18. Februar 2023

Kreisverband Nürnberg: Rosel Potoradi 90

Es gibt Tage im Leben, die möchte man nicht missen. Als Gefeierte(r) oder als (Mit)Feiernde. So auch die Geburtstagsfeier von Rosel Potoradi am 26. Januar im Haus der Heimat zu ihrem 90-jährigen Rückblick auf ein bewegtes, sinnerfülltes Leben. „Mit dieser wunderschönen Feier habt ihr euch aufgeladen, dass ihr mich so schön siebenbürgisch wirklich feiert auch bei meinem 100. Geburtstag“, lautete ein spontanes Fazit der Jubilarin gegen Ende eines äußerst bedenkenswerten Tages.
Als unser Herrgott im Himmel den großen Kuchen mit Potenzialen aufgeteilt hat, fiel eine ordentliche Portion auch auf unsere Jubilarin Rosel Potoradi. Ich weiß nicht, sinnierte Horst Göbbel, ob Rosel laut gerufen hat, da bin ich, Herr, ich will viel von diesem Kuchen haben, vermutlich war sie eher bescheiden genug, nur das anzunehmen, was der Herr für sie vorgesehen hatte. Der Herr hat sich jedoch keineswegs lumpen lassen, er hat Rosel deutlich und sehr wirksam mit Potenzialen ausgestattet: Familiensinn und Pflichtbewusstsein, Loyalität und Zusammengehörigkeitsgefühl, Nächstenliebe und Gemeinschaftstreue, ­pädagogisches und musikalisches Können und Geschick, Naturverbundenheit und Großzügigkeit, Kulturverständnis und Humanität, Kreativität und Spontanität … und dazu ein großes, großes siebenbürgisch-sächsisches Herz. Eine ihrer großen Gaben ist ihre Fähigkeit zu führen und Menschen immer wieder freudig zu stimmen. Durch Rosel bleibt Tradition lebendig. Was Rosel anpackt, das ist sauber durchdacht und wird grundsätzlich erfolgreich ausgeführt.

Der Kreisvorstand gratuliert (von links): Johann ...
Der Kreisvorstand gratuliert (von links): Johann Schuster, Rosel Potoradi, Annette Folkendt. Foto: HdH
Nach der Begrüßung durch unsere Kreisvorsitzende Annette Folkendt, die später auch eine wunderbare Bildershow zu Rosel Potoradis Wirken zeigte, und ersten Gesangeinlagen der verschiedenen Singgruppen brachte Katharina (Tenni) Stotz eigene Verse zum Jubeltag der Gefeierten zu Gehör. Einige treffende Passagen hier in Kurzform:
„Im wunderschönen Mittelfranken Land / ist Zirndorf an der „Alten Veste“ gut bekannt. / Wo Gustaf Adolf und Wallenstein sich bekriegten, / hierher kam Rosel, sah und siegte! … / Das Amt als Nachbarmutter nahm sie an, / bewies sich bald und zog in ihren Bann
die Siebenbürger Sachsen magisch an. … Rosel ist und bleibt ein Unikum, / sie wird geschätzt und geehrt von ihrem Publikum.“

Katharina lobt „Rosel’s vielseitiges und großartiges „Engagement in Nachbarschaft: Seniorengruppe, Flötengruppe, Singgruppe und Chor …“ und schließt ab: „Wir wünschen dir Gesundheit und Gottes reichen Segen; / beschützen soll er dich auf all deinen Wegen. / Mit deinem Temperament und Walten / wünschen wir innigst – Rosel bleib uns erhalten!

