28. April 2011

Ein charismatischer Amateurmusiker

Paul Kellner wäre am 8. Mai 90 geworden.
Ein Charakteristikum des siebenbürgischen Musiklebens besteht seit jeher darin, dass Laienmusiker mit Berufsmusikern in Orchestern, ­Instrumentalgruppen, Vokalensembles, Blaskapellen und in der Unterhaltungsmusik zusammenwirkten oder als Solisten, Komponisten oder Kirchenmusiker hervortraten. Oft hatten sich diejenigen, die musikalischen Beschäftigungen nicht berufsmäßig nachgingen, einer soliden privaten Ausbildung oder eines autodidaktischen Studiums befleißigt, und oft ragten sie im Musikleben hervor, vertraten in vortrefflicher Weise eine bestimmte Musiksparte. So die Komponisten Martin Fay, Anton Hubatschek, Soterius von Sachsenheim, Friedrich Schiel, Josef Eisenburger, Emil Fischer, Gerhard Schuster, Heinrich Bretz, Rudolf Chrestel, Rudolf Kess, Hermann Morres, Gustav Schmidt, Robert Jacobi, Karl Knopf, die Geiger Carl von Máthéfi, Johann Baptist Teutsch, Andreas Weiserth, der Pianist Julius Kovács oder der Cellist Richard Weißkircher, um nur einige der namhaftesten zu erwähnen. Manche von ihnen erwarben sich bemerkenswerte Verdienste auch als Anreger und Förderer im Musikleben Siebenbürgens. Eine eigene Kategorie Musiker ist in denen zu sehen, die ein Musikstudium absolviert hatten, ihren späteren Lebensunterhalt jedoch in einem anderen Beruf fanden. Schließlich muss derjenigen gedacht werden, denen kriegsbedingte Not- und Ausnahmesituationen oder wirtschaftliche und finanzielle Hindernisse ein Musikstudium verwehrten; sie mussten sich ihr Können und Wissen auf Umwegen erwerben.

Zahlreiche Leiter von Blaskapellen gehörten zu diesen Laienmusikern. Einige machten sich einen Namen. Zu ihnen gehört Paul Kellner, ­geboren am 8. Mai 1921 in Reps. Bereits als Schüler in den letzten Klassen der Kronstädter Höheren Handelsschule leitete er als Primus musi­cus die Blaskapelle der Schülerorganisation „Coetus Mercurii“ bis zu deren Auflösung bzw. Unterstellung unter die nationalsozialistische Landesjugendführung. Sein Ansehen war so gewachsen, dass man ihm die Leitung einer Kronstädter Auswahlkapelle übertrug, mit der er eine Auslandstournee vorbereitete. Der Krieg vereitelte nicht nur dieses Vorhaben, sondern auch die Absicht Kellners, Musik zu studieren. Kriegsdienst und Kriegsfolgen verschlugen ihn nach Deutschland. Er heiratete und ging zunächst als Kaufmann nach München, danach als Heimleiter in das Siebenbürgerheim nach Lechbruck. Seine musikalischen Erfolge setzte er als Dirigent der Lechbrucker Stadtkapelle fort. Seiner Ehe mit Liselotte, geborene Helf, entstammen zwei Töchter. Kellner starb am 31. Januar 1994 in Rimsting, wo er die letzten Jahre als Rentner verbracht hatte.

Nichts veranschaulicht Kellners musikalisches Charisma deutlicher als die Worte des bekannten, aus Kronstadt stammenden, in Weinsberg ansässig gewordenen Blaskapellmeisters, Dirigenten, Chorleiters, ausübenden Musikers, Komponisten und Lehrers Kurt Speil (1924-2010), der noch in Kronstadt unter Kellner musiziert hatte, ihn als sein „Vorbild und Idol“ bezeichnete und auch im Alter noch verehrte: „Ein Foto von ihm hat einen Ehrenplatz auf meinem Schreibtisch, und so habe ich ihn auch weiterhin immer vor mir.“

Karl Teutsch

Schlagwörter: Musiker, Blasmusik, Gedenken

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