21. Juni 2011

Preisverleihungen 2011 in Dinkelsbühl

Zu den diesjährigen Preisverleihungen begrüßte der Vorsitzende des Kulturpreisgerichts, Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, am Pfingstsonntagnachmittag in der voll besetzten Sankt-Pauls-Kirche zu Dinkelsbühl die Preisträger, ihre Laudatoren sowie die mitwirkenden Musiker. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis 2011 wurden Prof. h.c. Dr. Peter Motzan und Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth ausgezeichnet. Wie Dürr mit Bedauern mitteilte, habe der vorgesehene Laudator, der aus dem Banat stammende Schriftsteller Richard Wagner, aufgrund einer akuten Erkrankung kurzfristig abgesagt. Dessen Rede verlas die stellvertretende Bundesvorsitzende Karin Servatius-Speck, Mitglied des Kulturpreisgerichts. Den Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis erhielten Ingeborg Acker und Bettina Ganzert. Die Laudatio hielt Pfarrer i.R. Peter Obermayer.
Die musikalische Umrahmung gestalteten die Mezzosopranistin Hildegard Bergel-Boettcher und die Gitarristin Andrea Gatzke mit ausgewählten siebenbürgisch-sächsischen Mundartliedern. Sinnigerweise eröffnete das Duo mit dem Volkslied „Et såß e klī wäld Vijeltchen“, sollte doch sogleich der Jugendpreis verliehen werden.

Fruchtbare musikalische Jugendarbeit

Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Jugendpreis wird seit 1993 von der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) und Studium Transylvanicum jährlich verliehen für herausragende wie stetige Leistungen im Dienste siebenbürgisch-sächsischer Jugendarbeit. Mit dieser Auszeichnung, so stellte Peter Obermayer eingangs seiner Laudatio fest, solle das Werk von Ingeborg Acker, geb. Gagesch, in der Honterusgemeinde in Kronstadt, und jenes von Bettina Ganzert, geb. Ghinet, in der evangelischen Kirchengemeinde Kronstadt-Bartholomä geehrt werden. Als besonders berufenen Lobredner qualifizierte Obermayer die Tatsache, dass er selbst ehemals als Pfarrer in Bartholomä gewirkt hat.

Wie der Laudator vortrug, wurde Ingeborg Acker 1957 in eine Familie hineingeboren, in der viel musiziert wurde. Der Vater, der auch viele Jahre Kurator der Kirchengemeinde Rosenau war, wirkte in der Blaskapelle mit, die Mutter sang im Kirchenchor wie auch im Chor des Kulturheims. Zudem waren ihre Lehrer in der Musikwelt des Burzenlandes und darüber hinaus bekannt, u. a. Hermann Ließ, Reinhold Schneider, Gernot Wagner, Ernst Fleps, Kurt Philippi, Ernst Helmut Chrestel, insbesondere Hans Eckart Schlandt, Organist und Leiter des Kronstädter Bachchores, und der Sänger Zsoltan Szilaghy, bei dem sie Gesangsunterricht erhielt. Auf dieser Basis habe Ingeborg Acker „aus eigener Begabung mit viel Energie und sicher auch viel Gnade“ aufgebaut.

