4. Juni 2011

Nürnberger Aussiedlerkulturtage: „Aussiedlerintegration eine ausgesprochene Erfolgsgeschichte“

„Die Geschichte der Integration von Aussiedlern und Spätaussiedlern ist eine ausgesprochene Erfolgsgeschichte in diesem Land. Viele, um nicht zu sagen, die meisten haben hier Anschluss gefunden“, sagte Prof. Dr. Klaus Bade, einer der renommiertesten deutschen Migrations- und Integrationsforscher, in einem Interview am 20. Mai für die Teilnehmer der 25. Nürnberger Aussiedlerkulturtage. Diese Erfolgsgeschichte äußert sich auch in ihren öffentlichen Auftritten, die insbesondere den Bereich Kultur betreffen.
Am ersten Tag, am Freitagabend, erlebte die Ausstellung unserer oberschlesischen Freunde (namentlich Joachim Czernek) unter dem Titel „90 Jahre Volksabstimmung in Oberschlesien“ großen Zuspruch. Anschließend standen nach der Begrüßung der Ehrengäste im Seminarraum des Hauses der Heimat durch die Geschäftsleiterin Doris Hutter ein Gedenkthema und besondere Musik im Vordergrund. In Vertretung des Schirmherrn, Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, lobten Stadträtin Jutta Bär (CSU) ebenso wie Stadträtin Christine Limbach (SPD) die Ernsthaftigkeit des breit angelegten Einsatzes des Hauses der Heimat in der alltäglichen Integrationsarbeit sowie das hohe Niveau auch der einzelnen Feste, wie diesmal wieder die Aussiedlerkulturtage. Dabei gingen beide auf das von Horst Göbbel in seinen einleitenden Worten zum großen Thema erhobene Gedenken an die Not und Pein von hunderttausenden Familien der Deutschen aus Russland vor 70 Jahren ein.

Am 28. August 1941 erfolgte als Reaktion auf den verbrecherischen Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion vom 21. Juni 1941 ein für alle Deutschen aus Russland vernichtender Erlass des Obersten Sowjets der UdSSR zur „Umsiedlung“, lies Verschleppung, Deportation der Deutschen jenseits des Ural in die Weiten Sibiriens oder der zentralasiatischen Sowjetrepubliken. Die Liquidierung der Wolgarepublik als Beginn einer harten Leidensgeschichte mit Schutzhaft, Zwangsarbeit, Rechtlosigkeit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben diese Deutschen schwer gezeichnet, jedoch ihre deutsche Identität nicht gebrochen. „2,5 Millionen Russlanddeutsche wurden in den letzten zwei Jahrzehnten aufgrund ihres historischen und kulturellen Bekenntnisses zum deutschen Kulturkreis und ihres deshalb erlittenen Schicksals als (Spät-)Aussiedler in Deutschland aufgenommen. Sie sind für Deutschland ein großer Gewinn. Ihre Geschichte ist auch Teil unserer Geschichte.“, sagte Göbbel, der auch an den positiven Start des Nürnberger Kulturbeirates zugewanderter Deutscher mit seinen drei Kulturprojekten erinnerte: „Altwiener Musik“ im Hirsvogelsaal des Tucher-Schlosses, die Ausstellung „Kunst ohne Grenzen“ im Rathaus und das Konzert des siebenbürgischen Ensembles „Flauto Dolce mit Erich Türk“ in St. Martha.

Der absolute Höhepunkt des Abends wurde der etwa einstündige Liedervortrag von Horst Samson: „Schlag zu, mein Herz – Von Liebe, Lust und Leidenschaft“. Wie vom Dichter, Sänger, Liedermacher und Gitarristen Horst Samson angekündigt, wurde der Herzschlag vernehmbar, wurden Emotionen wach. Er berührte und verführte mit seinen das menschliche Sein ansprechenden Liedern. Wolf-Dieter Batz hat absolut Recht, wenn er behauptet: „Horst Samsons Lieder handeln von der Sucht nach Leben und der Sehnsucht nach Liebe.“ Einen besseren Einstieg in die Aussiedlerkulturtage konnte man sich gar nicht wünschen. Die lockeren Gespräche bei Sekt und Orangensaft mit feinem banatschwäbischem und oberschlesischem Gebäck im Beisein des Künstlers waren ein weiterer Genuss. Durch das Programm führte anmutig Sandra Hirsch.
Nürnberger Aussiedlerkulturtage 2011: Der ...
Nürnberger Aussiedlerkulturtage 2011: Der Siebenbürger Singkreis trat im Gemeinschaftshaus Langwasser auf. Foto: Doris Hutter
Den zweiten Tag, den Samstag, eröffnete im Gemeinschaftshaus Nürnberg-Langwasser musikalisch die Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg unter der Leitung von Michael Bielz. Die Ehrengäste begrüßte Joachim Czernek von den Oberschlesiern. Bürgermeister Horst Förther bezog sich auf die positive Entwicklung der Integration von Aussiedlern, die auch er eine Erfolgsgeschichte nannte, erwähnte den neugegründeten Integrationsrat als „schlagkräftiges Gremium“ und das Haus der Heimat als ein Kulturzentrum mit einer „Stimme, die wir hören und zu schätzen wissen“. Martin Burkert, Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD, schätzte das „wunderbare Auftaktprogramm“ der Aussiedlerkulturtage, ein „fester, beliebter, unverzichtbarer Bestandteil des Nürnberger Lebens, bei dem über die Brücke der Kultur neue Ufer erreicht worden“ seien und das „Brauchtum der Zuwanderer als Markenzeichen für die Kultur“ fungiere. Schließlich dankte Bezirksrat Peter Daniel Forster (CSU) allen, die sich „um unsere Gesellschaft verdient machen“, und betonte, dass der Bezirkstag im Bereich der Kultur der Aussiedler keine Kürzungen beabsichtige.

