17. Juli 2011

Auf dem Fahrrad nach Siebenbürgen

Auf „Alte Wege nach Siebenbürgen“ begab sich Alfred Schuster, als er 2007 mit dem Fahrrad von Luxemburg nach Hermannstadt fuhr. Die Eindrücke seiner fast 2500 Kilometer langen Reise beschreibt Schuster in seinem Ende Mai im Hermannstädter Schiller Verlag erschienen Buch.
Die lange im Voraus geplante Reise begann in der Stadt Luxemburg, die 2007 gemeinsam mit Hermannstadt Europäische Kulturhauptstadt war. Schuster startete hier, weil der Großraum „sicher zu den Regionen gehört, aus dem meine Ahnen stammen“, und als persönliches Geschenk zum 70. Geburtstag. Auf 239 Seiten beschreibt er seine Reiseerlebnisse und Recherchen über den Weg der einstigen deutschen Kolonisten. Ihn – den ausgewanderten Hermannstädter Sachsen – treibt die Frage der Identität an, die Frage nach der Herkunft, die so viele Siebenbürger Sachsen umtreibt, die Beweggründe für die Auswanderung der Ahnen.

Vorbei führt ihn sein Weg an vertraut wirkenden Landschaften, etwa beim Anblick der Hügel bei Trier: „Plötzlich stehe ich am Ortsrand von Neppendorf, gleich unterhalb des Hermannstädter Flughafens. Das Bild, das sich auftut, ist die Zibinsebene. Auf der gegenüberliegenden Seite die Poplaker Heide mit dem zur Flussaue sanft abfallenden Hang.“ Ähnlich beschreibt er die Szenerie am Rheinufer in Bonn. „Wenn nun vor mehreren Hundert Jahren ein aufmerksamer Beobachter vom Rhein, der sich in Hermannstadt niedergelassen hat, mit dem Bild des Siebengebirges im Bewusstsein, an einem klaren Oktobertag, zum Beispiel von der Straße nach Heltau aus, links die gezackte Gipfellinie des Fogarascher Gebirges und rechts die weich gezeichneten Spitzen des Zibinsgebirges gesehen hat, könnte er eine Ähnlichkeit zum Siebengebirge wahrgenommen haben – wie ich.“

Solche Gedankenspiele lässt Schuster regelmäßig einfließen, immer wieder unterbricht er die Reisebeschreibung etwa mit Gedankenreisen in das Hochmittelalter. Da kommt Hermann aus dem Hunsrück an der Mosel, an den Ort des späteren Hermannstadts, und benennt den Höhenzug der heutigen Oberstadt nach dem heimatlichen Gebirge – die Straße „Hundsrücken“ zeuge davon. Die Reise des Hezzelo von Markstein 1148 könnte in Hetzeldorf geendet sein; ein Lokator könnte die Emigranten des mittelalterlichen Städtchens Seligenstadt zur selben Namensgebung im Harbachtal geraten haben usw. So schön und einfach kann Geschichte sein.

Schuster orientiert sich auf seiner Reise an mittelalterlichen Reiserouten und sucht nach deren Überbleibseln. Den Leser informiert er gern über seine Recherchen: „Ich suchte nach Wegen, die aus Franken und Lothringen, aus Flandern und Wallonien, aus Sachsen und Thüringen, aus Schwaben und Bayern nach Osten führten.“ Für den deutschsprachigen Raum ist der Verlauf der Fernhandelsrouten und Königswege gut nachvollziehbar, wie der Leser erfährt, das ungarische Wegenetz werde in zeitgenössischen Quellen kaum beschrieben. Und so recherchierte er selbst. Er suchte die vár-Orte (Burg, d.R.) und die Szombat-Orte (Samstag, früher für Marktorte benutzt, d.R.) und verband diese miteinander, so dass er ein Wegenetz für das mittelalterliche Ungarn erhielt, in dessen Mitte Stuhlweißenburg (Székesfehérvár, einstige Hauptstadt Ungarn, d.R.) liegt.

Schusters Buch ist interessant für alle, die sich für die frühe Siedlungsgeschichte Siebenbürgens interessieren, obgleich viele Informationen Kennern der Materie bekannt sein dürften. Auch als Anregung für eine längere Fahrradreise – Schuster benötigte 30 Tage im Sattel – mag das Buch nützlich sein. Gut 50 Fotos im Mittelteil illustrieren die Reise, auf drei Karten ist die Route dargestellt. An mancher Stelle verliert sich der Autor in Belanglosigkeiten, hätte die Erzählung gestrafft sein können. Dann jedoch wieder überrascht Schuster mit historischen Details und persönlichen Überlegungen, die, wenn auch nicht wissenschaftlich untermauert, Raum für Gedankenspiele lassen. Kurzum, ein Buch für Siebenbürger und Siebenbürger-Liebhaber, die sich auf die Spuren der mittelalterlichen Kolonisten begeben wollen.

HW

Alfred Schuster: „Alte Wege nach Siebenbürgen. Auf den Spuren der deutschen Einwanderer – mit dem Fahrrad von Luxemburg nach Hermannstadt“, Schiller Hermannstadt, Bonn, 2011, 239 Seiten mit ca. 50 Fotos, ISBN 978-3-941271-47-0, erhältlich im siebenbuerger.de/shop.
Auf den Spuren der deutschen Einwanderer - mit dem Fahrrad von Luxemburg nach Hermannstadt
Alfred Schuster
Auf den Spuren der deutschen Einwanderer - mit dem Fahrrad von Luxemburg nach Hermannstadt

Schiller Verlag
21,0 x 14,5 cm
239 Seiten
EUR 16,00 (+ Versandkosten)
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Schlagwörter: Rezension, Tourismus, Siebenbürgen

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