Als besonders beeindruckend würdigte der Laudator Ackers „unermüdliche und rastlose Arbeit unter den uns bekannten Umständen der kommunistischen Diktatur, die deutschem und kirchlichem Kulturschaffen durchaus nicht immer gut gesonnen war“. Dass sie als 23-Jährige Organistin der Honterusgemeinde in Kronstadt war, sage einiges aus über die Befähigung der jungen Frau als auch über den auswanderungsbedingten Personalmangel in den Kirchengemeinden. Ingeborg Acker habe in der musikalischen Kinder- und Jugendarbeit weit über die Grenzen der Kirche hinaus Zeichen gesetzt, sowohl in der Chorleitung als auch durch ihren eigenen Gesang und ihr Orgelspiel. Es sei sicher gerechtfertigt, sie als „Botschafterin der deutschen und evangelischen Kirchen- und der Volksmusik“ zu bezeichnen, zumal Ingeborg Acker (verheiratet mit Dieter Acker, zwei Kinder) in einer schwierigen Zeit 1994 den „Canzonetta“-Chor ins Leben gerufen habe. In diesem Chor, führte Obermayer aus, würden „sangeswillige Burzenländer“, die die deutsche Sprache noch nicht durchgängig beherrschten, „über alle Unterschiede der Herkunft im und durch den Gesang vereint die Ohren und Herzen der Hörer mit schönen und harmonischen Tönen verwöhnen“. Canzonetta kann als Ackers Lebenswerk bezeichnet werden, das hoffentlich noch viele Generationen junger Burzenländer anziehen wird.
Die Trägerinnen des Siebenbürgisch-Sächsischen ...
Die Trägerinnen des Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreises 2011, Ingeborg Acker (2. von links) und Bettina Ganzert (2. von rechts) mit ihrem Laudator Pfr. i.R. Peter Obermayer (Bildmitte) und flankiert von SJD-Bundesleiter Elmar Wolff (außen rechts) und Dr. Gerald Volkmer (Studium Transylvanicum). Foto: Christian Schoger
Die Biografie von Bettina Ganzert weise keine ähnlich geartete familiäre Vorbelastung aus. Ihre Prägung als Kirchenmusikerin und Organistin habe gleichwohl früh eingesetzt. Als 7-Jährige bekam sie ihren ersten Klavierunterricht bei ihrer Lehrerin Renate Honigberger. Die weitere kirchenmusikalische Prägung erfolgte durch den Orgelunterricht bei Eckart Schlandt. Erst 14-jährig, sang sie bereits im Kronstädter Bachchor mit, in den, wie der Laudator betonte, sonst kaum Halbwüchsige Aufnahme fanden. Obermayer lobte die Effizienz der seinerzeit geleisteten Jugendarbeit der siebenbürgischen Heimatkirche. Als 1985 Harro Zoltner, bis dahin Organist und Leiter des Kirchenchores in Kronstadt-Bartholomae, mit seiner Familie nach Deutschland aussiedelte, „konnte Bettina Ganzert diese Arbeit nahtlos übernehmen und weiterführen“ und vielfältige neue Impulse setzen. So wurde eine Musikgruppe mit Blockflöten und Perkussionsinstrumenten, Gitarre und Gesang gebildet, die alle Kinder von der 1. Klasse bis zur Konfirmation ansprach, bald danach auch dem Kirchenchor ein Jugendchor zur Seite gestellt, der die Konfirmierten bis etwa 21-Jährigen umfasste. Dies führte dazu, dass, wie Obermayer beschrieb, „in Bartholomae und darüber hinaus die Gottesdienste besonders an den kirchlichen Festtagen festlicher wurden“. So habe trotz der schrumpfenden Gemeinde der Gottesdienstbesuch zugenommen. Dazu kamen Ausflüge in die Dörfer des Burzenlandes und das Einstudieren von Singspielen, 2- bis 3-wöchige Sing-Rüstzeiten, wie die in Weilau 1987, Wolkendorf und Katzendorf 1988, Deutsch-Weißkirch 1989, sowie Ausfahrten, bei denen Gottesdienste mitgestaltet wurden. Es seien für alle Mitwirkenden nachhaltige Erlebnisse gewesen, so Obermayer. Seit 1990 lebt Bettina Ganzert (verheiratet, zwei Söhne) in Deutschland.

In ihrer Danksagung unterstrich Ingeborg Acker, dass dieser Preis nicht ihr allein, vielmehr auch den mehr als 250 Kindern und Jugendlichen gebühre, die im Laufe vieler Jahre unter ihrer Anleitung gesungen und musiziert haben: „Diese Kinder haben mich anhand ihrer Begeisterungsfähigkeit dahin gebracht, wo ich mit ihnen gemeinsam Musik vollkommen anders, vollkommen neu und aufregend erleben durfte und es immer noch tue!“ Das Preisgeld will Acker zukünftigen Projekten von Canzonetta zukommen lassen, insbesondere der August 2011 startenden Tournee des Ensembles nach Deutschland und Österreich.

