1. Juni 2012

Landler gestalten Brauchtumsveranstaltung

Als es hieß, die drei Landlergemeinden Neppendorf, Großau und Großpold sollen gemeinsam im Rahmen der Brauchtumsveranstaltung am 26. Mai in Dinkelbühl auftreten, war die Freude unbeschreiblich groß. Es fühlte sich an, als sei man bei einem großen Fußballturnier ins Finale gelangt. Diese einmalige Chance, uns auf großer Bühne vorzustellen, nahmen alle Verantwortlichen der drei Gemeinden sehr ernst.
Schnell war klar: Für Neppendorf spielt die Blaskapelle, tritt diese doch bereits seit 1992 ununterbrochen jedes Jahr beim Pfingsttreffen in Dinkelbühl auf; für Großpold wird der mittlerweile auch in ganz Deutschland bekannte Chor auftreten; und Großau soll mit Trachtenpaaren Präsenz zeigen und für die heiteren Momente sorgen. Alle Teilnehmer sollten in Tracht erscheinen. Für einen wissenschaftlichen Beitrag über die Geschichte der aus Österreich Transmigrierten konnten wir die in Alzen geborene Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum Gundelsheim, Dr. Irmgard Sedler, gewinnen.

Das Publikum im bis auf den letzten Platz gefüllten Schrannen-Festsaal bekam ein imposantes Bühnenbild zu sehen: rechts die Blaskapelle, links der Chor und in der Mitte die Trachtenpaare, Neppendorf, Großpold und Großau auf einen Blick. Punkt 16 Uhr leitete die Neppendorfer Blaskapelle unter Dirigent Mathias Hubner mit einem schwungwollen Marsch die Veranstaltung ein. Der Großpolder Chor stellte mit „Von der hohen Alm auf die Niederalm“ klar, welche geografischen Regionen man sich vorzustellen hatte.

Durch das Programm führten die in Großpolder Tracht gekleideten bezaubernden Moderatorinnen Christa Wandschneider, Bundesfrauenreferentin, und Kathi Scheiber. Die Veranstaltungsteilnehmer wurden herzlich begrüßt, insbesondere die österreichischen Gäste aus Bad Goisern sowie Honorarkonsul Andreas Huber, ein in Großau geborener Landler, der selbstverständlich in Tracht auf der Bühne stand.
Die Landler gestalteten die diesjährige ...
Die Landler gestalteten die diesjährige Brauchtumsveranstaltung in Dinkelsbühl: Josef Ramsauer (vorne, Mitte) trägt ein Mundartgedicht von Michael Liebhart (vorne, links) vor; rechts die aus Großpold stammende Moderatorin Kathi Scheiber.
Christa Wandschneider stellte Neppendorf kurz vor. Für die 25 Mann starke Blaskapelle, die von einigen Trachtenpaaren begleitet wurde, arrangiert der 70-jährige Hubner immer noch alle Musikstücke persönlich. Bühne Geboten wurde eine musikalische Reise durch seine Heimatgemeinde Neppendorf. Zu hören waren ausnahmslos von Neppendorfern komponierte Stücke. Frau Kapellmeister Hubner trug dann das wunderschöne Gedicht „Dahoam oda i da Fremd“ (Zu Hause oder in der Fremde) auf.

Kathi Scheiber stellte anschließend die Gemeinde Großau vor. Vom kulturellen Potenzial könnte diese Gemeinde allein eine Brauchtumsveranstaltung organisieren. Die Großauer Blasmusikkapelle feiert heuer übrigens ihr 170-jähriges Jubiläum. Die Großauer waren mit Trachtenpaaren vertreten, die quasi alle Generationen vertraten: das junge Mädchen und der Rekrut, die frisch „verheiratete“ Frau, der Mann, der für das Familieneinkommen zu sorgen hat, Oma und Opa. Besonders die schwarzsamtenen, bunt handbestickten festlichen Halstücher zogen die Blicke der Zuschauer an. Diese wurden von den Frauen über dem Kirchenrock angelegt, wenn sie die schwarze Kirakoppn (Kappe) trugen. Am Tag nach der Hochzeit ging die junge Frau in Begleitung zweier anderen Frauen das erste Mal mit der Kirakoppn in die Kirche: „s’ junge Weib wird oigsegnt“ (die junge Frau wird eingesegnet). Das Blobe Tihal (blaue Tuch) indes wurde nur zum Ball der Verheirateten getragen und auf keinen Fall in die Kira (zum Gottesdienst). Die Männertracht ist bei weitem nicht so prachtvoll: weißes Hemd, schwarze Weste und Winterrock, schwarzer Hut wurden zu schwarzer Stiefelhose und Stiefel getragen.