Rosels spontane Entgegnung: „Ohne euch wäre ich nicht 90 geworden!“ Johann Schuster und Annette Folkendt überreichten vom Kreisverband einen bunten Blumenstrauß, Angelika Meltzer, die Chöre und Rosel selbst steuerten viel, viel Musik bei. Von „Wahre Freundschaft“ über Hermann Löns‘ „Rosemarie“ und „Hab Sonne im Herzen“, „Ech stand do iuwen of dem Rech“ bis hin zu „Rote Wolken“. Doris Hutter brachte die hohe Wertschätzung für Rosel Potoradis Einsatz auf den Punkt. „Sie ist voller Ideen und voller Tatendrang! / Rosels Gesang, Chorleitung auch bayernweit erklang / bei manchen Sängertreffen und dann mit viel Gespür / für unser Kulturleben öffnete sie manch Tür, / sie häufte an viel Wissen und gab dies gerne ab, … / zeigt, wie du mitkannst reißen, wie kreativ du bist / und stets mit klugem Köpfchen das Sachsenfähnchen hisst!“ Michael Orends Schalk durfte nicht fehlen. Er äußerte sich in zwei sinnigen Texten: „Alter fängt mit 100 an“ und „Ich wünsche dir Zeit zum Leben.“
Rosel Potoradi bei ihrer Lieblingsbeschäftigung ...
Rosel Potoradi bei ihrer Lieblingsbeschäftigung im Fürther Chor. Foto: A. Folkendt
Weiterer Gesang erklang von den Sälwerfäddem nach Zwischendankesworten von Rosel: „Der Owent giht bät Brännchen“, „De Schnigläckcherblähn“, „Willst du Gottes Werke schauen“, „Mir welle blewen wot mer sän!“ vor einem weiteren besonderen Höhepunkt: Rosel zeigt ihr großes Vortragstalent mit Ernst Piringers „De noah Sendung“, der Liederkranz von Angelika Meltzer singt das „Magnificat“, „Wenn die Tage schnell enteilen“ und „Ein schöner Tag“. Nach ihrem Zwischenruf „Wenn ich nicht so viel gesungen hätte in meinem Leben, wäre ich nicht 90 geworden,“ stellt Rosel Potoradi eine weitere Ernst-Piringer-Kanone in den Raum: „De Trut“ – unnachahmlich heftig mit diesem beißenden bäuerlichen Witz. Hermine Schuller-Bögelein erfreut immer wieder mit schwungvollen Akkordeonklängen und zum Schluss gibt es das „Ofschiedslied“.

Die Bewirtung mit Kuchen, Kaffee, Sekt und feinen Häppchen war vorzüglich und bei der vielseitigen musikalischen Begleitung einfach prima.

Aber wer ist und was macht Rosel Potoradi aus? Rosel Potoradi, geborene Scheiner, geboren am 24. Januar 1933 in Marktschelken, setzt sich seit ihrer Schulzeit in vielfältiger Art in der Breite der siebenbürgisch-sächsischen Kulturarbeit zuerst in Siebenbürgen und seit 1985 in Deutschland ein. Die Begeisterung für unsere Kultur war ihr regelrecht in die Wiege gelegt. Schon als Schülerin im Lehrerseminar in Schäßburg war sie in verschiedenen Kulturgruppen aktiv. Hervorragende Lehrer förderten auch ihre weitläufigen Begabungen. Anschließend hat sie als Lehrerin in Schlatt und in Marpod Theaterstücke aufgeführt, ist mit dem Chor zu Wettbewerben gefahren, bot reichhaltige Kulturprogramme in den umliegenden Dörfern und prägte deutsches Kulturleben gewinnbringend. Als Lehrerin in Hermannstadt beteiligte sie sich mit dem Schulchor an Schulfeiern und Wettbewerben. Sie sang im Bach-Chor begeistert mit. Im Gesangsduett mit Sofia Weinhold erlebten beide wunderschöne Auftritte auf Dörfern und in Hermannstadt. Deutsches Liedgut zu erhalten, war für sie wesentlicher Beitrag zum Erhalt unserer Identität. Ebenso gründete sie eine Schülervolkstanzgruppe, ihre Auftritte wurden auch in der deutschen Sendung des Rumänischen Fernsehens zur Freude aller gezeigt.