Bettina Ganzert trat ans Rednerpult und animierte die Veranstaltungsteilnehmer zu einer Aktion, einer mit dem jeweiligen Sitznachbarn vollzogenen Berührungsgeste. Mit dieser Interaktion wollte die Preisträgerin ihre persönliche „tiefe Berührtheit“ nachempfindbar machen: „Die Arbeit, die ich mit größter Begeisterung machte, trägt Früchte!“ In ihren Dank schloss sie nicht zuletzt auch „die Eltern ein, die mir ihre Kinder anvertraut haben“. Ganzert äußerte die Hoffnung, "dass diese Jugendarbeit nicht in Siebenbürgen geendet hat, dass sie auch hier in Deutschland weitergeführt wird“.

Germanisten und Aufklärer

Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis wird seit 1968 von den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich verliehen. In diesem Jahr erhielten diese höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen die beiden Germanisten und Literaturwissenschaftler Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth und Prof. h.c. Dr. Peter Motzan in Anerkennung ihrer „entscheidenden Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur in Siebenbürgen“ (Kulturpreis-Urkunde). Zwei Stunden vor den Preisverleihungen hatten die diesjährigen Kulturpreisträger im Evangelischen Gemeindhaus Vorträge gehalten, Sienerth über „Neue Erkenntnisse zur Biografie und zum Werk des Lyrikers Georg Hoprich“, Motzan über „Die vereitelte Anwerbung Alfred Margul Sperbers als Informant des rumänischen Geheimdienstes Securitate im operativen Vorgang Hermine Pildner-Klein“.
Der Schriftsteller Richard Wagner verfasste die ...
Der Schriftsteller Richard Wagner verfasste die Laudatio. Foto: Konrad Klein
In dem banatschwäbischen Autor Richard Wagner hatte sich ein renommierter Laudator gefunden, dessen kürzlich erschienener Securitate-Roman „Belüge mich“ von der Kritik gelobt worden war. Aufgrund Wagners Erkrankung verlas Karin-Servatius-Speck stellvertretend dessen Rede.

Es sei für einen Schriftsteller „stets heikel, über einen Germanisten zu sprechen“; sich gleich über zwei Germanisten auszulassen, sei „geradezu eine Verwegenheit“, räumte der Laudator ein. Gleichwohl stellte Richard Wagner fest: „Peter Motzan und Stefan Sienerth sind zu loben für eine jahrzehntelange Tätigkeit im Dienste der Literatur der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, kurz gesagt der Rumäniendeutschen. Das gilt für ihre Beiträge zur Geschichte dieser Literatur und zu ihren literarischen Formen, aber auch für die Herausgabe von Büchern zur Einordnung und kulturhistorischen Zuordnung.“

Das „Tandem Motzan-Sienerth“ symbolisiere eine „produktive Rollenverteilung“: Stefan Sienerth schreibe vor allem über die ältere Literatur und Kultur der Siebenbürger Sachsen, Peter Motzan hingegen über die Formenentfaltung der zeitgenössischen Literatur, insbesondere der Lyrik. Für deren Arbeiten an Lehrstühlen und Instituten in Hermannstadt (Sienerth) und Klausenburg (Motzan) habe diese Konstellation jedenfalls bis zur Aussiedlung in die Bundesrepublik Anfang der 90er Jahre Bestand gehabt. Als „Markierungen dieser unserer Literatur“ verwies Wagner beispielhaft auf den von Sienerth herausgegebenen Nachlass des Dichters Georg Hoprich sowie auf Motzans Buch über die rumäniendeutsche Lyrik. Die Literaturwissenschaftler hätten versucht, „trotz der konjunkturellen Zwänge der Diktatur und des Personenkults“ an ihrem Thema festzuhalten. Wagner konstatierte rückblickend: „Man darf heute sagen, es ist ihnen durchaus gelungen.“
Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis ...
Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis 2011 ausgezeichnet: Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth (2. von links) und Prof. h.c. Dr. Peter Motzan (3. von links), neben den Vertretern der preisstiftenden Verbände in Deutschland und Österreich, Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius (4. von links) und stellvertretender Bundesobmann Manfred Schuller. Foto: Christian Schoger
„Das zweite Leben der Germanisten“ habe sich in der Bundesrepublik entfaltet. Im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München sind Sienerth (Direktor) und Motzan seit nunmehr fast 20 Jahren tätig. Der Laudator würdigte die von Sienerth und Motzan unternommene systematische Aufarbeitung der „Bespitzelung und Überwachung des rumäniendeutschen Literatur- und Kulturbetriebs“, wie sie in den Akten der Securitate zum Vorschein kommt. Wagner erinnerte an eine Tagung 1993 und den daraus resultierenden Band zum Kronstädter Schriftstellerprozess sowie an die Münchner Securitate-Tagung 2009.

