17. Januar 2013

Nachruf auf Gertrud Fröhlich

Das bewegte Leben einer siebenbürgischen Frau ging zu Ende, die inmitten unserer Gemeinschaft die Wirren und Folgen des vergangenen Jahrhunderts erlebt hat. So wollen wir das Leben von Gertrud Fröhlich, die am 10. Oktober 2012 in Rimsting ihren 100. Geburtstag feiern konnte, aber am 15. November 2012 gestorben ist, würdigen und ihrer gedenken.
Gertrud Fröhlich, geborene Wonnerth, wurde am 10. Oktober 1912 in Kreisch als Tochter des dortigen evangelischen Pfarrers Gustav Wonnerth und seiner Ehefrau Elise, geborene Teutsch, geboren. Sie besuchte die Volksschule in Kreisch, wechselte auf die evangelische Bürgerschule nach Schäßburg und besuchte dort die evangelische Lehrerbildungsanstalt. Nach deren Abschluss begann ihre Tätigkeit als Volksschullehrerin in Henndorf. Lehrerin auf dem Land zu sein gefiel ihr nicht so gut und so meinte ihr Vater: „Du solltest lieber weiterstudieren“. Aus familiären Gründen musste sie ihre Pläne verschieben. Später ging sie nach Bukarest, um die Lehrerbildungsanstalt für Hauswirtschaft zu besu-­ chen. Nach deren Abschluss 1936 unterrichtete sie an der Frauenschule in Hermannstadt. In dieser Zeit lernte sie im Bach-Chor ihren späteren Mann Dr. Otto Fröhlich kennen. Sie heirateten 1938 in Hermannstadt. Hier wurde 1940 auch ihre Tochter Lieselotte geboren. Es folgte der Umzug nach Bukarest und dort 1943 die Geburt ihres Sohnes Otfried „Lutz“.

1943 wurde ihr Mann Otto und auch ihr Bruder Gustav zum Kriegsdienst eingezogen. Im Januar 1944 ließ sie alles hinter sich und fuhr zu ihren Schwiegereltern nach Sächsisch-Reen, das damals zu Ungarn gehörte. Hier fasste sie im Herbst 1944 den Entschluss zu fliehen. Sie nahm ihre beiden Kinder und floh nach Österreich. Hier lebte sie vier Monate in einem Flüchtlingslager. Sie fand heraus, dass ihr Schwiegervater in Altmünster am Traunsee im Schloss Ebenzweier die Verwaltung des Gutes übernommen hatte. So hatte sie wieder ein Ziel und Schloss Ebenzweier wurde ein Sammelbecken für die gesamte Großfamilie. Ihr Mann hatte den Krieg überlebt, ihr Bruder Gust jedoch geriet in den letzten Kriegsmonaten in russische Gefangenschaft, aus der er erst 1952 zurückkehrte. Sie blieben zehn Jahre am Traunsee. 1976 starb ihre Tochter Lieselotte, 1977 ihr Mann in Altmünster. Sie kam über diese beiden Schicksalsschläge nur schwer hinweg und so holte ihr Sohn sie 1978 nach München.

Gertrud Fröhlich an ihrem 100. Geburtstag am 10. ...
Gertrud Fröhlich an ihrem 100. Geburtstag am 10. Oktober 2012. Foto: Otfried Fröhlich
Dr. Wilhelm Bruckner, der damalige Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, bat Gertrud Fröhlich in München einen Frauenkreis aufzubauen. Sie leitete diesen 15 Jahre lang und sagte, es sei eine sehr schöne Arbeit für sie gewesen; vor allem die Pflege des siebenbürgischen Kulturgutes, dieses „unsichtbaren Erbes“, wie sie es bezeichnete, lag ihr sehr am Herzen. Sie betreute aber auch Aussiedler im Übergangsheim, um diesen die erste Zeit in der neuen Heimat zu erleichtern.

1997 zog sie in das Siebenbürgerheim in Gundelsheim. Sie wollte mit 87 Jahren in noch guter geistiger und körperlicher Verfassung sein, um diesen Lebensabschnitt aktiv gestalten zu können. Auch hier wollte sie Verantwortung übernehmen und wurde Vorsitzende des Heimbeirates. Um ihrem Sohn näher zu sein, übersiedelte sie Anfang August 2006 in das Siebenbürgerheim Rimsting am Chiemsee. Bei der Feier ihres 100. Geburtstags in Rimsting hielt sie eine Rede, in der sie ihre Familie aufforderte zusammenzuhalten, so wie das in der alten Heimat üblich war, und sang abschließend das Schubert-Lied „Oh wie schön ist Deine Welt“, das ihre positive Lebenseinstellung zum Ausdruck bringt.

Gertrud Fröhlich ist am 15. November 2012 in Rimsting gestorben. Ihre Familie ist sehr froh, dass es ihr vergönnt war, ihr hohes Alter in guter geistiger und körperlicher Verfassung zu erreichen. Sie war eine starke Persönlichkeit, hatte viel Familiensinn und bemühte sich immer die Familie zusammenzuhalten. Das Besondere an ihr war, dass sie eine Herzlichkeit ausstrahlte, mit der sie die Menschen auch außerhalb ihrer Familie für sich gewinnen konnte. Sie war engagierte Siebenbürgerin und hat sich immer für die gemeinsame Sache eingesetzt. Auch im Siebenbürgerheim hat sie ihr Umfeld positiv beeinfluss, immer wieder für Unterhaltung gesorgt und bis zum Schluss an den Veranstaltungen im Heim teilgenommen. Sie wird uns allen sehr fehlen!

Werner Philippi

Schlagwörter: Nachruf, Porträt, Frauen

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Neueste Kommentare

  • 17.01.2013, 08:49 Uhr von gloria: Herzlichen Dank Herr Philippi für den Bericht über das Leben von Frau Gertrud Fröhlich.Möge ... [weiter]

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