16. Juni 2011

Dem Redakteur ist nichts zu schwer

Dass die deutsche Gesellschaft sich eine Deutsche Gesellschaft e.V. leistet, ist nicht Gemeingut, und doch hat sich dieser Verein zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa schon dergestalt um die europäische Bürgergesellschaft verdient gemacht, dass er 2008 Nationalpreisträger wurde. Ob er nun deutsche Wandergesellen als Handwerksbotschafter bei Renovierungsarbeiten im siebenbürgischen Hermannstadt betreut oder deutsch-polnische Gesangs- und Klaviertage ausrichtet, ob er Günter de Bruyn und Martin Walser als Preisträger auf den Schild hebt oder zu einem Expertenforum „Innere Einheit“ lädt, es sind allemal klug erdachte, Klugheit fordernde und fördernde Initiativen.
Die Veranstaltungen finden naturgemäß in einem blinden Winkel der medienbefeuerten Eventkultur statt, aber ein Schmollwinkel ist das mitnichten, die Leute, die hier zusammengebracht werden, wissen, weshalb sie zusammenkommen, und haben sich etwas zu sagen – oder gar zu singen oder eben zu hämmern.

Ausgerechnet den Journalisten und Medienfachleuten, die Anfang Mai mit Förderung des Auswärtigen Amtes und der Springer Stiftung zu den mittel- und südosteuropäischen Medientagen eingeladen waren, versagten allerdings hin und wieder die Worte vor dem komplizierten, aber alle verbindenden Anliegen, die von ihnen vertretenen deutschsprachigen Medien im In- und Ausland auf – ja, worauf denn überhaupt zu bringen? Auf das kleinste gemeinsame Vielfache, den größten gemeinsamen Teiler? Um Gemeinsamkeit ging es allemal, allerdings wurde alsbald klar, dass mit mathematischen Algorithmen nichts auszurichten ist, wenn es um deutschsprachige Presse zwischen Bukarest und Bonn, dem Baltikum und Basel geht.

Bei derlei Vielfalt und Vielschichtigkeit bleibt als Gemeinsamkeit schließlich nur die deutsche Sprache, und selbst diese und ihre Pflege durch das geschriebene Wort ist von Landschaft zu Landschaft anders gelagert. Und das wären erst die Bedingungen, dabei sind wir noch gar nicht beim Thema, denn das sind die Themen. Davon hat die „Wende“ uns allen überall einen kaum zu erfassenden, geschweige denn zu fassenden, zu begreifenden Überfluss beschert. Aber Journalismus leidet im Angesicht des Überangebots vielleicht noch herber als unter Kargheit; es leidet zumal seine Qualität, die – steht zu hoffen – von allen angestrebte Gediegenheit. Es wird vielmehr drauflosgeschrieben, -gedreht, -collagiert, -publiziert, kooperiert und kolportiert, dass die Wände wackeln, und zwar die der Wirklichkeit, die ja nun nicht mehr sauber durch Mauer und Stacheldraht in Gut und Böse geschieden ist, sondern aus einer Vielzahl mehr oder minder krummer Gänge, Kammern und Spiegelkammern mit Türen, vor allem aber Hintertüren besteht, in denen man sich heillos verlaufen und verrennen kann. Zimmer mit Aussicht sind selten.

Hinzu kommt das Übermedium Internet, das einerseits als technisches Hilfsmittel bei Planung und Recherche niemand mehr missen möchte, das aber mit der Üppigkeit und Beschleunigung des Informationsmaterials die Gefahr einer Verwässerung hin zur Beliebigkeit birgt. Die „Schaffung von Öffentlichkeit“, wie Karl-Peter Schwarz von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ das finale Hauptanliegen des Journalismus definierte, ist diesem aus der Hand genommen, Öffentlichkeit ist heute im besten Fall vielstimmig, vielspurig, vielfarbig, aber nicht unbedingt diskursfähig oder auch nur diskurswillig.

Dieser Wille muss hergestellt werden, und dass dies möglich ist, zeigen schon die kontinuierlich steigenden Auflagenzahlen der Qualitätszeitungen, wie Thomas Urban von der „Süddeutschen Zeitung“ bemerkte. Damit im Zusammenhang steht merkwürdigerweise auch der gleichzeitige Auflagengewinn der Lokalpresse. Diese Steigerungen sind nämlich ebenso wie der Rückgang der Regionalpresse nach Urban Folgen der Online-Entwicklung. Den Medien mit regionaler Relevanz und Ausstrahlung macht das Internet die Klientel streitig, doch das Interesse an intimer Unmittelbarkeit einerseits und an gediegener Analyse und Interpretation jenseits der blanken Fakten andererseits lebt, ja lebt auf.

Damit einher geht eine, so Karl-Peter Schwarz, „Feuilletonisierung“ aller Berichterstattung von der Politik bis zum Sport und um so mehr des publizistischen Gedenkens an die Geschichte – etwa der Deutschen und ihrer Kultur in Osteuropa. Feuilletonistische Aufbereitung verleitet natürlich zu unverbindlicher Textproduktion, vorbei an den Scharten und Schründen der Problematik, bietet jedoch auch die Chance gemessenen und angemessenen Wägens, Erwägens und Differenzierens.

Die Mühen der Ebene sind nicht minder mühsam als jene unter dem Alb von Zensur und Diktatur. Beklagen sollte man es natürlich nicht, dass deren Druck verpufft ist, und doch ist damit auch ein Stück Interesse weggebrochen, das seinerzeit den Medien entgegengebracht wurde – in der Erwartung und im Vertrauen darauf, dass man daraus mehr erfahren würde, als die politisch gegängelte Öffentlichkeit preiszugeben bereit war, und sei es nur zwischen den Zeilen. Jenem augenzwinkernden Einvernehmen, das nur gegen und nicht für etwas funktioniert, mag man nostalgisch nachsinnen, auseinanderzusetzen hat man sich aber mit Meinungsfreiheit und Mediendiversität, mögen einem deren schillernde, wuchernde Auswüchse noch so wenig behagen. Immer noch hilft dagegen nichts als das nicht nur gut gemeinte, sondern auch gut gesagte Wort. So werden auch die Teilnehmer dieser Medientage sich bei – hoffentlich – weiteren Gelegenheiten stets viel zu sagen haben.

Georg Aescht (KK)

Schlagwörter: Medien

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