19. November 2010

Gedanken zum deutschen Schulwesen

Beim 50-jährigen Maturatreffen des Mediascher Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums machte sich Konrad Lehrer Gedanken über das deutsche Schulwesen in Rumänien. Sie geben Anstoß zur Erinnerung und Reflexion. Der Verfasser des Artikels, aus Mediasch stammend, unterrichtete 30 Jahre an einem Gymnasium in Freiburg im Breisgau. Seit seiner Pensionierung besuchte er öfters die deutschen Schulen in Siebenbürgen.
Ich habe meine Gedanken über elf Jahre Schule und die Matura unter das Motto Schola seminarium rei publicae („die Schule ist die Pflanzstätte des Gemeinwesens“) nach der bekannten Aufschrift an der Bergschule in Schäßburg gesetzt. Unabhängig von der Staatsform, sollte die Schule ihren Beitrag dazu leisten, junge Menschen zu verantwortlichen und selbstbewussten Mitbürgern zu formen. Darüber hinaus, hat die Schule für uns aber auch allgemeine Bildung, wissenschaftliches Propädeutikum und eine Vorbereitung auf das Leben bedeutet.

Die Schule hat jedoch noch einen anderen wichtigen Auftrag erfüllt: sie hat die Gemeinsamkeit gefördert und die Zugehörigkeit zum deutschen Sprachraum gestärkt. Dazu haben vor allem unsere Lehrer beigetragen, die nicht nur den Lehrplan „aufgearbeitet“, sondern uns auch Kenntnisse über die Geografie Deutschlands, die Geschichte Europas und die deutschen Klassiker näher gebracht haben.

Die Nobelpreisträgerin Herta Müller hat anlässlich einer Rede am 15. Juni 2001 im Schlosstheater von Ottweiler (Saarland) vor Abiturienten diesen Satz geprägt: „Heimat ist das, was gesprochen wird.“ Unsere Schule hat durch den Unterricht in deutscher Sprache ganz wesentlich dazu beigetragen unsere kulturelle Identität zu finden und zu erhalten.

Es soll gar nicht verschwiegen werden, dass wir von Seiten des rumänischen Staates manche Einschränkungen hinzunehmen hatten. Dazu zähle ich den Unterricht einiger Fächer in rumänischer Sprache und den Unterricht der „roten Pflichtfächer“: Politökonomie und Wissenschaftlicher Sozialismus. Ein besonderes Handicap war, dass es bei den Fremdsprachen kaum Auswahlmöglichkeiten gab. Alle Schüler mussten Russisch lernen, Französisch und Englisch wurden nur als Wahlfach angeboten. Trotzdem gewährleistete Rumänien, im Unterschied zu allen anderen kommunistischen Staaten, den Unterricht der meisten Fächer in deutscher Sprache.

Mitte der neunziger Jahre hatte es dann den Anschein, als ob fast alle deutschen Schulen aufgelöst werden sollten. Zwar waren die Dorfschulen mit deutscher Unterrichtssprache verschwunden, in den Städten fanden sich jedoch genügend rumänischsprachige Familien, die Interesse daran hatten, ihre Kinder in deutscher Sprache ausbilden zu lassen. Somit blieben die deutschen Schulen in den großen Städten erhalten und sind noch immer etwas Besonderes. Allerdings sind die Lehrer und Schüler der deutschen Schulen in immer geringerem Maße Muttersprachler. Viele von ihnen verwenden die deutsche Sprache bloß im Klassenzimmer und sprechen in der Familie, im Freundeskreis und mit Bekannten rumänisch. Um ein gutes Sprachniveau zu sichern, sollte der Fachunterricht heutzutage ganz gezielt durch Sprachunterricht und Methoden der Fremdsprachendidaktik ergänzt werden. Wünschenswert wäre es auch, dass für den Deutschunterricht mehr Fachlehrer aus dem deutschsprachigen Ausland entsandt und gute Schulbücher in deutscher Sprache auch in niedrigen Auflagen unterstützt werden könnten.

Anerkennenswert ist, dass sich Deutschland um den Erhalt der deutschen Schulen in Rumänien bemüht. Auch auf europäischer Ebene ist der Wert dieser Schulen anerkannt. Es sollte uns am Herzen liegen, das, was uns geformt hat, auch für künftige Generationen zu erhalten und das im Sinne des europäischen Gedankens.

Konrad Lehrer

Schlagwörter: Schule, Schulgeschichte, Rumänien und Siebenbürgen, Mediasch

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