Dieses „einzigartige Projekt“ habe freilich auch „militante Gegner“ auf den Plan gerufen. Ihnen galt Wagners aphoristischer Appell: „Wer die Geschichtsschreibung ablehnt, wird auch keine Geschichte haben.“ Die Frage sei nun aber, „wie wir diese Vergangenheit dem Engel der Geschichte entreißen“ könnten – „und dabei rechnen wir mit Motzan und Sienerth“.

Preisgeld gespendet für einen Fonds zugunsten von Securitate-Opfern

Peter Motzan brachte in seiner Danksagung seine Freude zum Ausdruck, dass ihm „gemeinsam mit meinem Freund Stefan Sienerth“ der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis verliehen werde - 42 Jahre nach der Auszeichnung des „Fachgelehrten und Polyhistor“ Prof. Karl Kurt Klein. So sei die neuere deutsche Literatur in und aus Rumänien „längst hörsaalfähig geworden“. Während sich Sienerth in der „Zunft der transsilvanischen Nachkriegs-Literaturwissenschaftler“ als deren produktivster Vertreter ausgewiesen habe, sehe er sich selbst vielmehr als „Schmalspurgermanist“, der ausschließlich rumäniendeutsche, deutsche und rumänische Literatur des 20. Jahrhunderts kommentiert habe. Sechs Wochen vor seinem „Absturz ins Rentnerdasein“ zog der 1946 in Hermannstadt geborene Germanist eine bescheidene Bilanz seiner Wissenschaftslaufbahn in Rumänien und Deutschland. Motzan dankte Richard Wagner für seine Laudatio und seiner „dem rumänischen Altreich entsprungenen“ Ehefrau. Das Preisgeld spendete Motzan wie auch Sienerth dem Verband der Siebenbürger Sachsen zur Einrichtung eines Solidaritätsfonds zur Unterstützung von Securitate-Opfern in rechtlichen Auseinandersetzungen. Diese Initiative fand den spontanen Beifall der Feiergäste.

Stefan Sienerth dankte dem Preisgericht, den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Österreich, überdies seiner Frau „für die starke Stütze und ihr Verständnis für meine etwas eigenartigen beruflichen Interessen“. Der Germanist rühmte die „sprachliche Eloquenz“ des Schriftstellers Richard Wagner, seine „Klar- und Scharfsicht, auch seine Gradlinigkeit und Prinzipientreue“. Mit besonderer Freude erfülle ihn, dass mit diesem Preis vornehmlich der siebenbürgenspezifische Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit geehrt werde, denn die „Zugehörigkeit zur siebenbürgisch-deutschen Gemeinschaft“ „gehört zu den Bedingtheiten meiner Existenz“, bekannte der 1948 in Durles geborene Preisträger. Desgleichen freue es ihn, diesen Preis mit seinem Kollegen Peter Motzan teilen zu dürfen, mit dem ihn eine bereits mehr als vierzig Jahre währende „sehr ergiebige Freundschaft“ verbinde. Sienerth nutzte die Gelegenheit, sein Forschungsgebiet vorzustellen. Das wahrnehmbare Interesse junger Menschen an regionalen Forschungsthemen stimme ihn zuversichtlich.

Zum Ausklang der feierlichen Veranstaltung brachten Hildegard Bergel-Boettcher und Andrea Gatzke ein Lied von Grete Lienert-Zultner zu Gehör: „Der Ōwend kit erun“ – und der Nachmittag war mittlerweile weit fortgeschritten. Kräftiger Applaus der Festgemeinde markierte gleichsam den Schlussakkord der eineinhalbstündigen Preisverleihungen.

Christian Schoger

Schlagwörter: Preisverleihung, Heimattag 2011, Dinkelsbühl, Kulturpreis

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