3. Januar 2011

Treffpunkt Langwasser: Sarrazin und kein Ende

Wenn eine seit September 2010 so intensiv geführte Diskussion zum Thema Integration von Menschen mit Migrationshintergrund wie die durch das Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab – Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ nicht abflaut, dann ist dies nicht nur ein Zeichen der Brisanz des Themas Integration, sondern auch ein Anlass, sich darüber auszutauschen, so geschehen beim Treffpunkt Langwasser am 22. November im Nürnberger Haus der Heimat.
Die tiefschürfende, zum Teil sehr heftig und nicht immer streng sachlich geführte Debatte um Sarrazins Thesen – von vielen in den Medien sehr kritisch in Richtung Autor geführt, noch bevor das Buch erschienen war, in wohl vielen Fällen ohne das Buch komplett gelesen zu haben – hat sicherlich einerseits Porzellan zerschlagen, jedoch, da sie nicht abgewürgt werden konnte, auch Gelegenheit geboten, sich in Sachen Integration auch zu sortieren. Der mediale Rummel um Sarrazin hat auch etwas damit zu tun, dass er schon in der Vergangenheit zum Thema Zuwanderung und Integration auch schrille Töne, provokant formulierte und kontroverse Thesen zur Sozial- und Bevölkerungspolitik von sich gegeben hat, dass er prominentes SPD-Mitglied ist und beruflich und politisch recht weit gekommen war: Von 2002 bis April 2009 war Sarrazin Finanzsenator im Berliner Senat und anschließend bis Ende September 2010 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank.

In den neun Kapiteln seines Buches beschreibt Sarrazin die Folgen, die sich seiner Ansicht nach für Deutschland aus der Kombination von Geburtenrückgang, wachsender Unterschicht und Zuwanderung aus überwiegend muslimischen Ländern ergeben. Dabei vergreift sich Sarrazin stellenweise arg, wenn er mit seinen biologistischen Thesen letztlich die Allmacht der Genetik preist, jedoch billigen ihm namhafte Wissenschaftler und Politiker auch zu, zum Thema demografischer Wandel (wir haben immer weniger Kinder, unsere Gesellschaft wird im Schnitt immer älter, soziale Belastungen der Zukunft werden noch schwerer zu schultern sein) oder zur Zuwanderungs-, Integrations- und Bildungspolitik eine Reihe von Aussagen gemacht zu haben, die unbedingt diskutiert werden müssen und im staatlichen, im politischen Handeln adäquate Lösungsmöglichkeiten bringen sollten.

Das Thema Integration bleibt auch künftig ein Schwerpunkt der deutschen Politik. Integration heißt für mich, „jemandem die Möglichkeit zu eröffnen, sich bei uns einzufügen, sich einzubringen, ohne seine mitgebrachte Identität aufgeben zu müssen“. Wenn statistisch gesehen 1965 noch acht Arbeitnehmer einen Rentner finanziert haben, 2001 dann drei Arbeitnehmer auf einen Rentner kamen und für 2040 ein Arbeitnehmer pro Rentner vorausgesagt wird, dann muss die Politik dafür kluge Lösungen finden. Eine davon ist zweifelsohne die möglichst optimale Bildung aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland.

Wenn heute in Deutschland ca. 20% Menschen mit Migrationsgeschichte leben (Ausländer, Eingebürgerte, zugewanderte Deutsche aus dem Osten Europas, hinzu kommen deren Kinder) und der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund die 33-Prozent-Marke weit überschreitet (mit zunehmender Tendenz), dann müssen diese Kinder alle eine bestmögliche Ausbildung erfahren. Der Sozialwissenschaftler Gunnar Heinsohn behauptet mit Recht, „der wahre Reichtum der Nation besteht in der Intelligenz ihrer Bevölkerung.“ Wenn bekannt ist, dass Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund im Schnitt unter dem einheimischen Niveau liegen, dann muss Bildungs- und Sozialpolitik hier ansetzen. Das heißt, wir brauchen eine breite Bildungsoffensive, eine breite Unterstützung von interkulturellen Initiativen und Netzwerken, eine Erhöhung der Erziehungskompetenz vieler Eltern und das Schaffen von Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg durch Bildung, wie der frühere CDU-Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, seit Jahren fordert.

Dass die Teilnehmer auch an diesem Treffpunkt Langwasser sehr leidenschaftlich zu den vorgeführten Grafiken, Bildern, Zitaten, als Menschen mit Migrationsgeschichte insgesamt zu diesen Themen eifrig Stellung nahmen, Fragen stellten, darf nicht verwundern. Wir treffen uns wieder am Mittwoch, dem 19. Januar 2011, um 17.00 Uhr.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Nürnberg, Diskussion, Politik, Migration

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