1985 kam sie nach Bayern, wo sie die zweite Lehramtsprüfung bestand und in den bayerischen Schuldienst übernommen wurde. Unser siebenbürgisch-sächsischer Kulturschatz, meinte sie, nämlich Liedgut, Bräuche, Mundart, Theaterstücke, Gedichte, Trachten, sollte unsere Landsleute erfreuen. „Dafür arbeitete ich gleich mit Leib und Seele für unsere Gemeinschaft“, bekennt sie in einem Interview 2013. Von Kultur war sie begeistert und begeisterte mit ihrer Schaffensfreude unzählige Menschen. Ein Anliegen war ihr auch die Herausgabe des „Marktschelker Heimatbuches“. In Waldkraiburg sang sie begeistert im Chor ihres Bruders Kurt Scheiner mit, nachher bei Paul Staedel. Sie gründete eine Erwachsenentheatergruppe, eine Kinder-Sing-und-Tanzgruppe, eine Blockflötengruppe, einen Stickkreis, einen Seniorenkreis bei der evangelischen Kirche. Als sie aus familiären Gründen im Jahr 2000 nach Würzburg gelangte, leitete sie zeitweilig den siebenbürgisch-sächsischen Chor, gründete eine erfolgreiche Theatergruppe und fand nach dem Wechsel 2004 nach Zirndorf (Oma-Freuden und Pflichten) neue Betätigungsfelder: etwa die Leitung der Fürther Nachbarschaft des Kreisverbandes Nürnberg oder ab 2012 des Fürther Chores. Sie organisierte mit einem Team Vortragsreihen, Muttertags- und Weihnachtsfeiern, Ausfahrten zu Ausstellungen, Tagesfahrten u.a.m. Ab 1996 engagierte sie sich auch auf Landesebene und übernahm das Amt der Landeskulturreferentin Bayern, organisierte Kulturreferententagungen, mehrere Sängerfeste der Siebenbürgischen Chöre aus Bayern (z.B. in Kösching, Nürnberg und Waldkraiburg), in unzähligen Vorträgen und Gedenkfeiern rückte sie, auch gebunden an die vier Jahreszeiten, bedeutende Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachsen, Dichter, Musiker, Maler in den Mittelpunkt und erfreute Besucher mit überragenden Präsentationen von siebenbürgisch-sächsischen Gedichten von Otto Piringer, Schuster Dutz, Karl Gustav Reich u.a. Seit 2008 initiiert Rosemarie Potoradi mit den Mitgliedern der Nachbarschaft regelmäßige Ausstellungen (Handarbeiten, Keramik, Trachten) bei der alljährlichen Aktion „Fürth ist bunt“.

Durch interessante Veranstaltungen versuchte sie erfolgreich, bei den Jugendlichen Interesse und Freude am aktiven Mitmachen zu wecken und gestaltete regelmäßig beim Heimattag in Dinkelsbühl das Jugendprogramm „Unser Nachwuchs präsentiert sich“ mit. Abwechslungsreiche Darbietungen etwa des Chores in der St. Paulskirche in Fürth oder in Nürnberg in der ReformationsGedächtnis-Kirche, der Paul-Gerhardt-Kirche, der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche und besonders im Haus der Heimat, wo sie seit 2014 auch den Siebenbürgischen Kulturnachmittage leitet, reihten sich aneinander wie kostbare Perlen an einer Schnur. Mit großer, zeitintensiver Einsatzbereitschaft über- nimmt sie bis heute beispielhaft verantwortungsvolle Führungspositionen. Neben den Auszeichnungen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. (das Silberne und Goldene Ehrenwappen, die Medaille „Pro Meritis“) freute sie besonders das 2019 von Dr. Markus Söder ihr verliehene Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste von im Ehrenamt tätigen Frauen und Männern.

„Ich hab noch nie so eine schöne Feier erlebt. Die Lieder und Gedichte bedeuten mir sehr viel, weil ich merke, wie gut sie ankommen bei den Leuten und wie ich den Leuten damit eine riesige Freude bereite (und mir auch), wenn ich sie vortragen darf, weil sie aus dem Leben, aus unserem Leben stammen, so direkt, so frisch, so ungekünstelt.“ Getreu ihrem Lebensmotto „Wer sich über alles freut, hat nicht Not zu klagen, tausend Freuden bringt die Welt, nicht nur tausend Plagen!“ hat Rosel Potoradi, dieser einzigartige siebenbürgisch-sächsische Stimmungsvulkan, Freudenströme auch an diesem großartigen Feiertag ausgestoßen. Danke, Rosel.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Nürnberg, Potoradi, Jubilarin, Chor Fürth, Musik

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