27. Dezember 2025
„Das Imaginäre und unsere Anwesenheit darin“: Horst Samson las in Nürnberg
Die Begrüßung in der Stadtbibliothek Nürnberg am 3. Dezember und eine kurze Einführung zur Person erfolgten durch Horst Göbbel vom Haus der Heimat Nürnberg. Er umriss einige Eckpunkte des Werdegangs des 1954 in der Bărăgansteppe geborenen und später im Banater Grenzdorf Albrechtsflor aufgewachsenen Journalisten, Schriftstellers und Dichters Horst Samson, von dem viele bemerkenswerte Bücher vorliegen, unter denen lediglich an folgende erinnert werden sollte: „La Victoire. Poem“ (2000), „Und wenn Du willst vergiss“ (2010), „Kein Schweigen bleibt ungehört“ (2013), „Das Imaginäre und unsere Anwesenheit darin“ (2014), „Heimat als Versuchung. Das nackte Leben“ (2018), sodann „Das Meer im Rausch“ (2019), „In der Sprache brennt noch Licht“ (2021), „Der Tod ist noch am Leben“ (2022) und schließlich „Vom Auftauchen und Verschwinden der Landschaft“ (2025).

Zu Beginn las Horst Samson einige Gedichte aus dem Band „Das Imaginäre und unsere Anwesenheit darin“. Dabei ist der Begriff des „Imaginären“ nicht nur für diesen Band, sondern für Samsons Dichtung – ja für Literatur überhaupt – von wesentlicher Bedeutung. Im Spannungsraum zwischen wahrheitsfähiger Wirklichkeit und Fiktion ist das „Imaginäre“, wie beim „lebendigen Mythos“, die eigentliche Sinnsphäre des literarischen Ausdrucks und seiner Wirkung, nicht gemessen am Wahrheitsanspruch, sondern an der ästhetischen Überzeugungskraft der „Wahrhaftigkeit“. Gelesen wurden u.a. die Gedichte „Sonate für Gehirn und Violine“, „Farbe bekennen“, „Miniatüre in G-Moll“, „Dahingehen. Den Thüringer Freunden“, „Gebet“, „Algorithmus der Natur“. Mit Anklängen ans Musikalische, an Elemente des Landschaftlichen und der Natursymbolik und an Sinnfragen der menschlichen Existenz werden in diesem Band typische Motive der Dichtung Samsons aufgenommen. Dies setzt sich mit den folgenden Gedichten aus dem 2019 erschienenen Band „Das Meer im Rausch“ in einer spezifischen Weise fort. In diesem werden vor allem maritime Motive wie auch Reiseeindrücke von Meeres- und Meeresuferlandschaften in den Vordergrund der oft ins Weltflüchtige oder Melancholische gleitenden Stimmungsbilder gehoben. Gelesen wurden u.a. die Gedichte „Versuch über das Gedicht (Prolog)“, „Das Meer“, „Sanary sur Mer“, „Abend auf Kreta“, „Vor den Lofoten“, „Imaginäre Stunde“.
Wahrscheinlich war nicht nur der Entstehungshintergrund der Pandemieerfahrungen des 2021 veröffentlichten Bandes „In der Sprache brennt noch Licht“ der Grund für die widerständige Behauptung des Fortbestehenden, des „noch“ „brennenden Lichtes“, des weiterhin „Unterwegs“-Seins, trotz der zunehmenden „Ungewissheiten“, wobei auch Erinnerungen an die Banater Heimat als Bezugspunkte und Möglichkeiten der Existenzvergewisserung angesprochen wurden, in den Gedichten „Unterwegs“, „Sich einrichten in der Zeit“, „Banater Wind“, „Weiße Nacht“, „Unter stillem Himmel“, „Sinnfonisches Finale in G-Dur“. Das folgende Gedicht, das gelesen wurde, ist dem 2022 erschienenen Band „Der Tod ist noch am Leben“ entnommen. Dessen paradox und widerspenstig klingender Titel weist auf tiefe und ernste Auseinandersetzungen mit existenziellen Fragen des Lebenssinns und insbesondere des Todes hin, dessen Reflexion in dem vorgelesenen zwölfteiligen Gedicht „Das Übergeordnete“ eindringlich erfolgte. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auch auf einen Essay über „Liebe und Tod“, den Horst Samson wenige Tage zuvor bei einem Literaturseminar in Bad Kissingen gelesen hatte.
Der neueste, in diesem Jahr erschienene Gedichtband „Vom Auftauchen und Verschwinden der Landschaft“, aus dem abschließend gelesen wurde und der gleichsam mustergültig für Samsons Dichtung zu betrachten ist, gliedert sich in fünf Zyklen. Der erste Zyklus „Vertieft in ein leises Gespräch“ umfasst, soweit datiert, fast ausnahmslos neuere Gedichte zu Reise- und Wanderungs- wie auch Natur- und Alltagsimpressionen. Gelesen wurde daraus „An der Schwelle des Schlafes“, „Beobachtung der Magnolie“, „Hypothese über das Gehen“, „Wanderung zur Ronneburg“. Aus dem zweiten Zyklus „Als der Wind keinen Schlaf fand“ wurde das Gedicht „Panta rhei“ gelesen. Weitere Gedichte wurden aus den Zyklen „Geschäfte mit der Zeit“, „Träumerei für Cello und Klavier“ und „Über Gott, das Ende und die Grammatik“ gelesen, u.a. handelte es sich dabei um das Gedicht „Nachdenken über Europa“, mit dem die Lesung abgeschlossen wurde.
Vor dem Ende der Lesung erfolgte eine Diskussion mit dem Publikum, in der Samson u.a. zu Zeitfragen Stellung nahm und seinen politischen Standort als „liberalkonservativ“ erklärte und erläuterte. Mit dieser Lesung konnte man wieder einmal eindrucksvoll erleben, wie erbaulich und gleichsam unverzichtbar gute Gedichte auch heute, auch in unserer aufgewühlten Zeit, sind. Dafür wurde dem Autor Horst Samson und natürlich auch den Organisatoren vom Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher herzlich gedankt.
Anton Sterbling
Schlagwörter: Horst Samson, Lesung, Nürnberg
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