11. Oktober 2010

Volkswirt und Volksmann: Vor 50 Jahren starb Ewald Bruno Sindel

Es gibt Persönlichkeiten unter den Siebenbürger Sachsen, die eher im Hintergrund gewirkt und doch viel für ihre Gruppe getan haben, deren Wirken darum oft zu wenig bekannt ist und doch nicht in Vergessenheit geraten sollte. Zu ihnen gehört der am 15. April 1898 in Kronstadt geborene und am 10. Oktober 1960 in Hermannstadt verstorbene Volkswirt Dr. Ewald Sindel, der trotz äußerer und innerer Verletzungen ein geselliger, sportlicher, redlicher und einsatzbereiter Mensch geblieben ist.
Nach dem Kriegsabitur 1916 verließ Ewald Sindel das Honterus-Gymnasium, wo er unter anderem Träger des Erwin-Lurz-Ringes in Gold für tadelloses Benehmen und sportliche Hochleistung geworden war. Er musste in den Krieg ziehen und wurde zusammen mit seinem Freund Heinrich Zillich Offizier bei den „Kaiserjägern“ im österreichisch-ungarischen Heer. Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde er am Monte Maio an der italienischen Front schwer verwundet, ein Bein musste amputiert werden. Während seines Aufenthaltes in einer orthopädischen Klinik in Wien lernte er, wie man aus Baumstämmen Beinprothesen fertigen kann. Bis zu seinem Lebensende verwendete er nur selbstgefertigte Prothesen. Damit ging er als Vorstandsvorsitzender des Hermannstädter Turnvereins einmal zu Fuß zu einem Turnerfest auf den 1200 m hohen Götzenberg bei Heltau, hielt die Festrede und kehrte wieder zu Fuß zurück.

Ewald Bruno Sindel (1898-1960) ...
Ewald Bruno Sindel (1898-1960)
Nach der Entlassung aus dem Spital studierte Ewald Sindel Volkswirtschaft und Staatswissenschaften an der Hochschule für Welthandel in Wien und an den Universitäten Wien und Berlin. 1925 wurde er zum „doctor rerum politicarum“ promoviert. Obwohl ihm eine Dozentenstelle in Berlin angeboten wurde, kehrte er in die Heimat zurück und arbeitete beim deutschen Kulturamt in Hermannstadt, dann als Wirtschaftsredakteur des „Allgemeinen Deutschen Tageblatts“. Im Jahre 1928 wurde er als Sekretär zur Hermannstädter Handelskammer berufen; vorübergehend unterrichtete er auch an der dortigen Handelsschule sowie an der Sekretärinnenschule. In diese Zeit fallen die vom ihm initiierten und mit großem Erfolg durchgeführten Hermannstädter Mustermessen.

1930 strich König Carol II. die im Friedensvertrag von Trianon zugesicherten Invalidenrenten an die ehemaligen Offiziere der k.u.k.-Armee. Mit dem Verein der Invalidenoffiziere der ehemaligen österreichisch-ungarischen Armee, dem Sindel vorstand, organisierte er den Widerstand gegen diese Willkürmaßnahme. Der Einspruch hatte nach fast zehn Jahren Erfolg. 1930 heiratete er Margarethe, geb. Alberti, Tochter eines Gymnasiallehrers und Stadtpfarrers von Klausenburg, und wurde Vater von drei Söhnen. Nach den Enteignungsmaßnahmen vom 6. Juni 1948 wurde die Handelskammer aufgelöst. Nach drei Jahren Arbeitslosigkeit wurde Dr. Sindel Oberbuchhalter beim Evangelischen Stadtpfarramt, musste aber aufgrund der damaligen staatlichen Bestimmungen schon mit 60 Jahren in Rente gehen. Da diese für den Unterhalt der Familie nicht ausreichte, suchte er mehrere kleine Nebeneinkünfte, unter anderem bei der Straßenbaugesellschaft, wo er die Transportkosten berechnete.

Nachdem 1948 die deutschen Gymnasien aufgelöst wurden, einigten sich mehrere Freunde sowie Bischof Friedrich Müller darauf, bei der Bukarester Regierung vorstellig zu werden und auf die Missachtung der im Friedensvertrag von Trianon zugesicherten Rechte zu pochen. Sindel bot sich für diese Mission freiwillig an, da zu hoffen war, dass er als Kriegsinvalide weniger gefährdet sei. Wohl auch dank seines Einsatzes wurde noch im Jahr 1949 kurz vor Schulbeginn eine deutsche Abteilung am Industriegymnasium in Hermannstadt gegründet, zwei Jahre danach eine deutsche Abteilung am Gheorghe-Lazăr-Gymnasium zugelassen.

In einem Brief Dr. Sindels an Heinrich Zillich vom 24. August 1948 wird die damalige Lage eindringlich, wenngleich verklausuliert geschildert (der Brief hat den Empfänger auf wundersame Weise erreicht; das Zeitzeugnis wurde der Familie aus dem Zillich-Nachlass übergeben). Um Stil und Einfühlungsvermögen Dr. Ewald Sindels zu verdeutlichen, seien hier einige Sätze aus diesem Brief zitiert: „Die Ansicht, dass der Betroffene doch die Möglichkeit haben müsse, sein legales Recht mit legalen Mitteln zu verteidigen, ist praktisch im Absterben begriffen. In den meisten Fällen hat es auch nicht viel Zweck, Wege zu gehen, die nicht zu dem gewollten Ziel, sondern zu ungewollten Zielen führen. Solche Erfahrungen verändern mit der Zeit die Formen des Verhaltens, ja man könnte sagen, des Redens in gewissen Dingen. […] Wir [die deutsche Bevölkerung des Landes] marschieren noch sehr auf der Schattenseite und spüren es tagtäglich, dass wir noch nicht ‚equalis’ sind, obwohl grundlegende Normen dieses aussprechen. Man würde gerne auf jedes politische Gespräch verzichten, wenn es nur gelingen würde, so viele wieder in Arbeit und Brot zu bringen. Auch unsere Russland-Heimkehrer stehen zu großem Teil ohne Arbeit und Verdienst da. Die Dinge, die in der großen Welt geschehen, sehen wir hier nur bruchstückartig und wir können uns kein klares Urteil bilden. Mich erinnert manches, was geschieht, an den ‚Watschenmann’ im Wiener Prater.“

Am 10. Oktober 1960 ist Dr. Ewald Sindel plötzlich gestorben und wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung von den Freunden seiner Söhne in Hermannstadt zu Grabe getragen. In einem Nachruf in dieser Zeitung trauerte Heinrich Zillich um einen „wunderbaren und edlen Mann“. Seine Erinnerung bleibe lebendig!

Dr. Peter Leonhardt

Schlagwörter: Persönlichkeiten, Wirtschaft

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