Die beiden Großauer Michael Liebhart und Josef Ramsauer sorgten für heitere Stimmung im Saal. Mit der Ziehharmonika, in Bayern als Quetschn bekannt, lockte Michael Liebhart das rhythmische Klatschen des Publikums hervor. Im landlerischen Dialekt trug dann Josef Ramsauer das von Michael Liebhart verfasste Gedicht „Da schlau Hies“ (Der schlaue Hies) vor. Gerade mit Humor kann man einen Dialekt eingängig präsentieren. Den Beweis, dass der landlerische Dialekt vom Publikum gut verstanden wurde, bekamen die Großauer dann am Ende der Veranstaltung „zu spüren“. Nach einer weiteren musikalischen Einlage, einem Ländler, trug Michael Liebhart das von ihm in landlerischer Mundart geschriebene Gedicht „Gibt es eine Mehrzahl für Heimat“ vor. Diese Verse zeigen uns den Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten dieses Dialektes. Ist nun Siebenbürgen, Österreich oder Deutschland unsere Heimat oder sogar alle drei? Schmunzelnd brachte der Verfasser das Publikum zum Nachdenken über ein ernstes Thema. Fazit: Für Heimat gibt es keine Mehrzahl. Eine passende Überleitung zu Großpold. In wenigen Sätzen stellten uns die Moderatorinnen die eigene Gemeinde Großpold sowie den Großpolder Chor vor. Ein schier unendliches Repertoire, einstudiert vom nimmermüden Chorleiter Karlheinz Piringer, hat dieser Chor vorzuweisen. Mit Leib und Seele dirigierte Piringer seine Sänger und brachte diese zu einer einzigartigen Hochleistung. Es bedurfte wenig Phantasie, bei Liedern wie „In die Berg bin i gern“, „Wenn mei Dirndl am Abend um Wasser geht“, „A ganze Weil...“ gedanklich in der alten Heimat zu verweilen.

Wer sind nun diese Leute aus den drei doch bekannten siebenbürgischen Gemeinden, fragte sich manch ein Zuschauer jetzt erst recht. Sächsisch haben die nicht gesprochen, das Gewand, das sie tragen, ist auch nicht das der Sachsen. Dr. Irmgard Sedler nahm uns in ihrem Vortrag mit auf eine Reise, die vor mehr als einem Vierteljahrtausend im Salzkammergut, in Kärnten und in der Steiermark begann. Diese Reise „traten an“ Männer, Frauen und Kinder, die ihren evangelischen Glauben nicht verraten wollten und lieber das „Exyl“ bevorzugten, ein Leben am anderen Ende der Donaumonarchie. Der größte Teil der nach Siebenbürgen transmigrierten Österreicher wurde in Neppendorf, Großau und Großpold ansässig, in Gemeinden, in denen nach vielen Tatareneinfällen zu dem Zeitpunkt nur noch wenige Höfe bewohnt waren. Über 270 Jahre hinweg haben die Nachfahren der transmigrierten Österreicher in den drei genannten Gemeinden ihre kulturelle Eigenheit behaupten können. Im Laufe der Zeit wurden diese Leute einfach „Landler“ genannt.

Den Schlusspunkt einer immer wieder mit viel Applaus bedachten Veranstaltung setzten die Blaskapelle und der Chor, die jeweils noch eine Kostprobe ihres Könnens darboten. Gemeinsam riefen die Großpolder dann den Großpolder Gruß „Nit loss di, eh!“ – (Lass dich nicht unterkriegen) in den Saal.

Doris Hutter bedankte sich im Namen des Verbandes der Siebenbürger Sachen in Deutschland e.V. für die Darbietung. Eine höhere Anerkennung als „Ich hätte euch jedes Jahr gerne hier im Programm“ kann man sich wirklich nicht wünschen. Die Neppendorfer und die Großpolder wurden obendrein von Doris Hutter mit erlesenen Frankenweinen bedacht - und die Großauer?

Wie bereits bemerkt, wurde der landlerische Dialekt vom Publikum sehr gut verstanden. Auch von Doris Hutter, die uns Großauern einfach sagte: „Dem schlauen Hias rät der Doktor von Bier und Wein ab, wenn er noch lange leben möchte, und empfiehlt ihm Kaiwelmilli (Kuhmilch). Nun, liebe Großauer, ich möchte ja für euch auch nur das Beste“. Artig bedankten sich die Großauer für den „guten Rat“ und „drohten“, demnächst wieder bei einer Brauchtumsveranstaltung vorstellig zu werden. Dann aber mit Blaskapelle, Chor, Gedichten, Ziehharmonika, Gitarrengruppe, Tanzgruppe, den Großpoldern und den Neppendorfern.

Josef Ramsauer

Schlagwörter: Heimattag 2012, Brauchtum, Landler

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