15. März 2012

Dem Soziologen und Pädagogen Ernst M. Wallner zum 100.

Einer der berühmtesten Söhne Mettersdorfs im Nösnerland würde in diesen Tagen 100 Jahre alt: Dr. Ernst M. Wallner wurde am 12. März 1912 als Sohn des damaligen Mettersdorfer Pfarrlehrers geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er in seinem Heimatort, später besuchte er das Gymnasium in Bistritz und studierte dann in Klausenburg, Halle, Berlin und Bonn Germanistik, Philosophie, Geschichte, Soziologie, Volkskunde und Theologie.
Es scheint bezeichnend, dass Ernst Wallner mit einer Arbeit zum Thema „Herkunft der Nordsiebenbürger Deutschen im Lichte der Flurnamengeographie“ zum Dr. phil. promovierte – deutlich verrät das Thema die Bindung des Wissenschaftlers an seine Heimat. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass der im Vielvölker-Siebenbürgen Geborene und Aufgewachsene später in seiner wissenschaftlichen Arbeit immer wieder von der Leitidee des Neben- und Miteinanders der Völker beherrscht ist.

Stets wandte sich sein Interesse volkskundlichen Themen zu. Internationale Bedeutung errang er mit soziologischen und ethnologischen Themen. Nach seiner Mitwirkung im Schulreferat des Evangelischen Landeskonsistoriums in Hermannstadt von 1937 bis 1940 arbeitete Wallner im Auswärtigen Amt und in dem (mit dem NS-Regime kooperierenden; die Redaktion) Institut für Grenz- und Auslandstudien in Berlin, danach im Seminar für Volkskunde an der damaligen Reichsuniversität Straßburg. Nach Kriegsende unterrichtete er zunächst von 1947-1962 am Kepler-Gymnasium in Freiburg i. Br., 1962 kam er an die Pädagogische Hochschule Heidelberg, wo er 1964 zum ordentlichen Professor für Soziologie und Politikwissenschaft ernannt wurde. Darüber hinaus nahm er in dieser Zeit einen Lehrauftrag für Ethnosoziologie wahr.

Ernst M. Wallner (1912-2007). ...
Ernst M. Wallner (1912-2007).
Die fünfzehn Jahre von 1962 bis 1977 erwiesen sich für Wallners wissenschaftliche Tätigkeit als äußerst fruchtbar: rund 200 Veröffentlichungen stammen aus seiner Feder. Dazu gehören insbesondere die „Soziologie. Einführung in Grundbegriffe und Probleme“. Der ­Bogen von Wallners Schrifttum umspannt die gesamte Bandbreite von der allgemeinen Sozialwissenschaft und speziellen Soziologien wie Familien- und Erziehungs- oder Gemeindesoziologie.

Ein besonderes Anliegen war ihm in diesem Zusammenhang die Betrachtung des Vereinswesens auf empirischer Grundlage, so beispielsweise die des „weltanschauungsmäßigen“ Inhalts von Vereinen. Ausdrücklich gelobt wird er daher im Internationalen Soziologen-Lexikon für die enge Verknüpfung und wechselseitige Befruchtung von Volkskunde und ­Sozio­logie, die seine Verbundenheit mit Heimatliebe und Wissenschaft widerspiegelte.

Darüber hinaus betrieb er internationale Friedens-, Vorurteils- und Entwicklungsländerforschung und damit Völkerverständigung: Der Gegenstand seiner Unter­­suchungen reichte bis zu alemannischer, siebenbürgisch-sächsischer, rumänischer und ­sogar sizilia­nischer The­matik. Nach wie vor bewundern Kenner die Detailkenntnisse, auf die Ernst Wallner sich bei der Herausarbeitung seiner wissenschaftlichen Leitgedanken stützen konnte. So werden seine Schriften bis heute als Grundlage für den Unterricht in Schule und Universität verwendet. Zu Wallners vielseitigem Werk gehören aber auch seine Übersetzungen ins Spanische, Englische und Französische sowie seine Übersetzungen aus dem Rumänischen ins Deutsche.

Nach dem Übergang in den „Un-Ruhe-Stand“ waren ihm die Arbeiten um das Nordsiebenbürgische Wörterbuch ein besonderes Anliegen. Seit 1980 engagierte er sich in diesem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wichtig war hier ein Stamm von Fachleuten, die noch die ursprünglichen und unverfälschten Dialekte sprachen und keinen Mischdialekt angenommen hatten. Dabei betreute Prof. Dr. Ernst Wallner, in landeskundlicher Forschung etabliert, den Mettersdorfer Dialekt. Da das Nordsiebenbürgische Wörterbuch „alle Bereiche dieses untergehenden Sprachraums berücksichtigt, kann es für Forschungen vieler Disziplinen als Grundlage dienen und auf diese Weise mit dazu beitragen, nicht nur die Sprache, sondern das Leben dieser Menschen insgesamt vor dem Vergessen zu bewahren. Es verwundert nicht, dass 1986 die ihm vor 50 Jahren „zuerkannten höchsten Ehren eines Doktors der Philosophie“ erneuert wurden.

Der international bedeutende Wissenschaftler verstarb mit 95 Jahren am 21. April 2007 in seinem langjährigen Wohnort Kirchzarten im Schwarzwald.

Karin Roth

Schlagwörter: Porträt, Soziologie, Pädagogik, Nösnerland

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