12. Oktober 2010

Siebenbürgisch-sächsisches Brauchtum im Wechsel der Jahreszeiten

Es war eine gute Idee des Stellvertretenden Vorsitzender der Kreisgruppe Bad Tölz – Wolfratshausen, Johann Depner, der auch als Organisationsreferent und Regisseur der Theatergruppe tätig ist, einen Brauchtumsnachmittag zu planen und am Sonntag, dem 26. September 2010, in den Ratsstuben Geretsried auf die Bühne zu bringen. Im Info-Blatt der Kreisgruppe vom Sommer 2010 wurde zu einer Mundartveranstaltung mit „Sitten und Bräuchen der Siebenbürger Sachsen im Wechsel der Jahreszeiten in Wort, Lied und Tanz“ eingeladen.
Mit dem Lied „Freunde die ihr seid gekommen“ eröffnete der Gemischte Trachtenchor unter der Leitung von Renate Klemm die Veranstaltung, gefolgt von der Begrüßungsansprache der Kreisgruppenvorsitzenden Gerlinde Theil, welche als Ehrengäste die Landesvorsitzende Herta Daniel und den Vorsitzenden der Banater Trachtentanzgruppe, Stefan Rieder, willkommen hieß.

Die Kulturreferentin Ursula Meyndt freute sich in ihrer Ansprache über die, trotz langer Ferien und kurzer Einübungszeit, gelungenen Proben. Mit dem Mundartlied „Zeisken huet e klinzich Nest“ bot der Chor einen weiteren Liedvortrag.
Ein sehr gelungener siebenbürgisch-sächsischer ...
Ein sehr gelungener siebenbürgisch-sächsischer Brauchtumsnachmittag fand am 26. September 2010 in Geretsried statt. Foto: Roland Widmann
In seiner Einführung erklärte der Autor und Regisseur Johann Depner dem Publikum sein Ziel, ihnen die auf den Dörfern üblichen Sitten nahe zu bringen. Nach dem Lesen und Durcharbeiten mehrerer Heimatbücher sei er zu dem Schluss gekommen, sich an den Bräuchen in seiner Heimatgemeinde Hetzeldorf im Kirchenbezirk Mediasch zu orientieren.

Fasching war ein beliebter Brauch, bei dem die Trachten getragen wurden und der auf einigen Dörfern eine ganze Woche, meist von Ende Januar bis Anfang Februar andauerte. Vor dem Fasching hielten die Nachbarschaften den Richt- oder in einigen Dörfern den Sitttag ab, wo so manches besprochen, geklärt und geschlichtet wurde. Das nannte man „Zugang“. In der Faschingszeit wurde der Marien-Ball von den Frauen der Gemeinde sowie der Blasi-Ball für die Kinder im Kindergartenalter und Schulkinder veranstaltet. Auf der Bühne wurde gezeigt, was sich vor und nach den kirchlichen Handlungen in den Häusern abspielte. Depner freute sich, auf diese Weise vor allem den jugendlichen Laiendarstellern und Mitgliedern der Tanzgruppen Selbsterlebtes zu vermitteln und nahe zu bringen. Mit dem beliebten Mundartlied „Det Brännchen“ von Grete Lienert Zultner schloss der Chor seinen Beitrag.
Hochzeit und Taufe als Brauchtum. Foto: Reinhold ...
Hochzeit und Taufe als Brauchtum. Foto: Reinhold Kraus
Es folgten die einzeln vorgetragenen Bräuche, beginnend mit einer Szene des „Kinder Wünschens“ am Neujahr. Zu Fasching hieß es „Wir haben ein Zeichen der Nachbarschaft bekommen und sollen sehen, ob alles im abgelaufenen Jahr gestimmt hat, oder ob es manches zu klären gibt“. Man versammelte sich zum Richttag. Am Ende wurde der Nachbarschaftswein getrunken, der speziell für diesen Zweck gekeltert oder zugekauft wurde. Weiter bestimmten die Urzeln das Bühnenbild und sagten ihre Sprüche auf, während sie Krapfen im Saal verteilten. Die Tanzgruppe der Verheirateten unter der Leitung von Marianne Marzell und Sieglinde Thamm, die Frauentanzgruppe unter Anleitung von Inge Konradt und die Kindertanzgruppe mit Doris Ongerth und Erika Fernolend boten zum Faschingsende sehenswerte Tänze. Die Rockenstube im Winter mit Liedern, auch zum Mitsingen des Publikums im Saal, wurde mit Wein, Krapfen und warmen Gebäck für die Jugend nachgestellt.

Bei der Taufe wurde der Unterschied zwischen Tracht mit Borten und gebockelter verheirateter Frau hervorgehoben. Auch die Konfirmation begann mit dem Bortenaufsetzen der angehenden Konfirmandin durch die Mutter oder Großmutter. Danach gingen die Jugendlichen, um bei Eltern und Taufpaten um Verzeihung zu bitten. Sie bekamen je ein Gesangbuch und wurden so in die Reihe der Erwachsenen aufgenommen. Das Osterfest hob den Brauch des Bespritzens am Ostermontag hervor, wo die Schuljungen die gleichaltrigen Mädchen in ihrem Hause besuchten und sie mit Parfüm bespritzten, wofür sie ein buntes Ei, Gebäck und Getränk angeboten bekamen. Das Muttertag-Lied wurde von Johann Depner vorgetragen, während Kinder im Saal Blumen an die Mütter verteilten. Pfingsten wurde vom Tanz geprägt, den die Jugendtanzgruppe unter der Leitung von Heike Kraus auf die Bühne brachte. Zum Kronenfest wurde ein Spruch unter der Krone verlesen und die bekannten Lieder „Willst du Gottes Werke schauen“ und „Af deser Ierd“ mit dem Saalpublikum gesungen.

Die Verlobung war das „Um die Hand bitten“ des Bräutigams an die Eltern der Braut. Dazu wurde die Braut feierlich hergerichtet. Das Brauttuch zu schenken und die Brautlieder zu singen war Sache der Freunde und jungen Erwachsenen. Passend dazu wurde das Lied „ Et schallt e Klang durch as Gemin“ gesungen. Die Hochzeit begann mit dem Hochzeitslader und seiner Auforderung an die Brautleute und ihren Eltern, sich in der Verwandtschaft aufzunehmen. Ein großer Hochzeitszug querte den Saal zur „Kirche“ und kehrte anschließend zurück zum „Gaben“. Mit dem Brauttanz und dem Borten-Abnehmen sowie dem Abschied der Braut von ihren Eltern endete dieser Brauch. Mit dem Kathreintanz und dem Auftritt der Jugendtanzgruppe fand die Darstellung ein Ende.

In ihrem Schlusswort dankte Gerlinde Theil den rund 100 mitwirkenden Landsleuten und hob das gute Miteinander von ganz klein bis zum fortgeschrittenen Alter hervor. Sie dankte dem Autor und Regisseur Johann Depner für sein gelungenes Bühnenwerk und für seinen beispielhaften Einsatz rund um die Veranstaltung. Im Namen der Urzeln überreichte der Zunftmeister Horst Wagner dem Landsmann Depner eine Flasche guten Weines. Ein besonderer Dank ging an die fleißigen Frauen, die über 100 Krapfen, mehrere Hanklich und Striezel gebacken hatten. Die Landesvorsitzende Herta Daniel empfahl eine Wiederholung der Veranstaltung im Frühjahr nächsten Jahres.

Walter Klemm

Schlagwörter: Brauchtum, Geretsried

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