Was auch heuer auf der Bühne unter dem Motto „Musik, Gesang, Trachten, Tanz“ dargeboten wurde, konnte das bunt gemischte Publikum vollauf begeistern. Ob es nun die betont kind- und jugendhaften Klänge und flotten Tanzeinlagen der zahlreichen Gruppen der Deutschen aus Russland waren (die Tanzgruppe „Surprise“, die Kindertanzgruppen 1 und 2 aus der Tanzschule Franz Hof, die Gesangsgruppen „Musikspatzen 1“, „Musikspatzen 2“ und „Lustige Noten“ sowie „Teen-Mix 1“ und „Teen-Mix 2“ bzw. Maria Ochsner und Kristina Ilina vom Gesangsduo „remix“, alle unter der Leitung von Olga Philipp), die Tanzgruppe „White Shadows“ unter der Leitung von Alexander Voss und Katharina Jonas, die unbeschwert auftretende Jugendtanzgruppe „Sternele“ der Landsmannschaft der Sathmarer Schwaben unter der Leitung von Erika Bärenz und Angela Toma oder die publikumswirksamen Einlagen der Siebenbürger Sachsen (die Nürnberger Tanzgruppe unter der Leitung von Roswitha Bartel und Johann Schuster, die Siebenbürgische Kindertanzgruppe Herzogenaurach, geleitet von Reinhold Burkart, der Nürnberger Singkreis unter der Leitung von Margarete Schuster oder unsere unverzichtbare Siebenbürger Blaskapelle), der Schwung des Tages mit seiner auch farblichen und musikalisch-tänzerischen bunten Vielfalt, er war auch für das mitgehende Publikum richtig anregend. Durch das Programm führte Nicole Vetter, bestens begleitet von ihrer charmanten Oma Olga Vetter, eine unserer Sprachlehrerinnen.

Der Gottesdienst am dritten Tag der Aussiedlerkulturtage ist inzwischen zu einem festlichen Höhepunkt geworden. Er ist von Trachtenträgern umrahmt und wird mit Blasmusik, einem festlichen Aufmarsch und einem Sektempfang beendet. Diesmal geschah dies in der Ev.-luth. Johanneskirche in Nürnberg-Eibach mit Pfarrerin Hildegard Bergdolt. In ihrer klaren, kompakten Predigt waren am Sonntag Cantate das Singen und die Freude über den großen Besuch im Gotteshaus zentrale Gedanken. Sie betonte die Bedeutung der Musik, des Gesangs als Brücke über Grenzen hinweg, ging auf das Verbindende, das Vertraute von Musik und Tanz ein und fasste zusammen: „Musik macht Hoffnung.“ Vor Ort zeigten sich die rührigen Organisatoren, die siebenbürgisch-sächsische Nachbarschaft Eibach unter der überzeugenden Leitung von Johann Lindert, von ihrer besten Seite: Die ausgewählten Örtlichkeiten im hellen Sonnenschein, die prompte Bedienung mit Getränken und bestem siebenbürgischen Kleingebäck hat richtig gut getan und die vielseitigen Gespräche unter den vielen banatschwäbischen, oberschlesischen, russlanddeutschen, sathmar-schwäbischen, siebenbürgischen und einheimischen Teilnehmern sehr gefördert. Farbenpracht der Trachten, Blasmusikweisen der Siebenbürger Trachtenkapelle Nürnberg unter der Leitung von Michael Bielz, die Dankesworte von Stadtrat Max Höffkes (CSU) in Vertretung des Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Maly, von Horst Göbbel als Vorsitzendem des Vereins Haus der Heimat und der anmutigen Kreisvorsitzenden Inge Alzner rundeten ein wunderbares dreitägiges Fest, bei dem natürlich die Kirchengemeinden als unmittelbare Teilhabezentren für zugewanderte Deutsche gelobt wurden, würdig ab.

Die Mühen haben sich gelohnt: Die Aussiedlerkulturtage 2011 haben unsere Sinne berührt und uns näher zueinander geführt. Dank an die Organisatoren, an die vielen Aktiven, Dank an das Publikum für den breiten Zuspruch.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Nürnberg, Aussiedler, Kulturtage, Integration

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