen. Eine Verbindung zwischen aktuellem und historischem Forschungsinteresse bot schließlich der Vortrag von James Koranyi, der sich mit öffentlichen und privaten Erinnerungskulturen der Siebenbürger Sachsen im Kontext des Zweiten Weltkriegs beschäftigte. Im Rahmen seines Dissertationsprojektes hat Koranyi schon viele spannende Interviews mit sächsischen Familien geführt, so dass er seinen Vortrag mit anschaulichen Beispielen illustrieren konnte. Ein geisteswissenschaftlich-historisches Thema nahm Franz Horváth in seinem Vortrag über die ungarische Philosophenschule in Klausenburg in den Blick. Der Referent stellte die Verbindung der Klausenburger Schule zur deutschen Philosophietradition her und beschrieb ihre Ausstrahlung auf den Donau-Karpatenraum. Den Abschluss der offiziellen Vortragsreihe bildete das Referat von Tiberiu Clujeanu, der über die Priesterausbildung bei den Konfessionen der siebenbürgischen Minderheiten informierte.

Ein Höhepunkt der Woche war die von Dr. Gerald Volkmer geleitete Podiumsdiskussion, die zur Darstellung und Bewertung aktueller Perspektiven der Siebenbürgen-Forschung im ostmittel- und südosteuropäischen Kontext genutzt wurde. Es diskutierten James Koranyi, Dr. Meinolf Arens, Daniel Ursprung, Franz Horváth, Thomas Șindilariu und der als Gast eingeladene Vorsitzende des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e.V., Dr. Ulrich A. Wien. Zu Beginn informierten die jeweiligen Teilnehmer des Podiums über institutionelle und themenspezifische Perspektiven der Siebenbürgen-Forschung in den angelsächsischen Ländern, dem deutschsprachigen Raum, den ungarischsprachigen Regionen und Rumänien, wobei Dr. Wien spezifisch auf die wissenschaftlichen Einrichtungen in Gundelsheim am Neckar einging. Er bedauerte einen vor allem in Deutschland zu beobachtenden Trend: Trotz erfolgreicher wissenschaftlicher Arbeit und neuer lohnender Forschungsaufgaben müsste man hierzulande zunehmend auf institutionell und finanziell abgesicherte Stützen verzichten. So kämen auch auf das Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim schwere Zeiten zu, in denen externe Geldgeber vonnöten seien.

20-jährige Aktivität gewürdigt

Allerdings ließ sich Studium Transylvanicum durch diese Problemlage nicht seine Feierlaune verderben, und so gedachten im Anschluss an ein von Dr. Ulrich A. Wien vorgetragenes Grußwort Daniel Ursprung, Thomas Șindilariu, Ingrid Gabel, Dr. Gerald Volkmer, Annegret Jung und Nils Hakan Mâzgâreanu in heiteren Kurzvorträgen der Entwicklung des eigenen Kreises und der bisherigen Akademiewochen. Dr. Gerald Volkmer und Otto Elekes stellten in diesem Rahmen die anlässlich der XX. Siebenbürgischen Akademiewoche angefertigte Festschrift und CD-ROM vor, die eine ausführliche Dokumentation in Wort und Bild der Tätigkeit von Studium Transylvanicum in den vergangenen zehn Jahren enthalten. Sie können beim Siebenbürgen-Institut (Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim am Neckar) für 5 bzw. 10 Euro erworben werden.

Gefeiert wurde das Jubiläums mit Sekt und einem hervorragendem kalten Büfett, für das Katja Lasch als langjährige "Küchenchefin" sorgte. Der festlich-ungezwungene Tagesausklang war nur ein Vorgeschmack auf die traditionelle Silvester-Party, auf der wie immer ausgelassen getanzt und insbesondere bei den gruppenweise improvisierten Theaterstücken herzhaft gelacht wurde. Die Abschlussrunde am Neujahrstag, die jedem Teilnehmer noch einmal Gelegenheit zu Kritik und Anregung bot, zog dann auch ein rundum positives Fazit.

So war auch die diesjährige Akademiewoche aus meiner Sicht wieder ein Highlight des Jahres. Wer sich für Siebenbürgen interessiert und auch zwischen Weihnachten und Neujahr etwas zu lernen bereit ist, wer gleichgesinnte nette Leute aus ganz Europa kennen lernen und mit ihnen Silvester feiern will, dem kann diese Veranstaltung nur wärmstens empfohlen werden. Nähere Informationen zum Kreis Studium Transylvanicum und der Akademiewoche findet man im Internet unter http://siebenbuergen-institut.de/sembl/st-haupt.htm. Ich jedenfalls werde nächstes Jahr wiederkommen und freue mich jetzt schon darauf!

Thomas Berger

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2006)

Schlagwörter: SJD, Tagungen

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